In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
wieder seit der spanischen Zeit gesehen. Die ganze /31/ haute volée war nämlich heute ausgezogen, um das Herrscherpaar noch vor der Stadt zu begrüßen, jede Equipage außerdem in Anspruch genommen und mit dem Schönsten gefüllt, was die daran so reiche Stadt an schönen Frauen bietet. In aller Pracht mexikanischer Reitercostüme, Sattel und Zaum wie die Reiter selber mit schweren Silber- und Goldstickereien bedeckt, drängte sich dabei Roß an Roß auf der breiten Straße, und wie das von edlen Metallen und Juwelen funkelte und blitzte, so funkelten und blitzten die Augen der schönen Frauen in Lust und gespannter Erwartung. Standen sie doch an der Schwelle einer neuen Aera, die sich ihre lebendige Phantasie schon mit bunten Bildern bevölkerte, und Glanz hineinflocht, Licht und Sonnenschein.
Die Equipagen von Mexiko lassen allerdings sehr viel zu wünschen übrig; wer aber sah heute auf die Geschirre, wo sie in ihrem Innern solche Pracht entfalteten - und nur die herrlichen Pferde wurden zur Schau geritten, denn gerade im Sattel zeigt sich der Mexikaner in seiner kleidsamen und etwas phantastischen Tracht zum größten Vortheil.
Nicht weit von Pennon, wo die Herrschaften erwartet wurden, neben einem verhältnißmäßig sehr eleganten Wagen, in welchem eine ältere, eine junge Dame und zwei allerliebste kleine Mädchen saßen, die zwischen sich wohl ein paar Dutzend Bouquets der herrlichsten Blumen liegen hatten, hielten mehrere Reiter in ihrer Galatracht. Sie trugen die großen breitrandigen, schwer gestickten Filzhütc, - die schon manchen deutschen Hutmacher in Mexiko zum reichen Mann gemacht - die mit zahlreichen silbernen Knöpfen und anderer Stickerei versehenen Cherivallas oder Reitgamaschen, große, schwere silberne Sporen und Zaumzeug und Sattel von Silber strotzend, während besonders an letzterem der Sattelknopf, wie ein kleiner, etwas schräg stehender Teller, von dem edlen Metall vollkommen überzogen wurde.
Unter ihnen hielten sich ein älterer und ein jüngerer Herr dicht zu beiden Seiten des Wagens. Der ältere Herr war der Gatte und Vater der weiblichen Insassen des Wagens, Seňor Don Bautista Romero, während der Jüngere, der kaum mehr als zweiundzwanzig Jahre zählen mochte, durch /32/ die zärtliche Ehrfurcht, mit welcher er Dona Ines, die Tochter des alten Herrn, behandelte und fast nur an ihren Augen hing, ziemlich deutlich verrieth, daß er ebenfalls gern ein Verwandter des Hauses gewesen wäre. Dona Ines behandelte ihn aber - so weit man es hier wenigstens beobachten konnte - ziemlich kalt; ihr Blick begegnete dem seinen nur äußerst selten, und dann selbst flüchtig und nur für einen Moment. Desto aufmerksamer musterte sie aber dafür die Toiletten der Damen, und wechselte dann und wann mit ihrer Mutter, ohne dem Galan weitere Aufmerksamkeit zu schenken, ein paar lächelnde Worte - und doch in dem Lächeln, welche scharfe Kritik über irgend einen auffallenden Schmuck oder sonstigen Gegenstand der Toilette!
Neben Seňor Römers hielt ein alter Freund desselben, Bastiani, ein ältlicher Herr mit eisgrauem Schnurrbart und ebensolchen Augenbrauen. Er war auch früher Soldat und natürlich General gewesen, hatte sich aber nach dem amerikanischen Krieg zurückgezogen und lebte jetzt großentheils auf seiner Hacienda, unfern von Cuernavaca.
Seňor Romero besaß ein sehr schönes und prachtvoll eingerichtetes Haus in der Hauptstadt selber, und Don Silvestre, der junge Herr, der nach Romero's Töchterlein schmachtete, war ein Nachbar desselben, der Sohn eines früheren Ministers, Almeja mit Namen, dessen Familie ebenfalls zu den angesehensten der Stadt zählte. Die Equipagen beider Familien fuhren auch zusammen aus Mexiko ab, wurden aber in dem ungeheuern Gedränge von Wagen und Reitern getrennt, und mußten deshalb an verschiedenen und von einander entfernten Stellen Position nehmen.
Und das Kaiserpaar kam noch immer nicht. Wie unruhig die Damen schon wurden, und wie besorgt sie ihre reichen Blumenvorräthe musterten, denn wenn sie erst in der heißen Sonne welkten, konnte man sie den „Herrschaften" doch nicht zuwerfen. Außerdem war es aber auch kein besonderes Vergnügen, dort in Hitze und Staub zu halten, wenn auch das Gedränge selber Abwechselung und Unterhaltung genug bot.
Die ganze Cavalcade hatte sich wieder langsam in Bewegung gesetzt, und zwar schon der Thiere wegen, die nicht /33/ gern so lange ruhig stehen wollten; aber nach kurzer Fahrt stockte der Zug wieder, und nur einige Reiter waren ab- und vorausgeschickt worden, um zu erkunden, ob man noch nichts von den Erwarteten entdecken könne.
Der alte Bastiani hielt wieder dicht neben Romero's Wagen, und den Gedanken, die ihm indessen wohl die ganze Zeit im Kopf herumgegangen, endlich Worte gebend, sagte er zu dem Schwager gewandt:
„Wundern soll's mich doch, welchen Umschwung die Dinge hier nehmen werden, wenn der neue Kaiser alles das hält, was er in seiner Proclamation verspricht - und er verspricht eben Alles."
„Und eben deshalb kann er's nicht halten," sagte Romero trocken. „Haben Sie den Theil gelesen, der von dem „religiösen Gefühl" handelt, Bastiani?"
„Gewiß - die übliche Redensart, die er schon einer gewissen Menschcnklasse wegen nicht weglassen durfte, wenn er sie nicht gleich von vornherein vor den Kopf stoßen wollte."
„Das ist mehr als das," sagte Romero, den Kopf schüttelnd, „und cs sollte mich sehr wundern, wenn er sich nicht den Klerikalen inniger als irgend einer der übrigen Parteien zuneigte - ist auch von einem österreichischen Prinzen gar nicht anders zu erwarten. Die „Schwarzen" verlangen aber eine Unmöglichkeit: „Herausgabe der confiscirten Kirchengüter", und folgte er ihnen darin, so stieße er nicht allein den ganzen Besitz des Landes um, sondern brächte sich in die schwierigste Lage mit fremden Ansässigen und fremden Regierungen. Die meisten der „liegenden Gründe", die früher der Geistlichkeit gehörten, sind ja doch nun einmal in fremden Händen und wieder und wiederverkauft, so daß es eine Heidenconfusion gäbe, wenn man die Sache auf einmal wollte ungeschehen machen."
„Sie haben ja selber das Kloster San Sebastian gekauft," lächelte Bastiani.
„Allerdings," nickte Romero, aber mit etwas unterdrückter Stimme, indem er einen, wie scheuen Blick nach dem Wagen und seiner Frau hinüberwarf, „es bot mir die größten Vortheile. Aerger mußte ich aber genug dafür hinunterschlucken." /34/
„Ihre Frau war nicht damit einverstanden?"
„Außer sich darüber, amigo. Die verwünschten Pfaffen haben ihr die Hölle heiß gemacht und bohren und drängen selbst jetzt noch in einem fort. Macht der Kaiser dann noch einen unüberlegten Streich und läßt sich von der Geistlichkeit beschwatzen, so ist der Teufel vollständig los, denn er hat dann alle Pfaffen und Weiber auf seiner Seite."
„In der letzten Zeit habe ich übrigens gar nichts davon gehört, daß eins der noch leer stehenden Klöster verkauft wäre, und doch traten die Franzosen dem nirgends in den Weg," sagte Bastiani.
„Nein, das in der That nicht," meinte Romero; „wer aber soll unter den jetzigen Umständen, wo man gar nicht weiß, ob ein solcher Handel noch rechtskräftig gemacht wird, sein gutes Geld in die Schanze schlagen? Erst müssen wir abwarten, wie sich Maximilian der Geistlichkeit gegenüber stellt. Ich bin übrigens froh, daß ich nicht den Wirrwarr durchzumachen habe, der den neuen Kaiser erwartet. Viel Ruhe wird er nicht bekommen."
Bastiani nickte leise vor sich hin mit dem Kopf. „Wenn er das Decret," sagte er, „das die Güter der „todten Hand" ihren jetzigen Besitzern läßt, nicht annullirt, so ist die schönste Revolution gleich wieder fertig, denn die Geistlichen geben in dem Fall keine Ruhe."
„Und wenn er es annullirt, so treibt er die Hälfte seiner Anhänger in's Lager der Liberalen," erwiderte Romero; „ich möchte wahrhaftig nicht an seiner Stelle sein."
„Und doch giebt es Manche, die es möchten," sagte Bastian:, „und - vielleicht auch noch nicht alle Hoffnung aufgegeben haben."
„Möglich schon," nickte Romero, „aber wen meinen Sie?"
„Es ist besser, keine Namen zu nennen," sagte der vorsichtige Mexikaner, „wir wollen's abwarten. Uebrigens möchte ich den einzelnen Menschen sehen, dem es unter den gegenwärtigen Umständen gelingen sollte, Ruhe in diesem Land zu halten und den Frieden herzustellen."
„Und was würde ihn daran verhindern?"
„Nur vier Unmöglichkeiten," sagte Bastiani. „Erstlich /35/ und vor allen anderen die Kirchenfrage, die allein schon genügt; dann unsere äußere Schuld; dann der