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Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair LewisЧитать онлайн книгу.

Sinclair Lewis: Die großen Romane  - Sinclair Lewis


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gegeben … Still stand Elmer da, ein geschlagener kleiner Junge, seine Stunde des Durchgehens mit der Tochter des Herrenhauses war vorbei, er war so glühend verliebt, daß er nicht einmal dagegen rebellierte, auf das Einzige, wonach er begehrte, verzichten zu müssen.

      Dann stand sie in der Tür, ganz unevangelistisch, erfreulich weltlich in einem Abendkleid aus schwarzem Satin mit Goldtressen. Bisher hatte er keine Leute gekannt, die Abendkleider trugen. Munter streckte sie ihm die Hand entgegen, aber er ging nicht munter zu ihr – eher demütig, entschlossen, ihr vor der argwöhnischen Familie keine Schande zu machen.

      Hand in Hand kamen sie ins Speisezimmer, und da sah er, daß der Tisch nur für zwei gedeckt war.

      Fast lachte er laut: »Ich dachte, es wären eine Menge Leute da«, aber er fühlte sich gerettet.

      Schließlich sprach er das Tischgebet.

      Kerzen und Mahagoni, Silber und alte Spitzen, Rosen und Wedgwoodgeschirr, Wildente und der Hausmeister in Flaschengrün. Er versank in friedliche Glückseligkeit, während sie ihm aufregende Geschichten aus ihrer Evangelistentätigkeit erzählte – von ihrem Tenorsolisten, dem dicken Adelbert Shoop, der ein Freund von Crême de Cacao war; von der schwedischen Farmersfrau, die ihren Mann glücklich aus dem Trinken, Fluchen und Schnupfen herausgebetet hatte, dann aber versuchte, ihn aus dem Damespielen herauszubeten, worauf er hinging und sich herrlich mit schlechtem Fusel betrank.

      »Ich hab' Sie bis jetzt noch nie so still gesehen«, sagte sie. »Sie können wirklich nett sein. Glücklich?«

      »Schrecklich!«

      Aus dem Dach der Vorderveranda war eine offene Terrasse gemacht worden, und hier tranken sie, gegen die Abendkühle in Decken gewickelt, ihren Kaffee in Liegestühlen. Sie waren über den Baumwipfeln, und als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er den Fluß im Sternenlicht sehen. Der Ruf einer Eule; dann hüllte die freundliche, die flüsternde Luft sie ein.

      »O mein Gott, es ist so schön – so schön!« seufzte er, während er ihre Hand suchte und sie zutraulich in die seine schlüpfen fühlte. Plötzlich wurde er grausam, zerstörte alles:

      »Viel zu schön für mich, glaub' ich. Sharon, ich bin ein miserabler Taugenichts. Als Prediger bin ich nicht so schlecht, oder wär's wenigstens nicht, wenn ich die Möglichkeit hätte, aber ich – ich bin nicht gut. Ich hab' mit dem Trinken und Rauchen Schluß gemacht – für Sie – ich hab's wirklich getan! Aber früher hab' ich immer getrunken wie ein Loch, und bevor ich Sie gesehen hab', hab' ich immer geglaubt, außer meiner Mutter gibt es keine gute Frau. Ich bin nichts weiter als ein zweitklassiger Reisender. Ich bin aus Paris, Kansas, und nicht einmal für dieses Bauerndorf bin ich gut genug, weil die Leute dort hart arbeiten und anständig sind, und ich bin nicht einmal das. Und Sie – Sie sind nicht nur eine Prophetin, das sind Sie ganz sicher, eine richtige große Sache, Sie sind noch dazu eine Falconer. Familie! Alte Diener! Dieses alte Haus – ach, es hat gar keinen Sinn! Sie sind zu hoch für mich. Grad weil ich Sie liebe. Schrecklich. Weil ich Sie nicht anlügen kann!«

      Er hatte ihre Hand losgelassen, aber langsam kam sie zu der seinen zurück, ihre Finger durchwanderten die Täler zwischen seinen Knöcheln, während sie murmelte:

      »Sie werden groß sein! Ich werd' Sie dazu machen! Und, vielleicht bin ich eine Prophetin, ein klein wenig, aber ich bin auch eine tüchtige Lügnerin. Sie müssen wissen, ich bin keine Falconer. Es gibt gar keine! Ich heiße Katie Jonas. Ich bin in Utica geboren. Mein Vater hat in einer Ziegelei gearbeitet. Den Namen Sharon Falconer hab' ich angenommen, wie ich Stenotypistin war. Bis vor zwei Jahren hab' ich dieses Haus nie gesehen. Bis damals hab' ich diese alten Familiendiener nie gesehen – sie waren bei den Leuten, denen das alles hier gehört hat – und nicht einmal die waren Falconers, sie hatten den fabelhaft aristokratischen Namen Sprugg! Übrigens, für das Grundstück hier hab' ich noch nicht mal den vierten Teil bezahlt. Und doch bin ich keine Lügnerin! Ich bin's nicht! Jetzt bin ich Sharon Falconer! Ich hab' sie geschaffen – durch Beten und durch ein Recht darauf, sie zu sein! Und Sie werden aufhören, der arme Elmer Gantry aus Paris, Kansas, zu sein. Sie werden der Reverend Dr. Gantry sein, der große Seelenkapitän! Oh, ich bin froh, daß Sie nicht weiß Gott woher sind! Cecil Aylston – o ja, ich glaub', er liebt mich wirklich, aber ich hab' immer das Gefühl, daß er über mich lacht. Der Teufel soll ihn holen, er zählt die Sprachfehler, die ich mach', und nicht die Seelen, die ich rette! Aber Sie – Oh, Sie werden mir dienen – nicht wahr?«

      »Auf immer!«

      Und dann wurde nur wenig gesprochen. Sogar die Zustimmung, daß sie sich von Cecil befreien und Elmer zu ihrem ständigen Assistenten machen sollte, wurde ganz nebenbei erreicht. Er war fest davon überzeugt, daß es mit ihrer Macht aus wäre.

      Doch als sie hineingingen, sagte sie ganz vergnügt, sie müßten früh ins Bett und am nächsten Tag früh aufstehen; und sie würde ihn beim Tennisspiel nur zehn Pfund leichter machen.

      Als er flüsterte: »Wo ist Ihr Zimmer, Liebe?« lachte sie kalt und unpersönlich: »Das werden Sie nie wissen, Sie armes Schaf!«

      Der kühne, der unternehmende Elmer trappte in sein Zimmer und zog sich langsam aus; sehnsüchtig stand er an seinem Fenster, seine Seele fuhr aus auf der Dunkelheit zu unfaßbaren Reisezielen. Er sprang ins Bett und fiel langsam in Schlaf, zu müde vom Kampf gegen ihren Widerstand, um an Möglichkeiten der nächsten Tage zu denken.

      Er hörte ein schwaches kratzendes Geräusch. Es schien ihm, daß der Türgriff sich drehte. Zitternd setzte er sich auf. Das Geräusch hörte auf, begann aber wieder, ein schwaches Scharren; der untere Rand der Tür bewegte sich langsam über den Teppich. Der fahle Lichtstreifen aus dem Korridor wurde größer, und, sich streckend, konnte er sie sehen, aber nur wie einen Geist, einen weißen Hauch.

      Verzweifelt streckte er seine Arme aus, und bald stolperte sie dagegen.

      »Nein! Bitte!« Sie hatte die Stimme einer Schlafwandlerin. »Ich bin nur hereingekommen, gute Nacht sagen und Sie ins Bett bringen. So ein gequältes, unglückliches Kind! Ins Bett. Ich geb' Ihnen einen Gutenachtkuß und geh' wieder.«

      Sein Kopf bohrte sich ins Kissen. Ihre Hand berührte leicht seine Wange, doch aus ihren Fingern, glaubte er zu fühlen, kam ein Strom, der ihn in Schlaf lullte, in einen augenblicklichen, aber tiefen, befriedigenden Schlaf.

      Mit Anstrengung sagte er: »Sie auch – Sie brauchen Trost, vielleicht brauchen Sie auch einen Herrn über sich – wenn ich mal meine Scheu vor Ihnen überwunden hab'.«

      »Nein. Ich muß meine Einsamkeit allein tragen. Ich bin anders, ob's nun ein Fluch oder ein Segen ist. Aber – einsam – ja – einsam.«

      Mit einem Ruck wurde er munter, als ihre Finger seine Wange hinaufkrochen, über die Schläfe, in sein schwarzes Haar.

      »Ihr Haar ist so dick«, sagte sie mit schwerer Stimme.

      »Ihr Herz schlägt so. Liebe Sharon –«

      Plötzlich, seinen Arm packend, rief sie: »Komm! Es ist der Ruf!«

      Voll Verwirrung folgte er ihr, sie schritt voraus, in ihrem am Hals mit weißem Pelz eingefaßten Nachtgewand, aus dem Zimmer hinaus, den Korridor entlang, eine steile, kleine Treppe zu ihren Zimmern hinauf; seine Verwirrung wuchs, als es aus diesem freundlichen Korridor mit den Vergißmeinnichttapeten und den steifen Porträts von virginischen Würdenträgern weiterging, in einen Glutofen aus Scharlach.

      Ihr Schlafzimmer war genau so wahnsinnig wie eine orientalische Koseecke von 1895 – ein hohes Sofa auf geschnitzten Elfenbeinfüßen, bedeckt mit einem Mandarinenmantel; dunkle Messinglampen in der Form von Moscheen und Pagoden; an den Wänden vergoldetes Papiermaché; ein großer Toilettetisch mit einer Unzahl Schönheitsmittel in absonderlich geformten Pariser Flaschen; hohe Leuchter, in denen gedrehte Zierkerzen brannten; und über allem eine Ahnung von Weihrauch.

      Sie öffnete einen Wandschrank, warf ihm ein Gewand zu, rief: »Für den Dienst am Altar!« und verschwand in ein Ankleidezimmer. Schüchtern, sich einigermaßen wie ein Narr vorkommend, zog er das Gewand an. Es war aus purpurrotem Sammet, mit schwarzen


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