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In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

In Mexiko Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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„Man scheint uns noch gar nicht erwartet zu haben."

      „Es scheint allerdings so," lächelte Maximilian. „Die Bewohner von Vera-Cruz sind wahrscheinlich nicht mit ihren Empfangsfeierlichkeiten fertig geworden, oder es ist auch vielleicht einmal wieder eine Revolution da drüben ausgebrochen - aber dann hätte man uns doch wenigstens mit etwas - und wenn es Kanonenkugeln gewesen wären, begrüßt."

      Es wurde kein Wort weiter gesprochen, denn Alles war auf die Neuigkeiten gespannt, die das französische Boot unfehlbar bringen mußte! - Neuigkeiten? - es waren Lebensfragen, die dabei auf dem Spiele standen, denn die unheimliche Ruhe am Ufer konnte auch allerdings einen andern Grund, als nur bloße Gleichgültigkeit oder Vergeßlichkeit haben.

      Das französische Admiralitätsboot kam indeß langseit, und der Contreadmiral Bosse sprang mit seinem Adjutanten die ausgelegte Treppe herauf. Das Erste aber, was der Kaiser von ihm hörte, war ein zorniger Ausbruch des Herrn gegen den Lootsen gerichtet, daß er die Fregatte hier geankert, und sie nicht zu der Sacrificio-Jnsel und zwischen die französische Flotte geführt habe.

      Der Lootse entschuldigte sich durch ein Achselzucken, und der Admiral, kaum einen Gruß für das mexikanische Kaiserpaar für nöthig haltend, rief, sobald er nur das Quarterdeck betrat, in einem nichts weniger als höflichen Tone ms:

      „Aber, Majestät, Sie haben Ihr Fahrzeug hier an der /23/ gefährlichsten Stelle ankern lassen, die es im ganzen Hafen giebt. Das gelbe Fieber herrscht in Vera-Cruz; die ganze Luft ist verpestet und streicht von dort gerade hier herüber. Sie konnten sich doch denken, daß die französische Flotte den besten und sichersten Platz auswählen würde, wohin Ihnen auch die „Themis" vorangegangen."

      „Sonst folgt die Themis gewöhnlich erst," sagte der Kaiser trocken, die Ungezogenheit des Admirals vollständig ignorirend, „aber das Unglück ist einmal geschehen, und wir gedenken uns auch überhaupt nicht lange hier aufzuhalten. Sind alle Vorbereitungen zu unserer augenblicklichen Abreise nach der Hauptstadt getroffen?"

      „So viel ich weiß, ist gar nichts geschehen," erwiderte der Franzose, der fest entschlossen schien, ungezogen zu bleiben, und sich darin nicht einmal durch die Gegenwart der Kaiserin stören ließ. „Mit dem Land selber habe ich allerdings, und Gott sei Dank, gar nichts zu thun, aber wir hatten hier keine Ahnung, daß Sie so bald eintreffen würden, und so viel ich weiß, ist Bazaine noch nicht einmal damit fertig geworden, nur die Landstraße von dem Juaristischen Raubgesindel zu säubern, dem Sie möglicher Weise sogar unterwegs begegnen können."

      „Die Aussichten sind sehr freundlich," erwiderte der Kaiser, „und Sie haben eine vortreffliche Darstellungsgabe, Admiral."

      „Ich übertreibe nicht, Majestät," rief der Seemann. „Hier unten geht sogar das Gerücht, daß sich in der tierra templada6 Banden gebildet hätten, um Sie mit Ihrer ganzen Escorte aufzuheben. Juarez wär's im Stande."

      „Und was sagt Bazaine zu einem solchen Stand der Dinge?"

      „Was kann er sagen?" zuckte der Admiral mit den Achseln; „er läßt die Wege wohl dann und wann von dem Gesindel rein fegen, das ist aber gerade, als ob man Wasser vom Deck kehren will, ohne Dalois zu haben, durch die es hinaus kann. Hinter ihm laufen sie wieder zusammen, und er wird nicht /24/ fertig. Bleiben Sie aber lange hier liegen, so kommen Sie gar nicht in die Gefahr. Vor vierzehn Tagen ankerte hier ein Schiff, auf dem in kaum achtundvierzig Stunden die ganze Mannschaft mit sämmtlichen Passagieren wegstarb, und Fälle, wo drei oder vier Personen an einem Tage, ja oft in einer Stunde wie die Fliegen umfallen, können Sie hier überall erfragen."

      „Wir danken Ihnen für die Auskunft, Admiral," sagte der Kaiser ruhig und wieder mit einem leisen Spott um die Lippen, indem er sich zu seiner Gemahlin wandte und ihr den Arm bot. „Wir werden aber trotzdem hier die Ankunft der Behörden erwarten müssen, und dann erst unsere weiteren Beschlüsse fassen."

      Damit ließ er den Contreadmiral stehen und stieg mit der Kaiserin in die Kajüte hinab. -

      Jetzt schienen sich aber doch auch die Bewohner von Vera-Cruz ermannt zu haben und vielleicht zu fühlen, daß man eine Unschicklichkeit dem Kaiser gegenüber begehe. Die beiden Minister Salas und Almonte waren ebenfalls herbeigeschafft; ihnen schlossen sich die Spitzen der Behörden von Vera-Cruz an, um die Majestäten zu begrüßen. Die Schiffe im Hafen flaggten, ebenso die ganze französische Flotte, und als der Abend einbrach, donnerten - freilich etwas spät - die Salutschüsse vom Fort Ulloa. Die Kuppeln des gegenüberliegenden Vera-Cruz glühten in bengalischem Feuer, und aus der Stadt wie von den Kriegsschiffen aus stiegen zischend und strahlenwerfend die Raketen hoch in die Luft hinauf.

      Das Kaiserreich hatte begonnen. Der Monarch war mit dem Land, wenn er auch noch keinen Fuß darauf gesetzt, in Verbindung getreten, und was auch jetzt geschah, ein Rücktritt war nicht mehr möglich.

      Am nächsten Morgen, nach einer ziemlich unruhig verlebten Nacht, und nachdem erst Messe an Bord gelesen und ein flüchtiges Frühstück eingenommen worden, bestiegen die Majestäten mit ihrer Begleitung die Boote und ruderten jetzt dem festen Land entgegen - aber es blieb das dort trotzdem ein kalter, fast unheimlicher Empfang. Allerdings hatte man /25/ in der Eile einige Triumphbögen errichtet, Böller wurden gelöst und aus einzelnen Fenstern auch Tücher geschwenkt und Blumen geworfen; doch war es augenscheinlich, daß die Bewohner der Hafenstadt noch selber gar nicht wußten, wie sie sich eigentlich zu benehmen halten, oder was sie thun oder lassen sollten.

      Gerade s i e hier, mit der Welt in steter Verbindung, und genau davon unterrichtet, was diese über den Zug des Erzherzogs dachte und welches Schicksal sie ihm prophezeite, wurden durch das Plötzliche seines Erscheinens nicht allein überrascht, sondern auch wirklich in Verlegenheit gebracht. Sie kannten den neuen Kaiser ja noch gar nicht, ob er es wirklich gut mit dem Lande meine, oder ob ihn nur die Lust zu Abenteuern hier in das ferne Reich getrieben: ein Versuch, eine Krone zu gewinnen, der er, wenn sich Alles ungünstig gestaltete, auch eben so leicht wieder entsagen konnte. Sie aber blieben dann mit ihrem Vermögen und Eigenthum festgebannt im Reich, und wenn die Regierung bald einmal wieder wechselte und sie sich jetzt zu großartigen Demonstrationen verleiten ließen, so durften sie sich auch darauf verlassen, daß sie später dafür büßen mußten. Und außerdem - war nicht Oesterreich selber ein streng ultramontaner Staat, mit einem damals noch durch nichts gebrochenen Concordat, das der Regierung, einer übermüthigen Hierarchie gegenüber, Hände und Füße zusammengeschnürt hielt? Und was wußte man mehr von dem Bruder des österreichischen Kaisers, als daß er ein intelligenter und braver, ja, wie das Gerücht ging, auch ziemlich freisinniger Mann sei - aber blieb er das auch, sobald er eine Krone trug? - Wie oft haben wir in Europa schon die Erfahrung gemacht, daß man - mit der Regierung eines Fürsten nicht zufrieden - die größten Hoffnungen auf den Kronprinzen oder Erbfolger setzte, bis dieser dann die Regierung an- und nach einer kleinen Weile genau in die Fußstapfcn seines Vorgängers eintrat.

      Hätten sie gewußt, welches warme, treue Herz Maximilian dem Lande entgegenbrachte, - auf ihren Händen würden sie ihn in die Stadt getragen haben.

      Außerdem konnte aber der neue Kaiser auch zu keiner un-/26/günstigeren Zeit in Vera-Cruz eintreffen, als gerade jetzt, wo das gelbe Fieber wirklich mit außergewöhnlicher Schärfe sein Reich begonnen. Wer überhaupt die Stadt verlassen konnte, entzog sich dem grimmen Feind durch die Flucht, und das eigentliche Volk, das zurückgeblieben? Lieber Gott, das war, wie schon gesagt, daran gewöhnt, seine Herrscher zu wechseln. Es sah in dem Erscheinen eines neuen nicht das geringste Außergewöhnliche und mochte sich am allerwenigsten dafür begeistern. Wer wußte denn überhaupt, wie lange er blieb, und das Resultat durften sie deshalb ruhig abwarten.

      Der Empfang war trotzdem im Ganzen nicht unfreundlich, und man hätte ihn unter anderen Umständen sogar einen herzlichen nennen können, aber er wirkte dennoch erkältend auf das Herrscherpaar. Wie Maximilian sich nach dem Lande gesehnt, von dem er glaubte, daß es ihn fast einstimmig zum Kaiser ausgerufen, so schien er auch gehofft zu haben, daß er von dem mexikanischen Volke empfangen würde, und darin fand er sich denn allerdings getäuscht. Es war sein erstes Betreten des neuen Reiches: die Schwelle, auf der er stand, um seine künftige Heimath zu überschauen; und wenn auch die Begrüßung von Einzelnen stattfand, in seinem Herzen mochte er mehr erwartet haben.

      Mit


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