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Das Verschwundene Tal. Dietmar PreußЧитать онлайн книгу.

Das Verschwundene Tal - Dietmar Preuß


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ihm weniger leicht ums Herz gewesen.

      Dann erhob er sich leise wie eine Katze, kleidete sich an, steckte den Kopf aus dem Wagen und sah sich um. Die anderen Händler hatten nichts bemerkt oder wollten nichts sehen. Kaum ein Käufer war in der Mittagshitze noch unterwegs. Drei von den Gestalten mit den Natterzähnen, die immer noch in der Nähe herumlungerten, fielen Wulfiard auf. Die Gruppe hatte sich geteilt: Fünf von ihnen sah er die Gasse hinunter Richtung Stadttor schlendern, die drei mit den wertvolleren Dolchen, die dageblieben waren, schauten die Passanten mit hochmütigen Gesichtern an und schienen auf etwas zu warten. Wulfiard stieg aus dem Wagen, während er sein Hemd zuknöpfte und die Weste überwarf. Nichts wie weg, bevor der fette Ehemann kommt, dachte er und schlug den Weg zum Stadttor ein.

      Wieder eine Stadt, die er hinter sich ließ, mit Eindrücken, die er irgendwann in einer Geschichte verarbeiten würde. Wohin es nun ging? Das würde er an der nächsten Wegkreuzung entscheiden. Es war ihm nicht wichtig, wo er am nächsten Tag seine Kunst an den Mann oder die Frau brachte.

      ***

      Der Haimamud aus Runland war schon seit einer halben Stunde fort, und der dicke Händler ibn Golg hatte gerade den Wagen mit vor Wut verzerrtem Gesicht verlassen, als Bewegung in die Männer mit den Natterzähnen kam. Sie verließen den Schatten und gingen zu Medemes Wagen hinüber. Der Kupferschmied und die wenigen Markthändler, die noch in der Nähe waren, sahen weg. Ihren Gesichtern war anzusehen, dass sie sich dafür schämten, aber es war manchmal besser, nicht zu wissen, was vor sich ging.

      Zwei der Ssadesti kletterten die Stiege zur Ladefläche des Wagens hoch, einer zog dabei eine kleine Tonkruke aus seiner Schärpe. Der dritte Mann, der eine häßliche Narbe auf der Stirn trug, stellte sich mit dem Rücken zum Wagen auf und beobachtete, ob sich jemand für das interessierte, was hier vor sich ging. Ein niederer Geweihter des jungen Tengris in weißer Dschellabah, der dem Amuletthändler ein vergoldetes Abbild der Sonne abgekauft hatte, sah herüber. Als der Narbengesichtige die Klinge im Sonnenlicht blitzen ließ, sah er weg und ging seines Weges. Der Natterzahn verschwand wieder in der Schärpe des Ssadesti.

      Aus dem Innern des Wagens war ein kurzer Aufschrei zu hören, der in dumpfes Stöhnen überging. Ein ersticktes Gurgeln folgte, kurz darauf herrschte Ruhe. Die Wagenplane wurde von einem der Männer beiseite geschlagen. Mit unsicheren Schritten kletterte Medeme herunter, wurde in Empfang genommen und unter den Armen gestützt. Eilig ausschreitend führten die Ssadesti die willenlose Frau mit den glasigen Augen vom Bazar. Eine Stadtwache, die in den Gassen patrouillierte, wechselte bei ihrem Anblick die Richtung und kehrte den Ssadesti und ihrer Beute den Rücken zu.

      ***

      Wulfiard hatte das Stadttor erreicht und wurde von zwei Torwachen in schwarzledernen Brustpanzern aufgehalten. Der eine Mann war untersetzt und hatte ein glänzendrotes Furunkel auf der Nase, der andere war dürr und pockennarbig. Sie rückten ihre Schwertgehänge zurecht, musterten ihn von oben bis unten und stellten ihre Fragen.

      „Was hast du in der Stadt getan?“

      „Geschichten und Gedichte verkauft.“

      „Wo willst du hin?“

      „In die nächste Stadt.“

      „Was willst du dort?“

      „Geschichten und Gedichte verkaufen.“

      „Und was noch?“

      „Dumme Fragen der Stadtwache beantworten.“

      Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die Männder begriffen, was er da gesagt hatte. „Ein bisschen mehr Respekt vor der Obrigkeit täte einem Fremden wohl gut“, sagte der Pockennarbige und umfasste den Griff seines Krummschwertes.

      Die beiden Batoris waren einen Kopf kleiner als Wulfiard, und er überlegte, ob er sie einfach zur Seite stoßen sollte. Warum musste er auch immer sein Maul so weit aufreißen? Schließlich wollte er doch die Stadt schleunigst verlassen, denn jeden Moment konnte der dicke Aguilar zurückkehren. Vielleicht hatte er ja doch genug Mumm, ihm zu folgen, um sich für die Schmach zu rächen. „Natürlich meine ich nicht die tapfere Stadtwache von Fayum“, sagte er, „sondern die Tölpel aus Shuyuk.“

      Wulfiard hatte in den vergangenen Tagen den Gesprächen in den Wirtshäusern gelauscht und wusste, dass die Büttel der beiden kleinen Städte in einer Art Wettstreit miteinander lagen. Es ging darum, welche Stadtwache härter durchgriff und wer die meisten Halunken in die Erzminen im Tengriswall schickte. Die beiden Wachen grinsten, als er die Shuyuki schmähte. „Aber ihr seid viel tüchtiger und wisst sicher, was es mit den Männern auf sich hat, die ihre Dolche wie Abzeichen tragen?“

      Die Männer stießen ihre Scimitare zurück in die Scheiden, der mit dem Furunkel fühlte sich genügend geschmeichelt, um zu antworten. „Natürlich sind wir genauestens im Bilde. Diese Männer sind Anhänger von Ssadec Tabar. Ihr Lager ist angeblich in der Nähe von Shuyuk, und manch Armer oder Elender geht dorthin, denn dieser Räuberfürst verteilt gestohlenes Brot und Münzen an sie. Sollte uns einer dieser Ssadesti auffallen, bekommt er Ärger!“

      Eher verkriecht ihr euch in ein tiefes Loch, dachte Wulfiard. Diese Ssadesti haben nicht ausgesehen, als seien sie von zwei Stadtwachen zu beeindrucken. Er hätte gerne mehr über diesen Räuberfürsten erfahren, vor allem über dessen Freigebigkeit, aber da tauchte der dicke Markthändler am Ende der Straße auf. Nicht weit hinter ihm folgten fünf Ssadesti, angeführt von dem großen Norländer, der schwarze Hosen und ein schwarzes Wams trug, auf dem silberne Mjöllnir um so mehr glänzte.

      Ob der Pfeffersack sie wohl gedungen hat, um mir Ärger zu machen?, fragte sich Wulfiard. Die beiden Torwachen hatten Aguilar noch nicht bemerkt. „Habt Dank für diese Auskunft, aber nun muss ich mich auf den Weg machen. Tengris zum Gruße!“

      Auf diesen frommen Wunsch hin gaben Furunkel und Pockennarbe den Weg frei, und Wulfiard marschierte durch das überbaute Stadttor auf das nicht weit entfernte Wegkreuz zu. Vor sich hatte er nichts als Staub und Felsen, der in der Sonne glühte. Hinter sich hörte er das Keuchen des Kaufmannes, der mit hoch erhobener Nagelkeule herbeieilte.

      „Haltet … ihn, er … hat … gestohlen und hat …!“ Er schnaufte wie ein alter Eber, der zum letzten Mal auf seine Säue steigt. Schwer atmend starrte er die Wachen an. „Warum … habt … ihr den Mann nicht … aufgehalten?“, hörte Wulfiard ihn zetern.

      „Es liegt nichts gegen ihn vor, warum sollten wir ihn nicht aus der Stadt heraus lassen?“

      „Weil er mein Weib …“ Aguilar unterbrach sich. Warum sollte er zugeben, dass er zum Hahnrei gemacht worden war? „… und mich betrogen hat.“

      „Naja, jetzt ist es zu spät für uns einzuschreiten.“ Wulfiard erkannte die Stimme von Furunkel. „Außerhalb der Stadt sind die Soldaten des Khans von Chasar zuständig.“

      Wulfiard war im Schatten einer halb verfallenen Scheune stehen geblieben, um dem Disput zuzuhören.

      Die Wut in Aguilars dickem Bauch war noch nicht gewichen. „Hört auf zu grinsen, ihr Söhne von Eseln und Kamelen!“, brüllte er.

      Mit einem Grinsen in den Mundwinkeln wandte sich Wulfiard endgültig ab. „Tja, wohin diesmal?“, fragte er sich halblaut. Im Osten war ich schon, nach Süden will ich noch nicht, im Westen sind die Berge, bleibt der Norden, den ich vielleicht zu schnell durchquert habe. Da liegt auch Shuyuk mit dem Lager dieses Räuberkönigs. Vielleicht hat er Brot und Münzen auch für Gedichte und Geschichten übrig. Als Wulfiard das Wegekreuz erreichte, kümmerte ihn der dicke Händler ihn schon nicht mehr - aus den Augen aus dem Sinn! Das karge Land hatte sich mit Wärme vollgesogen und gab sie nun wieder ab. In der Hitze zu wandern, war überhaupt nicht nach Wulfiards Geschmack, und da sein Bauch voll und seine Lenden angenehm leer waren, wollte er sich einen Platz für ein Schläfchen suchen. Da kam ihm der halb verfallene Schober am Wegekreuz gerade recht. Der war zwar verschlossen, aber auf der Westseite hatte das Dach einen großen Überhang und bot ausreichend Schatten. Auf dem Boden lag zudem reichlich Stroh, das ein besseres Lager abgab, als Wulfiard es in den meisten Nächten seit seinem Fortgang von seiner Sippe gehabt hatte. Er wollte gerade seine Hirtentasche


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