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Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen - Ludwig Bechstein


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nicht wissen. Da wurde dem alten Gärtner das Ding

       zu bunt, und er tat den Mund auf und tat einen Fluch,

       daß der Schnee sich erschrak, der auf den Baumästen

       lag, und herunterfiel. Da plumpste ihm aber gleich

       eine schwere Last auf den Rücken und spornte ihn,

       wie ein Reiter sein Roß, nach dem breitesten der Gräben

       hin und trieb ihn hinein, nolens volens, da half

       kein Zittern vor dem Froste. Und siehe als der Mann

       in den breiten Graben trabte, da machte er keinen

       Schuh naß, denn der Graben war gar kein Graben,

       sondern die salztrockne Heerstraße, aber seinen

       Aufhuck, o den behielt er und mußt' ihn noch eine

       gute Viertelstunde tragen und Lastgaul, wo nicht -esel

       sein, bis ihm eine Bäuerin begegnete, die eine Kiepe

       (Tragkorb) von Weidengeflecht trug, da hopste der

       Osschaert hinein, und jenem ward es leicht, der Frau

       aber schwer; sie wußte gar nicht, was sie auf einmal

       so Schweres trug, und stand und nahm den Korb ab

       und giekte hinein. Da flog ihr eine Fledermaus ins

       Gesicht aus dem Korbe, und sie tat einen Schrei, und

       die Fledermaus wurde so groß wie ein Mondkalb und

       lachte, daß es durch Mark und Bein drang.

       150. Die Mahr

       Was in andern deutschen Landen der Alp heißt oder

       die Trud, die grausen Nachtspuke, die die Menschen

       quälen, das ist in Holland und den Niederlanden die

       Mahr. Aber die Sagen von ihr sind häufiger und viel

       fürchterlicher als im innern Deutschland. Die Mahr ist

       nicht eigentlich ein Gespenst, sie ist eine dämonische

       Qual, von Menschen gegen Menschen verübt. Wer

       eine Mahr ist, deren Seele zieht aus, andere zu peinigen,

       zu reiten, wie der richtige Volksausdruck ist, und

       es ist das Sprüchwort: Reitet dich die Mahr! nicht viel

       anders zu verstehen als das: Reitet dich der Teufel!

       Absonderlich üben böse Hexenweiber das teuflische

       Mahrreiten. Zu Harlem ist's in einem reichen Hause

       geschehen, daß ein Mädchen unversehens in der

       Schlafkammer eines Knaben nackt am Boden liegend

       gefunden ward, neben ihr ein Besenstock, und das

       Mädchen schrie und jammerte. Als es gefragt wurde,

       bekannte es: Ich wachte in der Nacht, sah, wie meine

       Mutter aufstand, sich auszog, mit einer Salbe sich

       strich, einen Stock nahm und darauf zum Fenster hinausritt.

       Da stieg ich auch auf, holte auch einen

       Besenstock, strich mich auch mit der Salbe, fuhr auch

       aus dem Fenster, da kam ich über dieses Haus, ward

       hier hereingeführt, da lag meine Mutter auf des Kna-

       ben Brust gleich einer Mahr. Ich schrie laut vor

       Schreck: Jesus Maria!, da fuhr alsbald meine Mutter

       auf und mit geballten Fäusten an mir vorbei durchs

       Fenster fort.

       Als das Mädchen solches erzählt, wurde die Hexe

       verhaftet und gestand, daß sie in jeder Nacht da oder

       dort die Leute als Mahr gequält, und wurde verbrannt

       zur gerechten Strafe.

       Bei Vilforde fanden Schnitter ein Weibsbild liegen,

       die lag wie tot, doch war sie nicht kalt wie eine Tote,

       aber sie atmete auch nicht wie eine Schlafende. Ein

       Hirte, den die Schnitter herbeiriefen, sprach: Das ist

       eine Mahr, die ist ausgezogen, einen andern zu quälen.

       Die Schnitter wollten's gar nicht glauben, aber

       der Hirte sagte: Harret nur, ihr sollt Wunder sehen!

       Und neigte sich zu der Liegenden und flüsterte ihr ein

       paar Worte ins Ohr, da kam ein klein Tierchen, fingerslang,

       weither gelaufen, blitzgeschwind, das kroch

       der Frau in den Mund. Der gab nun der Hirte einen

       Schub, daß sie um und um kollerte, da wachte sie auf,

       schaute starr sich um und flüchtete rasch davon.

       Einen jungen Menschen quälte jede Nacht die

       Mahr, er liebte ein Mädchen, das ein Kamerad von

       ihm auch liebte, ohne daß er's wußte, und klagte diesem

       seine Qual. Da sprach der Kamerad: Folge mir

       und tue das: halte gegen deine Brust ein wohlgespitztes

       Messer mit der Spitze, wenn du dich zu Bette ge-

       legt hast, aber schlafe nicht ein. Das war ein Teufelsrat,

       denn der andere rechnete, wenn die Mahr auf

       jenen falle, solle sie ihm das Messer in die Brust stoßen,

       damit er des Nebenbuhlers ledig würde. Jener

       aber befolgte den Rat, nur verkehrt, denn er hatte das

       Richtige vergessen und hielt die Spitze und Schneide

       des Messers über sich; wie die Mahr auf ihn fiel,

       stach sie sich durch und durch und kam nimmermehr

       wieder.

       Selbst Pferde wurden von der Mahr geritten, wie

       denn das Wort Mahr selbst so viel ist als Pferd,

       wovon in deutscher Sprache noch die Worte Marstall

       und Mähre üblich sind, daher auch bei der bösen Trudentat

       der Begriff von reiten und geritten werden. Die

       Mahr ist aber selbst bisweilen Vampir, und ebenso

       vertauscht sie Kinder gegen Wechselbälge. Wer den

       Kindern abends ein Kreuz über Wickel und Wiege

       macht, hat nichts von der Mahr für sie zu fürchten.

       151. Die Klabautermännchen

       Was im höhern Norden die Trollen, in Deutschland

       die Hinzchen, Heinzemännchen, Hütchen sind –

       Zwerge, zwerghafte Erdgeister, das sind in Holland

       und Niederland die Klabautermännchen, Kaboteroder

       Kaboutermannekens; sie wohnen in Höhlen, sind

       oft hülfreich den Menschen, gutartig, dankbar. Beim

       Dorfe Gelrode liegt ein Kabouterberg, darinnen

       wohnten die Mannekens nahe einer Mühle, die schärften

       dem Müller seine Mühlsteine und wuschen sein

       Linnen, wenn er ihnen nur ein Butterbrot und ein Glas

       Bier zur Nacht hinstellte. Ein anderer Müller im

       Kempnerlande fand, wenn er zufällig etwas von seinem

       Butterbrote liegen ließ, des Morgens lange Zeit

       alle Arbeit in der Mühle getan, die er für


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