DER ELEGANTE MR. EVANS. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
verderben! Als er mich sah, fiel er beinahe tot um. Schade, dass er’s nicht tat. Er hat das Pferd so weit und wird alle seine Kumpel beim Royal Hunt Cup verladen, so wahr ich Educated Evans und der Welt Erster Turfratgeber bin!«
»Du hättest dich besser von Steynebridge fern gehalten«, sagte der Müller besonnen. »Keiner dieser Trainer kann es leiden, wenn seine Pferde ausspioniert werden.«
»Und ich werde ihn weiter ausspionieren«, zischte Educated Evans, und wenn er einmal verärgert war, was eigentlich selten geschah, dann war er es richtig und doppelt. Seinen Feind in die Knie zu zwingen – dafür würde er sogar Geld ausgeben; was bedeutete denn ein Pfund hier oder da?
Er kannte einen Mann, weniger als Freund, aber von ihm abhängig, der einmal bessere Tage gesehen hatte; ein älterer, rotgesichtiger Mann namens »Old Joe«. Da man ihn noch nie verurteilt hatte, war sein weiterer Name bislang im Dunkeln geblieben. Er rauchte Tabak in einer kurzen Tonpfeife, half beim Kellnern aus und trank Bier. Niemand hat ihn jemals etwas anderes zu sich nehmen sehen.
Ein solcher »Old Joe« ist in Großbritannien in fast jeder Kneipe anzutreffen. Sie sind die Rentner, die jeder Wirt zu seinen Gästen zählt, eine geheimnisvolle Gruppe von rotgesichtigen Wache-Engeln mit schmierigen Hemdkragen, die rücklings an der Wand gelehnt stehen und über die Zeiten nachgrübeln, als es noch Pferdewagen gab und an jeder Kneipe die Pferde mit Futter versorgt werden konnten.
Educated Evans schickte nach Joe und der verließ höchst ungern die selbst gestellte Aufgabe, die Mauern des »White Hart« zu stützen.
»Ich soll rüber nach Hereford!«, schnappte er schockiert nach Luft. »Warum? Ich bin mein Lebtag noch nicht aus London herausgekommen, Mr. Evans.«
»Dann wirst du eben jetzt rauskommen«, sagte Evans bestimmt, »und du wirst tun, was ich dir jetzt erkläre.«
Er erklärte.
»Schick mir ein Kabel zum Sattelplatz von Ascot und zwar in dem Augenblick, wo du die Anzahl der Telegramme sehen kannst, die dieser Lump von einem Schwager abschickt. Er wird sie nicht eher abgeben als eine Viertelstunde vor dem Rennen. Wenn du dann in dem Postamt bist, kannst du sie leicht sehen. Und alles, was ich von dir will ist, mir die Anzahl der Telegramme zu kabeln, die dieser Schwager von Mulcay abschickt.«
Es bedurfte einer Menge Überzeugungsarbeit; aber nachdem Old Joe dabei auch erfahren hatte, dass es in Hereford verschiedene Pubs gab und das Westcountry-Bier von überraschend guter Qualität war, zog er los. Die Reise würde Educated Evans etwa vier Pfund kosten, aber was bedeutete schon Geld?
Oberster Chef des Mulcay-Stalles war Lord Claverley, ein Mann, der nur gelegentlich etwas riskierte und das auch nur auf Anraten seiner Trainer. Wenn Lord Claverley eines vor dem Royal Hunt Cup sicher wusste, dann war es die Tatsache, dass ‚Catskin’ das Rennen nicht gewinnen würde. Dies erzählte er nicht nur seinen Freunden, sondern ebenso seinem Chauffeur und seiner Dienerschaft, wie er es auch in die Ohren illustrer Persönlichkeiten und Potentaten flüsterte.
‚Catskin’ sackte bei den Voraussagen weiter durch, bis er zwischen 40 : 1 oder auch 33 : 1 gelandet war, immer abhängig vom Temperament oder der Ehrlichkeit der Wettkunden.
Educated Evans fuhr sehr selten nach Ascot. Wenn er es tat, hielt er sich konstant vom Sattelplatz fern. Aber bei dieser Gelegenheit beschloss er für sich, dass die Begleitumstände es rechtfertigten, einen Extrageldbetrag zu opfern, und mit einem leichten Stöhnen bezahlte er die horrende Summe, die der Verwaltungsbeamte von Ascot ihm abverlangte. Dafür erhielt er ein kleines, schokoladenbraunes Abzeichen, das er an sein Revers heftete und das ihm gestattete, entweder Tattersall’s oder den Sattelplatz zu betreten.
Der Müller, bekleidet mit Zylinderhut und schickem Ausgehrock, sah die unglückliche Gestalt am Geländer lehnen und ging auf ihn zu.
»Du bist dieses Jahr nicht in der königlichen Loge, Evans?«, fragte er.
»Nein, Mr. Challoner«, antwortete Evans gelassen. »Die Einladung dazu ist nicht angekommen. Ich hätte Sie beinahe nicht erkannt«, fügte er mit respektvoller Anerkennung hinzu. »Sie sehen wie ein echter Gentleman aus.«
»Ich denke mir mal, diese Lästerung war so nicht gewollt«, sagte der Müller gutmütig, »sonst wäre ich noch beleidigt. Nun, hast du auf deinen ‚Catskin« gesetzt?«
»Jeden einzelnen Penny, den ich auf dieser Welt kriegen konnte«, erwiderte Evans emphatisch. »Ich habe den Tipp an 3240 Kunden verschickt und dafür zwei Nächte durchgearbeitet. Dieser ‚Catskin’ ist nicht nur ein Knüller, er ist dreimal ein Knüller. Er ist bisher der todsicherste Tipp, seitdem es das Hurst Park Rennen gibt – drei echte Rennpferde und ein Herausforderer. Sie wissen, wen ich meine.«
Der Müller schüttelte den Kopf.
»Keiner aus seinem eigenen Stall setzt auf ihn«, sagte er.
»Die sogenannten Leute vom Fach!«, spottete Educated Evans. »Ich könnte Ihnen etwas erzählen, das lässt Ihre Haare zu Berge stehen. Ihnen würden die Augen übergehen! Mr. Miller, ich treffe mich mit Lord Claverley.«
Der Müller starrte ihn an. »Du legst dich selbst herein«, warnte er. Aber diese Drohung zeigte bei Evans keinerlei Wirkung.
Er kannte Lord Claverley vom Ansehen her, von den Porträtaufnahmen der Klatschspalten, und als die Glocke am Sattelplatz den Hunt Cup eröffnete, traf er den Lord für einen Augenblick alleine an und ergriff die günstige Gelegenheit.
»Verzeihen Sie, Mylord«, sagte er und tippte grüßend an seinen Hut. »Sie haben vielleicht schon von mir gehört. Ich bin Educated Evans, der Welt führender Minister des Tippspiels.«
Der Lord schaute ihn mit blinzelnden Augen an. »So, so, das sind Sie wirklich?«, sagte er.
»Ich kann Ihnen leider keine Tipps geben, mein Herr.«
»Ich möchte auch gar keine haben, Mylord.« Evans Stimme klang feierlich und überzeugend. »Ich will Ihnen einen Tipp geben. Setzen Sie auf ‚Catskin’!«
Einen Augenblick lang schaute Lord Claverley ihn an, als wisse er im Moment nicht, ob er einen Polizeibeamten herbeirufen solle, auf dass der ihn auf oder über die Zaunspitzen des Geländes werfe oder sich einfach köstlich amüsieren sollte.
»Sie liegen falsch, mein Freund«, sagte er ruhig. »Kein Mensch hat Lust auf ’Catskin’. Mehr kann ich Ihnen leider nicht mitteilen.«
Noch während er sich wegdrehen wollte, hielt Evans ihn hartnäckig am Arm zurück.
»Mylord«, sagte er aufgeregt, »beachten Sie das Gerede über ‚Catskin’ einfach nicht; er wird gewinnen! Mulcay würde auch noch mit dem Geist seiner Großmutter falsches Spiel treiben! Ich sage Ihnen, das Pferd wird gewinnen und nicht anders wird es kommen!«
Nun war selbst Lord Claverley beeindruckt.
»Sie liegen völlig falsch, Mr. – äh – Evans«, sagte er dennoch. »Aber leider kann ich diese Angelegenheit jetzt nicht weiter mit Ihnen diskutieren.«
Evans schlängelte sich durch die Reihen elegant gekleideter Damen, um die Parade der Starterpferde zu beobachten. »Amboya« war ein heißer Favorit, wohingegen »Catskin« mit Lakes, dem jungen Stallburschen im Sattel, keine herausragende Quote erzielt hatte. Die bloße Anwesenheit eines Stall-Lehrlings statt des etatmäßigen Jockeys, der normalerweise für den Stall im Sattel hockte, reichte aus, um 999 von 1000 Wettern abspringen zu lassen. Aber Evans ließ sich nicht abschrecken. Dieser Mann investierte unerschütterlich seinen letzten Viertelpenny zum besten Preis, den er den Größen von Tattersall’s abringen konnte.
Von einer abgetrennten Rasenfläche aus beobachtete er das Rennen, welches keine besonders detaillierte Beschreibung erforderte. »Catskin« erschien als erstes Pferd oben auf dem Hügel; er blieb durchweg an der Spitze des Feldes und gewann mit sechs Längen Vorsprung, als sei sein Galopp ein Spazierritt. »Amboya« wurde Zweiter.
Educated Evans fühlte sich im siebten Himmel, als er zurück zum Sattelplatz eilte, wo man gerade das Siegerpferd hereinführte. Dabei entdeckte er drei Gesichter, von denen eines