Эротические рассказы

Walther Rathenau - Leben und Werk - Band 126 in der gelben Reihe bei Jürgen Ruiszkowski. Harry KesslerЧитать онлайн книгу.

Walther Rathenau - Leben und Werk - Band 126 in der gelben Reihe bei Jürgen Ruiszkowski - Harry  Kessler


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und Nuancen.

      Mme. Trocard:

       Glauben Sie nicht, dass ich Komödie spiele. Ich brauche es nicht zu tun. – Warum könnte ich mich unglücklich fühlen?

      Berthier:

      Wie oft haben Sie sich diese Frage selbst gestellt, und wie oft haben Sie sie beantwortet! Ich aber habe kein Recht dazu.

      (Kurze Pause)

      Mme. Trocard:

      Ich weiß, was Sie meinen, Herr Berthier, und wage es auszusprechen. Sie glauben, dass mein Mann mich vernachlässigt. Aber Sie irren sich. Mein Mann ist rücksichtsvoller als er zu scheinen wünscht. Glauben Sie es mir nicht? Angenommen aber, er wäre es nicht – hätte ich dann ein Recht, mich zu beklagen oder unglücklich zu sein? Auf keinen Fall. Ich darf nicht vergessen, dass ich nichts war, bevor mein Mann mich zur Frau nahm, und dass ich durch ihn erst kennengelernt habe, was Rücksichten sind.

      Berthier:

      Ist das auch seine Ansicht?

      Mme. Trocard:

      Ich weiß es nicht.

      Berthier:

      Wenn Sie es wünschen, will ich gerne glauben, was ich nie bemerkte, aber auch nie bestritt, dass Trocard sich bewusst ist, dass er der besten Frauen eine die Seine nennt. – Umso mehr muss es tieferer, verborgener Kummer sein, der sich von Ihrem Glücke nährt und aus Ihrem Herzen die schöne sich selbst unbewusste Fröhlichkeit ausgetilgt hat.

      Mme. Trocard:

       Um Himmels willen – was meinen Sie damit?

      Berthier:

      Haben Sie noch dasselbe Vertrauen zu mir, wie vormals in Paris? Nicht wahr, Sie haben es noch? Und ich bin Ihnen von Herzen dankbar dafür.

      Warum sollten wir nicht offen miteinander sprechen? Nach langer Trennung sehen wir uns wieder. Durch unheilvolle Umstände, die ich Ihnen nicht gestehen kann, ohne Sie tief zu verletzen, ist meine Lebensfreude zerstört. Durch Verhältnisse anderer Art, an denen Sie aber unschuldig sind, ist es die Ihre. Wir beide kennen diese Verhältnisse und empfinden sie gleich tief. Warum also sie wegleugnen? Wenn es Ihr Wunsch ist, soll über Ihren Kummer kein Wort mehr verlauten. Ihn zu teilen werden Sie mir nicht verbieten.

      Mme. Trocard:

      Sagen Sie mir, Herr Berthier, was Sie wissen. Ich bitte Sie darum. Lassen Sie mich alles erfahren.

      Berthier:

      Ich weiß nicht mehr, nicht weniger als Sie.

      Mme. Trocard:

      (mit gesteigerter Unruhe und Aufregung)

      Und wenn ich es wüsste ... Sagen Sie es mir, um mich zu beruhigen. Ich bitte darum. Ich mag die Ungewissheit nicht. – Betrifft es meinen Mann?

      Berthier:

      Verzeihen Sie mir, verehrte Frau, Sie sehen ein, dass Sie aus meinem Munde nichts erfahren dürfen.

      Mme. Trocard:

       Lassen Sie mich nicht in der Ungewissheit verzweifeln. Sagen Sie mir, ob außer ihm ... Sagen Sie mir, ob eine Frau ... Ich bitte so sehr drum ... Nennen Sie einen Buchstaben ihres Namens ...

      Berthier:

      Wozu das Wortspiel? Nun denn, es sei. Ich dachte an Madame Rozan.

      Mme. Trocard:

      (in Tränen ausbrechend)

      O mein Gott, dass es so offenkundig ist!

      Wie in diesem Dialog, wie in den weiteren Gesprächen zwischen Berthier und der früheren Operettendiva, zwischen dieser und Blanche, zwischen Blanche und ihrem Mann, die tragische Situation durch die einfachen, gleichgültigen Worte hindurchleuchtet, als seien sie untermalt und die Untermalung nicht zuzudecken, wie sie dann allmählich deutlicher wird und zum Ausbruch kommt und schließlich ohne Lösung bleibt, – wie im Leben – das beweist nicht nur Walther Rathenaus dichterische Begabung, sondern mehr noch sein natürliches Talent zur inneren Nachschöpfung alles dessen, was zwischen Menschen in ihren Beziehungen zueinander Kühle oder Wärme, Nachgeben oder Starrheit, Schwäche oder Macht, Aufstieg oder Niedergang bedingt.

       In der Tat gehört Rathenau zu der in Deutschland sehr kleinen Gruppe von Schriftstellern, die in Frankreich als „Moralisten“ bezeichnet werden: Weltleute, Philosophen, Staatsmänner, wie La Rochefoucauld, La Bruyère, Vauvenargues, Chamfort, Rivarol, die in die Geheimnisse des menschlichen Herzens und des gesellschaftlichen Lebens mit Geist, mit Feingefühl, mit schöpferischer Phantasie eingedrungen sind und mit blitzblank geschliffenen Sätzen hineinleuchten; meistens unsichere, oder durch äußere Umstände unsicher gewordene Naturen, wie unser deutscher Lichtenberg, die in ihrem Abbild der Welt einen inneren Halt gegen die wirkliche Welt suchen. Aber woher auch immer im einzelnen Fall die Gabe zu solchen Durchleuchtungen des Gesellschaftskörpers stammen mag, im Endergebnis kommt es darauf an, ob die Einblicke, die sie erschließen, brauchbar sind. Und Rathenau hat mit Recht auf diese Gabe unter allen seinen Gaben den größten Wert gelegt. Man könnte aus seinen Werken eine Auswahl von knappen, farbigen Bildern zusammenstellen, die eine Gesamtansicht, ein in sich zusammenhängendes und vor dem inneren Auge überzeugend funktionierendes Modell der ganzen heutigen Welt bieten würden, angefangen von den kleinsten, verborgensten Räderchen im Innern der Einzelseele, und von Rad zu Rad ineinandergreifend bis zu den großen Schwungrädern, Transmissionen, Kraftleitungen des sozialen, geschäftlichen, politischen, wirtschaftlichen, religiösen, nationalen und internationalen Lebens. Zweifellos lebte vor Rathenaus innerem Blick ein solches Modell, das er jeden Augenblick in Gang setzen konnte. In den langen Bitterfelder Jahren hat er es Stück für Stück für seinen Privatgebrauch aufgebaut. Vergraben in dem kleinen, trostlosen Fabrikdorf, wo er um seine materielle Unabhängigkeit kämpfte, suchte er nicht Zerstreuung, sondern Sammlung und inneren Halt, indem er die große geheimnisvolle Welt jenseits seiner Fabrikschornsteine für sein inneres Auge anschaulich und für seine Phantasie begehbar machte. Seine Studien waren Forschungsreisen in ihre verschiedenen Gebiete, um alles als Bild heimzubringen und jede Bewegung als Funktion zu begreifen. Soziologie, Nationalökonomie, Geschichte, Philosophie und Literatur wurden ebenso wie Bilanzen, Geschäftsreisen und Verhandlungen mit Geldgebern oder Konkurrenten dem Zwecke dienstbar gemacht: dem Aufbau und der Formulierung einer – in diesem Falle mit Recht so zu benennenden – Welt- Anschauung.

       Zunächst Anschauung, klare Vorstellung seiner engsten Umgebung: des Judentums und der Geschäftswelt. Zwei Aufsätze, die er Harden für die Zukunft gab: „Höre Israel!“ und „Physiologie der Geschäfte“ formten beide Vorstellungen so fest und so, für ihn wenigstens, endgültig, dass seine Einfühlung in die übrige Welt von diesem festen Boden nur folgerichtig in die Weite vorzudringen brauchte.

       „Von vornherein will ich bekennen, dass ich Jude bin“, so lautet der erste Satz, mit dem er in „Höre Israel“ am 6. März 1897 in der „Zukunft“ an die Öffentlichkeit trat Zwei kleine Aufsätze, die er 1895 in der „Zukunft“ über „Elektrochemische Werke“ und über „Industriepapiere“ veröffentlichte, können, da es sich um rein technische Betrachtungen handelte, außer Betracht bleiben. Bitter klingt dieser Satz und schicksalsschwer wie das Eingangsmotiv einer tragischen Symphonie; denn Rathenaus Judentum war sein Untergang. Dann ringt er, in einem Stile, in dem die Selbstzerfleischung nachzittert, nach einem anschaulichen Bild des Judentums. Wer es sehen will, „mag an Berliner Sonntagen mittags um 12 Uhr durch die Tiergartenstraße gehen oder abends in den Vorraum eines Theaters blicken: seltsame Vision! Inmitten deutschen Lebens ein abgesondert fremdartiger Menschenstamm. Glänzend und selbstgefällig staffiert, von heißblütig beweglichem Gebaren. Auf märkischem Sand eine asiatische Horde ... In engem Zusammenhang unter sich, in strenger Abgeschlossenheit nach außen; so leben sie in einem halbfreiwilligen, unsichtbaren Ghetto, kein lebendes Glied des Volkes, sondern ein fremder Organismus in seinem Leibe ...“ „Doch ich weiß“, ruft er dann seinen Glaubensgenossen zu: „Es sind einzelne unter euch, die es schmerzt und beschämt, Fremde und Halbbürger im Lande zu sein, und die sich aus der Ghettoschwüle in deutsche Waldes- und Höhenluft sehnen. Zu ihnen allein spreche ich.“


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