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Der Meerkönig. Balduin MöllhausenЧитать онлайн книгу.

Der Meerkönig - Balduin Möllhausen


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zu erspähen, welchen Eindruck ihres Bruders ritterliches Wesen auf ihn ausüben würde. »Vergessen Sie nicht, daß ich Sie wie eine giftige Kröte zermalmen kann!« fuhr der Graf unterdessen tief und geräuschvoll athmend fort. »Ueberlegen Sie wohl, ob es rathsam ist, mich bis auf's Aeußerste zu reizen, mich zu zwingen, Sie so zu behandeln, wie Sie es verdienen! Ob man aber viel Aufhebens davon machen wird, einen Elenden Ihres Gelichters mit zerschmettertem Kopfe zu finden, werden Sie sich selbst am besten sagen können!«

      »Namentlich wenn der Kopf durch eine hochgeborene Hand zerschmettert wurde,« versetzte Merle mit unerschütterlicher Ruhe, die in demselben Grade zu wachsen schien, in welchem des Grafen Wuth zum wilden Ausbruche gelangte. »Aber bitte, Herr Graf, bevor Sie zum Aeußersten schreiten, vernehmen Sie nur Ein Wort, es wird dazu dienen, eine schnelle Einigung herbeizuführen. Sie sprechen von Anwendung von Gewalt; dergleichen habe ich nicht gethan. Ich hielt es unter meiner Würde, obwohl ich die Macht dazu in den Händen habe und man gewiß recht viel Aufhebens davon machen würde, wenn man in diesem Stadtviertel und in diesem Hause den Herrn Grafen und die gnädige Gräfin mit zerschmetterten Köpfen fände - aber bitte, erschrecken Sie nicht, meine gnädigen Herrschaften,« fuhr er spöttisch fort, als er bemerkte, daß der Graf erbleichte und ängstlich forschend um sich schaute, und sogar auch die Gräfin einen scheuen Seitenblick nach der Thüröffnung hinüberwarf, »ich bin hier allein, kein Mensch befindet sich in der Nähe, der mir Beistand leisten könnte, um sich dafür in die hundert Louisd'or mit mir zu theilen. Nein, ich bin nur auf meine eigenen Kräfte angewiesen, aber bis jetzt war ich edelmüthig genug, Sie meine Uebermacht nicht fühlen zu lassen, wie es von Ihnen kindisch war, Herr Graf, mit einer Drohung gegen mich vorzugehen.

      »Sie scheinen vergessen zu haben, daß Sie sich nicht in einer Umgebung befinden, wo Sie furchtlos Fußtritte und Peitschenhiebe austheilen können - bitte, rühren Sie sich nicht von der Stelle, oder Sie sammt Ihrer Schwester sind des Todes!« bemerkte er mit unheimlichem Ernste, als der Graf wieder eine Bewegung machte, wie um auf ihn einzuspringen. »Wir kennen das Alles; die Herren haben nur da Muth, wo sie die Uebermacht in Händen zu halten glauben; nimmt man ihnen aber dieses Bewußtsein, so kriechen sie zusammen. Sie lassen sich sogar im Stillen eine ehrenrührige Behandlung gefallen, wenn sie dafür die Aussicht haben, mit gesunden Knochen davonzukommen.

      »Nicht von der Stelle, Bruder Graf!« rief er wiederum, jetzt aber lauter aus, und seine rechte Hand rüttelte leise an einem unter dem Schutte theilweise noch verborgenen Gegenstande. »Es sollte mir leid thun um Ihre Schwester, mit der ich mich, ohne Ihr Dazwischentreten, leicht geeinigt hätte. Ja, sehen Sie mich an, wie ich hier liege, und dann verfolgen Sie mit den Augen die im Schutte etwas eingesunkene Linie, die sich im Vierecke um Sie herumzieht - bitte, bemühen Sie sich nicht, stehen Sie nicht auf, oder ...« - hier folgte wieder das vorsichtige Rütteln, und deutlicher trat der angedeutete Streifen hervor, indem in Folge der Erschütterung der bewegliche Staub durch die noch nicht sichtbaren Fugen niederrieselte.

      »Also, meine Herrschaften,« fuhr Merle mit unverschämter Vertraulichkeit fort, die dem gespannt lauschenden Geschwisterpaare nur zu deutlich sein unbestreitbares Uebergewicht verrieth, »wir befinden uns hier auf einem alten Magazinboden, auf welchem einst, vielleicht vor fünfhundert Jahren, Güter, wahrscheinlich Lumpenballen, hinauf- und hinuntergewunden wurden. Vergebens führte ich Sie nicht hierher; ich mußte mich sichern, und wenn Sie gütigst Ihre Aufmerksamkeit auf meine Hand lenken wollen, werden Sie leicht begreifen, daß ich diesen Keil, dessen äußerste Spitze diese Ueberfallkrampe kaum noch mit dem Ringe verbindet, ganz hervorzuziehen brauche, um Sie weit schneller, als Sie den Taschenpuffer zu spannen, oder gar aufzuspringen vermögen, durch zwei Stockwerke, in einen mit zerbröckeltem Mauerwerke theilweise angefüllten Keller hinabfallen zu lassen. So, ich bin zu Ende; Sie mögen immerhin Ihre Waffe wieder in die Tasche stecken; so - aber bitte, verlassen Sie die Fallthür nicht, ich bin fest entschlossen, mir den Rücken frei zu halten.«

      »Kümmere Dich nicht um die Fallthür,« sagte die Gräfin jetzt mit vor Wuth halb erstickter Stimme zu ihrem Bruder gewendet, der plötzlich seine ritterliche Haltung vollständig eingebüßt hatte und dafür ein gewisses Gefühl der Unbehaglichkeit zur Schau trug. »Ich werde die geforderte Summe bewilligen und berichtigen. Aber zeigen Sie mir erst das Blatt; ich muß wissen, ob wir nicht getäuscht worden sind.«

      »Zuerst das Geld, wenn ich bitten darf!« entgegnete Merle brutal. »Solch ein Papierfetzen ist schnell vernichtet, und ihn zu ersetzen vermöchte ich nicht!«

      »Befinden wir uns nicht auf der Fallthür?« fragte die Gräfin, im Uebermaße ihrer Verachtung die Achseln heftig zuckend.

      »Gnädigste Gräfin, alle Achtung vor Ihrer Entschlossenheit!« versetzte der Gauner zuvorkommend. »Hier ist das Blatt,« fügte er hinzu, das zusammengefaltete Papier darreichend, ohne jedoch die rechte Hand von dem Verschlusse der Fallthür zu entfernen.

      Die Gräfin ließ ihre Blicke prüfend über das Blatt gleiten, dasselbe so haltend, daß ihr Bruder mit hineinsehen konnte. Die Züge Beider drückten eine hohe Spannung aus, und kaum wagten sie zu athmen vor Erwartung und innerer Aufregung.

      Plötzlich legte die Gräfin ihren Zeigefinger auf eine Stelle ganz unten am Rande des Papiers, und indem sie langsam las, folgte die Fingerspitze den nächsten Zeilen Wort für Wort nach.

      »Es ist richtig,« bemerkte sie endlich, und ein heller Triumph blitzte aus ihren Augen.

      Nachdem sie darauf aus ihrer und ihres Bruders Börse die geforderte Summe zusammengezählt hatte, händigte sie Merle das Geld ein.

      »Auf ein Gegenversprechen des Schweigens von Ihnen verzichte ich,« sagte sie mit ihrem gewöhnlichen, hochmüthigen Wesen zu dem fast achtungsvoll zu ihr emporschauenden Gauner; »Sie würden doch thun, was Sie wollen ...«

      »Keineswegs, gnädige Gräfin, mein Ehrenwort ...« stotterte dieser, förmlich berauscht durch den Anblick des in seinen Händen befindlichen Reichthums.

      »Unterbrechen Sie mich nicht,« fiel ihm die Gräfin voller Verachtung in die Rede, »ich verlange Ihr Ehrenwort nicht, nur das Licht reichen Sie mir, damit ich unser Uebereinkommen besiegle; ich würde es mir selbst holen, wenn ich Ihnen nicht den Gefallen erweisen möchte, bis zum letzten Augenblicke auf der Fallthür sitzen zu bleiben.«

      Merle trieb mit einem Stoße seiner Hand den Keil wieder tief in den Ring hinein, und dann emporspringend, reichte er der Gräfin die brennende Kerze mit einer Verbeugung dar.

      Diese nahm das Licht in die linke Hand, und das Blatt unverzüglich der Flamme nähernd, brannte sie die eine Ecke desselben an, worauf sie Merle das Licht zurückgab.

      Aller Augen waren auf das brennende Papier gerichtet, welches die Gräfin, um sich des Anblickes länger zu erfreuen, so hielt, daß die Flammen nur sehr langsam niederwärts glitten. Niemand sprach ein Wort; die eigenthümlich roth beleuchteten Gesichter dagegen drückten eine Spannung aus, als ob von der Vernichtung des Documentes das Geschick von Welten abgehangen hatte, und merkwürdig contrastirte der auf den Zügen der Geschwister ausgeprägte Triumph zu dem Bedauern, mit welchem Merle das Papier in Asche zerfallen sah, dem er eine so reiche Beute abzugewinnen gewußt hatte.

      Als die Flammen endlich die behandschuhten Fingerspitzen der Gräfin berührten, legte sie den letzten Rest des Papiers vor sich nieder, sorgfältig darauf achtend, daß auch dieser vollständig verzehrt wurde.

      Die Flamme erlosch; eilfertig tanzten und rannten die letzten Funken auf den schwarzen Aschenflocken hin und her, und tiefer neigten die drei Gesichter sich über dieselben hin.

      Sie boten einen unheimlichen Anblick dar, diese von den verschiedenartigsten Gefühlen bewegten Menschen, wie sie in der Ausführung verbrecherischer Anschläge jeden Standesunterschied vergaßen, sich gleichsam auf eine Stufe stellten und unwillkürlich dichter zusammenrückten; doppelt unheimlich bei der Todtenstille, welche sie umgab.

      »Es ist geschehen!« sagte die Gräfin endlich mit einem Ausdrucke, als wäre eine unendliche Last von ihrer Brust gewälzt worden, und zugleich verschwand ein kleines, geisterbleiches Antlitz, welches während der letzten Minuten neugierig in das Gemach hineingespäht hatte, hinter dem Thürpfosten.

      »Es ist geschehen!« wiederholte


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