DER ELEGANTE MR. EVANS. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
der Müller fluchte leise vor sich hin.
»Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich dich hier verhungern lassen«, sagte er. »Du sagtest, es sei nicht ‚Clarok Lass’- hier, los, der Inspektor hat einen Job für dich.«
Verwundert folgte Evans dem Detective zum Büro des Inspektors und dann wurde ihm in wenigen, aber höflichen Worten erklärt, wie sein kommender Job aussehen sollte.
»Ich gebe Ihnen fünf Shilling aus meiner eigenen Tasche, Evans«, sagte Inspektor Pine, »und fühle gleichzeitig, dass ich Ihnen vielleicht wieder zum Licht verhelfen kann.«
Educated Evans blickte mit geübten Augen über den Tisch. Vor Jahren hatte er 1000 Kunden in seinen Büchern; insofern war ihm die Aufgabe, Briefumschläge zu füllen, nicht unbekannt.
Der Müller war froh, dass er alsbald eine Ausrede fand, sich verabschieden zu können, und der Inspektor gab sich daran, seinen Helfer noch etwas genauer über seine Aufgabe mit dem Stempelapparat zu instruieren.
»Wenn die Matrize aufgebraucht ist, schreiben Sie eine weitere. Dann befestigen Sie sie auf dem Tintenkissen und machen weiter.«
Es war ein seltsames Gerät, wie Evans es noch nie benutzt hatte. Es bestand aus einem länglichen Matrizenwachspapier, in einem steifen Rahmen fixiert, und einem metallenen Tintengefäß. Der Inspektor zeigte ihm, wie die Matrize auf einem steifen Brett mittels eines spitzen Schreibstiftes beschriftet, dann befeuchtet und anschließend abgelöscht wurde; und Evans, wissbegierig wie immer, schaute ganz genau hin.
»Nun haben Sie Gelegenheit darüber nachzudenken, dass jeder dieser lieben Menschen ein Feind dieses bösartigen und schädlichen Pferdesports ist. Einmal in Ihrem Leben, Evans, tun Sie etwas Sinnvolles, diese Hydra-Bestie des Glücksspiels zu zerschmettern.«
»Und wo sind diese fünf Shilling, Sir?« fragte Evans und der Beamte entfernte sich. Er war gerade dabei, Evans seiner Aufgabe zu überlassen, als der wachhabende Sergeant eintrat.
»Hier sind Geld und Papiere dieses Betrunkenen, Sir«, sagte er und legte ein kleines Päckchen auf den Tisch. »Vielleicht legen Sie das besser alles in den Safe. Er hat nach seinem Anwalt geschickt, also wird er wohl bald gegen Kaution frei kommen. Aber er hat einen solchen Aufstand gemacht, dass man ihn angeblich beraubt hat, sodass es wohl besser sein könnte, man behielte das alles hier, bis er in nüchternem Zustand vor einen Richter gestellt wird.«
Mr. Pine nickte und öffnete den großen Safe in einer Ecke des Raumes, während der Sergeant ging. Zunächst legte Pine das Geld, die Uhr mit Kette und das goldene Zigarettenetui in eine Schublade. Dann nahm er ein kleines Notizbuch heraus und blätterte darin mit professioneller Geschicklichkeit.
»Noch ein Spieler«, bemerkte er traurig.
»Wer ist das, Sir?«
»Ein Mann – ein Gentleman, der unglücklicherweise heute Abend hier sein muss«, sagte der Inspektor und hielt für einen Moment inne. »Was bedeutet – ein Probelauf, Evans?«
»Ein Probelauf, Sir?«
»Es hat offensichtlich etwas mit Pferderennen zu tun«, sagte der Inspektor und las, wie für sich selbst: »’Blue Chuck’ 8 zu 7; ‚Golders Green’ 7 zu 7; ‚Milikin’ 7 zu 0. Gewann mit vier Längen in 1 min 39’. Das hat doch mit Pferderennen zu tun, Evans?«
Educated Evans nickte, wagte aber nicht, sich dazu zu äußern.
»Hier haben Sie Ihre fünf Shilling, Evans. Ich lasse Sie nun allein. Geben Sie dem Sergeant diese Briefe; er wird sie aufgeben. Gute Nacht.«
In dieser Nacht spähte der Sergeant hin und wieder durch die offene Tür des Inspektorbüros; augenscheinlich war Evans sehr beschäftigt. Um Mitternacht, gerade als der Anwalt des ehrenwerten George Canfyn eintraf, trug er die Früchte seiner Arbeit zum Schreibtisch des Sergeanten, und nach einer schnellen Überprüfung des Büros, ob irgendetwas fehle, konnte Evans sich entfernen.
Um zehn Uhr des folgenden Morgens, Inspektor Pine war gerade bei der Rasur, als sein Freund und Mitstreiter bei der Sozialarbeit, (Mr. Stott, der ehemalige Lebensmittelhändler), in großer Eile zu ihm kam, verwirrt und tief verärgert zugleich.
»Guten Morgen, Bruder Stott«, sagte der Inspektor. »Ich habe es letzte Nacht geschafft, alle Karten herauszugeben – wenigstens hoffe ich das.«
Mr. Stott atmete schwer.
»Ich habe meine Karte auch bekommen, Bruder Pine«, sagte er, »und ich würde gerne wissen, was sie bedeuten soll.«
Er warf ein Stück Karton in das schaumbedeckte Gesicht des Inspektors. Es gab nichts Außergewöhnliches auf der Karte zu entdecken. Sie enthielt eine Einladung zu einer Versammlung der »Bruderschaft zur Unterdrückung der Spielsucht«.
»Nun?«
»Schauen Sie sich die Rückseite an«, zischte Mr. Stott.
Der Inspektor wendete die Karte und las die schablonierte Inschrift:
Wenn jemand aus der Bruderschaft den Sieger des Newbury Hindernisrennens erfahren will, so schicke er 20 Shilling an den alten, aber absolut verlässlichen Educated Evans, 92 Bingham Mews. Das ist das größte Schnäppchen des Jahres! Niederlage ausgeschlossen! Auf, Brüder! Bedient Euch und überweist das Geld an E. Evans.
»Natürlich wird niemand auf diesen Unsinn eines bösen Mannes reagieren«, sagte der Inspektor, als er dem Müller Anweisungen erteilte. »Jedes Mitglied der Bruderschaft wird dieses Papier mit Verachtung strafen; trotzdem, Sie hätten besser auf Evans achten sollen.«
Als der Müller an Bingham Mews Nr. 92 ankam, (es war der obere Teil eines Stalles), traf er jenen melancholischen Mann an, wie er Telegramme öffnete, zwanzig pro Minute.
»Und da kommen noch mehr«, sagte Educated Evans. »Es gibt keine besseren Wetter als die von der Bruderschaft.«
»Wie heißt das Pferd?«, fragte der Müller atemlos.
»’Blue Chuck’, bedienen Sie sich«, antwortete Educated Evans. »Und vergessen Sie nicht – Sie schulden mir ein Pfund.«
Der Müller beeilte sich, Mr. Isaacheim zu sprechen, den bekannten und ehrbaren Turf-Buchmacher.
Kapitel 2: Mr. Homasters Tochter
Mr. Homasters Tochter war unzweifelhaft die Schönheit von Camden Town; und als sie sich vom öffentlichen Leben zurückzog, hatte in der Folge und ganz zweifellos Mr. Homasters Handel sehr darunter zu leiden.
Aber Mr. Homaster bemerkte schon richtig, dass besonders eine Saloonbar kein geeigneter Ort für eine junge Dame sei. Viele Kunden, die bislang mit einigen Schwierigkeiten die Saloon-Preise ausgehalten hatten, kehrten nun als Reaktion auf ihren Rückzug scharenweise zur öffentlichen Variante des »Rose and Hart« zurück, wo Bier das einzige Handelsobjekt ist. Dennoch trug Mr. Homaster ( bis zum Krieg hieß er eigentlich Hochmeister) seinen Verlust mit Gelassenheit und sein Ruf, sowohl als Vater wie als Gentleman, stand besser da als je zuvor.
Miss Belle Homaster war die schönste Frau, die Educated Evans je gesehen hatte. Sie war groß, mit goldenen Haaren und blauen Augen und einer tollen Figur. Quer über ihre schwarze, eng sitzende und wohlgefüllte Bluse zog sich das aus Diamanten geformte Wort »Baby«, wie ihr Vater und enge Verwandte sie stets zu nennen pflegten.
Evans pflegte jeden Abend in die Saloonbar zu gehen, das Glück ihres Lächelns zu genießen, das sie ihm mit einem Augenaufschlag ihrer sorgfältig gemalten Lider schenkte.
Niemals stellte sie unnötige Fragen. Ein Anheben dieser gebogenen Augenbrauen, ein gnädiges Nicken von Evans, das Leeren einer Flasche, das Sprudeln des Sodawassers, und Evans legte einen Halfcrown auf die Theke und nahm das Wechselgeld mit einem gezierten »Danke« entgegen.
Manchmal sagte sie so etwas wie »Es war heute ein recht schöner Tag für diese Jahreszeit«. Manchmal, wenn es kein so schöner Tag gewesen war, fragte sie mit sanfter Verzweiflung: »Was kann man schon erwarten?«
Es hieß allgemein, dass Evans ihr