Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
dafür, daß die
Flämmchen des Geistes Augen seien. Kludde kann
sich zum Baum machen, klein wie ein Schlehenstrauch
und bis hoch in die Wolken wachsen; Kludde
kann dich als Schlange umringeln und als Hornisse
umsumsen, er schreckt dich als Fledermaus oder als
Kröte, er kann Katze sein und Maus, Frosch und
Ochse. Man hört ihn auch rufen, und sein Ruf lautet
Kludde! Kludde! So ruft er seinen Namen, wie der
Vogel Kuckuck, der verrufene Gauch. Er neckt und
plagt zu Lande wie zu Wasser; am Seegestade ist er
Neck, auf dem platten Lande Schreck, ein greulicher
Spuk, selbst Werwolf. Geist Kludde soll der Geist
eines Mannes sein, der mit dem Teufel ein Bündnis
hatte, und zu ruhelosem Wandeln auf Erden und Plagen
der Menschen verurteilt sein.
Einstens ging ein Mädchen mit ihrem Geliebten
und einem Freunde desselben über Land, und waren
in guten Gesprächen, da rief der Liebhaber mit einem
Male: Schaut dorthin! Was sehe ich dort? – Die andern
sahen nichts. – Was siehst du denn? – Kludde
ist's! Jetzt springt er als Hund! Seht, er streckt sich –
jetzt ist er ein Schaf – jetzt eine Katze – nein – da ist
er ein Baum geworden. – Die andern konnten nichts
von alledem erblicken. – Sag's, wenn du ihn wieder
siehst! rief der Begleiter, ich will auf ihn zugehen. –
Da läuft er ja vor uns her! – Jener sah nichts, und sie
wandten sich, nach Hause zu gehen.
Vor dem Hause lag eine Steinplatte etwas lose,
unter die man den Hausschlüssel zu legen pflegte.
Und da rief der Liebhaber wieder: Seht! Seht ihr ihn
nicht? Er sitzt ja auf der Platte, da kann ich nicht zum
Schlüssel! Komm, Mieken, wir wollen dich erst nach
Hause geleiten, du ängstigst dich. – Als die Freunde
wiederkamen, sah der Liebhaber immer noch den
Geist auf der Platte hocken, und der andere sah nichts.
Dieser ging nun stracks auf die Platte zu und nahm
ungehindert den Schlüssel, der Geist sprang hinweg.
Ungehindert kam der Liebhaber in sein Haus und
schloß es schnell. Der Begleiter bekam Kludde nicht
ein einziges Mal zu Gesicht.
148. Die Tückebolde Lodder und lange Wapper
Ein dem Kludde verwandter Geist spukt in der Gegend
um Brüssel umher, ganz in ähnlicher Weise.
Schnitter, die abends ihre Kleider abgelegt hatten und
ruhten, hörten von fernher kommend ein Gerassel, wie
von Ketten, das näherte sich bis an den Ort, wo ihre
Kleider lagen, die aber lagen ganz ruhig. Ein Gewitter
zog heran, die Schnitter zogen ihre Kleider an und
wollten heimgehen, da rasselte und prasselte es ganz
in der Nähe, und plötzlich schrie einer der Schnitter:
Lodder! Lodder! Schlagt zu! Schlagt zu! Ich sitze
drauf. – Und da ritt er schreiend fort, und keiner sah,
auf was er ritt, und alle lachten, denn der Geist Lodder
war unsichtbar und rannte fort mit der erfaßten
Last des Schnitters und warf ihn bei einem Weiher in
das Gras und plumpste ins Wasser, und mußte jener
froh sein, daß nicht er in das Wasser geworfen worden.
Einem Zechgesellen begegnete es, daß er, als er
abends ziemlich spät nach Hause kam, an der Erde
etwas ticken und tacken hörte. Neugierig lauschend
bog er sich nieder, ticketack, ticketack ging es fort
und fort. Er griff hin, und siehe, unter einem Stein lag
eine gehende Uhr. Er nahm sie und steckte sie ein,
und in seiner Kammer zog er sie hervor, sie im Mond-
schein recht augenscheinlich zu betrachten, da zeigte
ihr Zeiger auf Zwölf, und auf der Kirchenuhr schlug
es Zwölf, die Uhr ging also genau, aber sie wurde mit
einmal so kalt, eiskalt, und feucht, und so schwer, und
wie der Gesell recht hinsah, hielt er eine dikkaufgeschwollene
Kröte in der Hand. Schaudernd
warf er das Ungetüm zur Erde, und in dem Augenblick
hatte er einen großen Hund bei sich in der Kammer,
der hatte ein paar Augen wie zwei Schiffslaternen,
und der Gesell fiel vor Schreck auf sein Bett, der
Hund aber sprang zum Fenster hinaus und schlug ein
Höllengelächter auf. So hat der Tückebold Lodder gar
viele geäfft und mit seinem nächtlichen Erscheinen,
teils mit seiner Stimme und seinem Gelächter, manche
zum Tode erschrecken gemacht.
Ein anderer Tückebold ist der lange Wapper, der
spukte vornehmlich zu Antwerpen und gehörte zu
demselben Gelichter; er verschmähte es nicht, selbst
unschuldige Kinder zu betören. Er spielte mit ihnen
um Schüsser und Knickers, ließ sie gewinnen, und
wenn sie meinten, die Tasche recht voll gewonnene
Küglein zu haben, und wollten sie zeigen, dann waren
es Schaflorbeeren. Wenn er mit den Jungen das Diebspiel
spielte, kartete er es so ab, daß er den Henker
machte, und dann henkte er die armen Buben wirklich,
und wenn sie sich zu Tode zappelten und die andern
alle davonliefen, so schlug er ein unmenschliches
Gelächter auf. Ein Büttnergesell trat bei einem Meister
ein, schien ein anstelliger Bursche. Da der Meister
ein Faß pichen wollte, hieß er den Gesellen das
Pech einwerfen und Hobelspäne im Faß anzünden;
der Gesell tat's, steckte aber mit dem brennenden Faß
das ganze Haus in Brand, und als der Meister ihn wütend
verfolgte, sprang der Gesell ins Wasser und puttelte
darin herum und lachte wie ein rechter Kobold.
Mit Mühe wurde der Meister Meister des Feuers.
Ein Brauer hatte auch einen neuen Gesellen gedingt;
der war gar kräftig und fleißig; am Abend rollte
er eine schwere Tonne voll Bier mit einem Nebengesellen
von ihrer Stelle, stellte dem Nebengesellen
flink ein Bein, daß er fiel und unter die