DER ELEGANTE MR. EVANS. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
eine russische Zeitung) und drei weitere Buchdrucker, deren Namen seltsamerweise auf »heim« endeten. Und so wurde Mr. Kirz ein reicher Mann, denn zusätzlich hatte er noch einen einträglichen Nebenerwerb:
Eines Morgens meldete sich der Müller bei Mr. Kirz in dessen hübscher und palastähnlicher Residenz, und da er kein Freund vieler Worte war, kam er auch sofort zur Sache.
»Mir Kirz, Sie haben doch des Öfteren Kontakt zu all diesen hinterlistigen Barbaren in London; wer macht eigentlich all dieses Falschgeld?«
Er benutzte den amerikanischen Ausdruck für »Falschmünzerei«, weil Mr. Kirz ursprünglich aus den Vereinigten Staaten kam.
»Falschmünzerei ist ganz schlecht.« Mr. Kirz schüttelte in ernster Besorgnis den Kopf. »Das ist eines der schrecklichsten Dinge, die ein Mensch tun kann. Es nagt an den Wurzeln des gegenseitigen kommerziellen Vertrauens«.
»Wir wollen hier nicht die hohe Finanzpolitik diskutieren«, beschwor der Müller. »Wo kommt das Ganze her? Sie sollten es eigentlich wissen; Sie fabrizieren mehr Fälschungen als jeder andere und haben jede Menge Dreck am Stecken. Der dänische Lotterieprospekt war Ihre letzte Unternehmung. Nun kommen Sie schon raus damit, Kirz! Wer ist der nette Herr, der überall Fünfer Noten mit der Nummer B/70 92533 verteilt?«
»Das weiß der liebe Gott«, sagte Mr. Kirz. »Ich hatte schon öfter den Gedanken, dass Educated Evans so was macht – er hat doch so einen ruhigen Platz in Bayham Mews, nicht? Er geht zum Rennplatz, wo man leicht Geld wechseln...«
»Educated Evans ist nicht der Typ für solche Dinge«, sagte der Müller ruhig; »es muss einer aus dem West End sein. Ist es Podulski?« Er nannte nacheinander verschiedene aus Mr. Kirz’ Bekanntenkreis und jedes Mal schüttelte sein stämmiger Gesprächspartner den Kopf.
»Wenn ich etwas weiß, sage ich Ihnen Bescheid«, meinte er. »Ich würde meine Hände nie mit solchen Schlechtigkeiten besudeln. Und was die Kopenhagen-Lotterie betrifft, damit habe ich nichts zu tun. Sie können mich tags oder auch nachts besuchen kommen. Es ist geradezu skandalös, wie man mich verleumdet.«
Der Müller hatte sich in dieser Gegend keinen großen Erfolg versprochen, obwohl er sicher war, dass Kirz ihm einen Hinweis hätte geben können, da er die gesamte, nicht englisch sprechende Unterwelt kannte.
Absolut diskret, wie er war, verriet der Müller nichts an Evans, dass dessen guter Name auch unter Verdacht gestanden hatte.
Der Müller war mit seinen Problemen nicht allein. Der stellvertretende Polizeichef, etliche Abteilungsleiter teilten sein Unglück mit ihm und die allgemeine Unruhe verbreitete sich auch bis in die Polizeireviere von Whitehall. Es waren noch nie bessere Fälschungen als dieser Schwung von Fünf-Pfund-Noten in Umlauf gekommen und lediglich der Umstand, dass sie alle dieselbe Nummer trugen, ermöglichte ihre Entdeckung.
Das Papier war perfekt, das Wasserzeichen mit seinen versteckten Abtönungen, alles war exakt kopiert worden. Die Blüten fühlten sich gut an, sahen gut aus und waren nicht nur auf dem Kontinent, sondern auch in London selbst verbreitet worden. Es gab keinen Buchmacher, der nicht pro Woche zwei oder drei von diesen Scheinen annahm. Sie wurden an den Banken gewechselt, auf Bahnhöfen, in Theatern, sogar an Postämtern, wo sich der Anbieter einer Fünf-Pfund-Note stets einem gewissen Verdacht ausgesetzt sah.
In solchen kritischen Augenblicken schickt der Innenminister nach dem Polizeichef und sagt: »Das ist eine ernste Angelegenheit«, und deutet an, dass die ganze Verantwortung nun beim Polizeichef liege. Und diese Persönlichkeit reicht den Schwarzen Peter weiter, bis er schließlich bei ziemlich unwichtigen Kriminalbeamten landet.
So kam er auch recht schnell zu Sergeant Challoner, denn die Blüten waren in Camden Town häufiger aufgetaucht als anderswo.
An jenem Abend war er auf der Suche nach dem »In der Welt führenden Turfratgeber und Propheten«.
Der Himmel im Westen war getaucht in Nilgrün und weichem Rosa und Educated Evans lehnte entspannt mit verschränkten Armen über einem steinernen Brückengeländer, das Kinn auf den Ellbogen gelegt, und genoss den herrlichen Sonnenuntergang. Die Themse oder auch das Albert Embankment zogen ihn an wie ein Magnet die Feilspäne.
Das unbestimmte Gefühl von Unbehaglichkeit, das die zarte Seele eines Genius durchaus zu stören imstande ist, wurde abgemildert bis hin zu einer träumerischen Sehnsucht, die dunklen Gedanken, die Männer mit Schöpfergeist befallen können, wurden von der heiteren Gelassenheit des Augenblicks in alle Winde zerstreut.
Tag für Tag, wenn die Geschäfte nicht so gut liefen oder das Glück all seinen Anstrengungen nur den Rücken zeigte und seine unerklärlichen Fehltipps sein Gemüt am allermeisten verletzt hatten, dann lenkte dieser gebildete Mann instinktiv seine Schritte hin zu dem Trost spendenden, stahlgrauen Fluss, wo er die braun-graue Silhouette Londons sehen konnte. Und hier stand er dann und träumte und beobachtete mit Augen, die nur den Trost sahen, nicht aber den ewig-ruhelosen Verkehr auf dem Fluss.
Wenn es seine beruflichen Verpflichtungen erlaubten, kapselte Sergeant Challoner sich von seinem eigentlichen Metier ab und erfreute sich an einem zweifachen Vergnügen. Denn hier konnte er seinen ästhetischen Sehnsüchten frönen und die Gesellschaft eines Mannes genießen, der auf Grund seiner Gelehrsamkeit und intimen Bekanntschaft mit Vollblütern von der Holloway Road bis hinüber zur Albany Street hohes Ansehen genoss. Es war manchmal von unschätzbarem Wert für ihn zu wissen, dass er Evans zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort finden konnte.
Educated Evans sah aus den Augenwinkeln die breitschultrige Gestalt näher kommen, rührte sich jedoch nicht.
»Verfasst du gerade ein Gedicht, Evans?«, sagte der Müller und lehnte sich neben ihn an das Geländer.
»Nein, Mr. Challoner; die Dichtkunst war nie mein Metier – glauben Sie an göttliche Fügung, wenn Sie den Ausdruck gestatten?«
Der Müller war überrascht.
»Ja, ich glaube an göttliche Fügung. Warum fragst du?«
»Schon drei Abende in Folge«, sagte Evans verträumt, »gibt es da einen Tipp am Himmel. Schauen Sie mal! Rosa und grüne Streifen – ‚Solly Joel’ hat zwei im Jubilee-Rennen, und die Frage ist jetzt, welcher? Letzten Monat, als ich an genau dieser Stelle hier stand, sah ich eine schwarze Wolke und eine weiße genau darüber. Und Lord Derby gewann den Liverpool Cup. Ein anderes Mal war es nur gelb und rosa und Lord Rosebery’s Pferd gewann in Warwick. Wenn das keine Winke des Schicksals sind...!«
Der Müller zeigte sich mehr als überrascht – er war sprachlos.
»Ich kann mir einfach nichts Unwahrscheinlicheres vorstellen«, protestierte er, »als dass die Vorsehung ausgerechnet den Sonnenuntergang zugunsten eurer schmutzigen Wettgeschäfte gestaltet.«
Evans schüttelte den Kopf.
»Das weiß man nie«, sagte er. »Es gibt noch viele ungeahnte Dinge in Ihrer Theosophy, wie schon Horatio Bottomley sagte – ich frage mich, wie es dem alten Knaben gehen mag?
Was für ein Kerl! Beschleicht Sie nicht ein feierliches Gefühl, Müller, wenn Sie den Flusslauf beobachten, auf seinem Weg zur See? Stets weiter fließend bis Russland und Arabien und andere fremde Orte, bis er den Golfstrom bildet, der für Sommer und Winter verantwortlich ist. Wie er die Schiffe trägt, die hierhin und dorthin fahren...«
»Hast du getrunken?«, fragte der Müller argwöhnisch.
»Ich könnte ein Glas Bier gar nicht mehr erkennen«, sagte Educated Evans, »es ist schon lange her, seit ich eines gesehen habe. Nein, ich befasse mich mit Hypothesen und Vermutungen. Wer gewann das 15.30 Uhr-Rennen, Mr. Challoner?«
»’Coleborn’«, erwiderte der Müller und Evans seufzte tief und erleichtert auf.
»Das ist schon das zweite Pferd, das ich diese Woche empfohlen habe«, sagte er beinahe fröhlich. »Ich habe einfach nicht gewagt, in die Zeitung zu sehen. Irgendein Preisgeld?«
»Fünf zu zwei«, sagte der Müller. »Ich habe drauf gesetzt.«
Auf Educated Evans’ Gesicht machte