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Das Verschwundene Tal. Dietmar PreußЧитать онлайн книгу.

Das Verschwundene Tal - Dietmar Preuß


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dachte Wulfiard, das war es wohl mit meinem Mittagsschlaf. Wie er es einst gelernt hatte, wandte er dem fetten Mann die linke Schulter zu, verlagerte das Gewicht auf sein rechtes Bein und machte sich bereit, den Angriff abzuwehren.

      „Du hellhäutiges Schwein hast meine Frau gevögelt und mich entehrt!“, keuchte der Händler. Er hob die Nagelkeule über den Kopf und wollte gerade seine ganze Kraft in den Schlag legen, als Wulfiard einen schnellen Schritt auf ihn zu machte, nach oben griff, sein Handgelenk packte und seinen Arm blockiert.

      Tatsächlich war Wulfiard nicht so übermächtig wie viele Männer aus dem Norden, was ein Grund war, dass er seiner Heimat seit so vielen Mondläufen fernblieb. Aber dem verweichlichten, fetten Händler das Handgelenk umzuknicken, war keine Mühe für ihn. Als die Keule auf den Boden fiel, trat Wulfiard sie weg und zog seinen Dolch. „Mach dich nicht unglücklich, Pfeffersack! Ich bin vermutlich nicht der erste, mit dem dein wollüstiges Weib dich betrügt, und ich werde ganz sicher nicht der erste sein, den du dafür erschlägst.“

      Aguilar konnte kaum glauben, mit welcher Leichtigkeit der harmlose Haimamud ihn entwaffnet hatte. Und jetzt hielt der einen gefährlich langen Dolch an seinen Bauch. Er riss die Augen auf und presste die Lippen zusammen.

      „Aber ich will dir ein Angebot machen, damit du dein Gesicht wahren kannst“, fuhr Wulfiard fort. „Ich werde jetzt die Beine in die Hand nehmen und weglaufen, sodass die Stadtwachen es sehen. Dann kannst du ihnen berichten, du habest mich verprügelt und zum Gehörnten gejagt.“

      Aguilar glotzte immer noch, denn er verstand gar nichts.

      „Ich kann dir mit dem Dolch auch deinen fetten Wanst verzieren, so dass deine Frau für den Rest deines Lebens über dich lachen wird. Also?“

      Endlich begriff der Händler und nickte, murmelte sogar einen Dank und ließ die Schultern hängen. Er machte nicht einmal Anstalten, sich nach seiner Waffe zu bücken.

      Wulfiard lief los, wandte sich am Wegekreuz nach Norden und wirbelte dabei den Straßenstaub auf. Die Stadtwache sollte schließlich denken, er habe es eilig, denn der dicke Händler tat ihm inzwischen leid. Mit dem Schauspiel würde er die Ehre des Händlers, dessen hitziges Weib er verführt hatte, wenigstens zum Teil wieder herstellen. Dieser Hang zum Mitgefühl war ein weiteres Mosaiksteinchen seiner eigenen Geschichte.

      Er schaute nicht zurück und sah daher auch nicht, dass die fünf finsteren Ssadesti um die Ecke des Heuschobers bogen. Sie versperrten Aguilar, der - unsichtbar für die Torwachen von Fayum - mit dem Rücken zur Holzwand stand, den Weg. Auf ein stummes Zeichen des Anführers zogen sie ihre Natterzähne und stachen alle gleichzeitig auf den Händler ein. Gleich der erste Stich traf seine Kehle, sodass er nur noch ein Gurgeln von sich geben konnte. Schließlich sank er blutüberströmt zu Boden.

      Kapitel 3

      Moamin Doriah, Hauptmann der Garde von Chasar, gab dem Kundschafter, der ihm soeben Bericht erstattet hatte, eine Handvoll Maruch. Der Batorianer stammelte Worte des Dankes, als er die Silbermünzen entgegennahm, und sich bis zum Boden verbeugte. Dabei vermied er es, den Hauptmann der Garde von Halef ibn Shahim anzusehen. Der kleingewachsene, dunkelhaarige Spion war zwar abgebrüht genug, abtrünnige Dörfer oder feindselige Nomadenstämme auszuspionieren. Aber das Gesicht Moamin Doriahs flößte ihm Angst ein. Das Messer eines Sumpfzwergs hatte Doriahs rechte Gesichtshälfte zerstört, die Augenhöhle war nurmehr ein leerer Krater. Dennoch hatte Doriah die Raserei des Zwergs aus dem Taufi überlebt und ihn zum Gehörnten geschickt. Die linke Wange des Hauptmanns zeigte die Spuren eines Jagdunfalls, der sich gleich beim ersten Ausritt nach seiner Genesung zugetragen hatte. Ein Wildschwein, das er im Jagdrevier des Khans von Chasar gestellt hatte, hatte ihn von den Beinen geholt. Bevor Doriah wieder auf den Füßen stand, hatte der Keiler mit seinen Hauern durch das gerade verheilte Gesicht gepflügt. Tengris sei Dank war das verbleibende Auge unverletzt geblieben, und so hatte Doriah trotz der zerfetzten Wange aufstehen und den Keiler mit einem wuchtigen Stoß des Jagdspeers auf den Waldboden nageln können. Erst dann hatte er sich erlaubt, das Bewusstsein zu verlieren.

      „Steh auf, der Lohn war dir versprochen, du hast ein Recht darauf. An mir ist es, Dank zu erstatten, denn du hast für den Khan und die Ordnung, die der Ilkhan uns gegeben hat, dein Leben gewagt“, sagte er.

      „Nicht nur mein Leben. Hätten die Nomaden mich entdeckt, wäre mir ein langsamer und qualvoller Tod sicher gewesen“, stimmte der Kundschafter zu.

      Und bestimmt hast du das nicht für den Khan oder den Sultan getan, sondern für den ausgelobten Beutel Maruch, fügte Hauptmann Doriah in Gedanken hinzu. Dennoch - er legte Wert darauf, dass die Ehrlichen in seinen Diensten sicher sein konnten, auf den Rachni genau den zugesagten Lohn zu erhalten. Die Ordnung, die auf die Jahrzehnte der Unruhe nach dem Tod Cid Cadafs gefolgt war, galt Moamin Doriah als hohes Gut. „Und jetzt ab mit dir ins nächste Hurenhaus, du Bock. Wenn ich deine Dienste benötige, werde ich dich zu finden wissen“, sagte der Hauptmann und klang dabei freundlicher als seine Worte es waren.

      Als er endlich allein war, dachte Moamin Doriah über die Ordnung nach, die in seinen Augen, oder besser in dem einen Auge, in Gefahr war. Wenn die Berichte der Spione stimmten, und das taten sie, denn er setzte die Männer und Frauen so ein, dass ihre Aussagen sich gegenseitig bestätigten, dann wuchs in Bual-Bator eine nicht zu unterschätzende Gefahr heran. Im Grunde seines Herzens widerstrebte ihm diese Heimlichtuerei. Er war Soldat und trat einem Gegner lieber auf offenem Feld entgegen. Aber der Khan hatte ihm befohlen, auch auf diese stille Art und Weise zu kämpfen. Und weil er damit dem Frieden und der Ordnung diente, bemühte er sich nach besten Kräften.

      Bual-Bator hatte schon weniger fähige Khane gehabt als Halef ibn Shahim, dessen erster Berater er war. Und der musste immer dann seinen Widerspruch hinnehmen, wenn er gegen die neu geschaffene Ordnung verstoßen wollte. Doriah wusste, wie er in Chasar genannt wurde: der graue Khan. Er erhob sich und trat an das Fenster seines kargen Zimmers. Als Gardehauptmann standen ihm zwar Räume im Palast zu, er wollte sich aber nicht von Prunk und Intrigen ablenken lassen. Ihm genügte dieser Raum in der Garnison, der regelmäßig gekälkt und immer reinlich ausgefegt wurde aber kaum besser ausgestattet war als die Räume seiner Soldaten: Ein großer Tisch, ein paar harte Stühle, ein schmales Bett und ein Gestell mit Wasserkrug und Schüssel, um den Körper rein zu halten. Nur die wertvollen Landkarten und Pläne an den Wänden und auf der Tischplatte, alles kunstvolle Handarbeiten, unterschieden es von den Räumen der gemeinen Gardisten.

      Doriah blickte durch die Glasscheibe auf den Exerzierplatz, hinter dem die zahllosen Mauern, Arkaden und Zwiebeltürme des neuen Palastes emporwuchsen. Der weiße Marmorbau war mit roten und silbernen Wimpeln geschmückt. Die Fahne mit dem Wappen des Herrscherhauses wehte träge auf der höchsten Kuppel und zeigte an, dass der Khan im Palast weilte.

      Die Gedanken des Gardehauptmanns galten aber den Vorkommnissen nördlich der Hauptstadt: Zwei weitere Dorfmurdirs waren in der letzten Woche auf offener Straße niedergestochen worden. Kaufleute wurden erpresst, ihre Karawanen geplündert, bis sie Schutzzahlungen an Ssadec Tabar leisteten. Wieviel Gold und Macht hat dieser Räuberfürst schon angehäuft? Ich brauche einen Mann, der bereit ist, sich in das Lager dieser Ssadesti hinein zu schleichen und mir Informationen zu beschaffen! Moamin Doriah wusste von solch einem Mann, aber es war fraglich ob er ihn für sich gewinnen konnte, denn dieser Mann hatte schon jetzt nichts mehr zu verlieren. Also musste er ihm etwas geben, für das es sich lohnte weiterzuleben. Entschlossen machte er sich auf den Weg in den Palast des Khans.

      Als er das prachtvolle Gebäude mit den goldenen Dächern und arabeskengefüllten Fensterreihen erreichte, nahmen die Torwachen Haltung an. Er musterte ihre Uniformen und Waffen und fand alles sauber. Die Klingen der Hellebarden glänzten, der Schliff war makellos. „Sehr gut, Nazir, Tulachimen!“, sagte er, nickte ihnen zu und durchquerte den ersten einer schier endlosen Folge von ineinander verschachtelten Innenhöfen. In den äußeren Höfen taten Handwerker, Schlächter und Soldaten ihre Arbeit, es folgten die Höfe der Kunstschmiede und Seidenweber und zum Zentrum hin die der Maler, Sänger und Dichter. Gleichzeitig vermehrte sich die Zahl und die Schönheit der Damen, die sich kaum verschleiert im Schatten der Arkaden amüsierten.

      Im


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