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Der Meerkönig. Balduin MöllhausenЧитать онлайн книгу.

Der Meerkönig - Balduin Möllhausen


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das meine ich,« antwortete Lieschen kaum vernehmbar und mit aller Kraft gegen einen neuen Ausbruch ihrer Furcht kämpfend.

      »Wo aber haben sie Dich geschlagen und Dich eingesperrt, wenn Du doch im Hause des guten Herrn Seim erzogen wurdest?«

      »Im Waisenhause.«

      »Und Herr Seim, der liebe, fromme Herr, war nicht da, um es zu verbieten?«

      »Ach, Herr Seim war so böse, er sagte, ich sei schlecht und verdiene harte Strafe, ich verführe alle Kinder und man müsse mich sehr streng behandeln.«

      Bei diesen Worten sahen Marie und die beiden Ehegatten sich gegenseitig verwundert an. Sie kannten den Vorsteher der Anstalt schon lange von der besten Seite, und unerklärlich erschien es ihnen, daß ein so schwächliches kleines Mädchen, selbst wenn es sich zu kindischem Unfug habe hinreißen lassen, mit Herrn Seim's Wissen und Willen habe mißhandelt werden können. Die beiden Gatten waren daher geneigt, des Kindes Ausspruch für verzeihliche Uebertreibung zu halten, oder für eine Folge der krankhaften Aufregung oder gar für eine Lüge. Marie hingegen sträubte sich gegen einen solchen Verdacht, und indem sie ihre Blicke tief in die Augen der flehentlich zu ihr aufschauenden Waise senkte, glaubte sie in denselben nur die lautere, heilige Wahrheit zu lesen.

      »Armes Kind,« sagte sie endlich schmeichelnd, um die durch das kurze Schweigen in dem Kinde hervorgerufene Furcht wieder zu verscheuchen, »wie bist Du denn in diesem furchtbaren Wetter in den Wald gekommen?«

      »Verzeihe mir, gute Frau,« antwortete das Mädchen bebend, indem es abermals seine hageren Aermchen emporhob und die zarten Finger verzweiflungsvoll in einander rang; »ich will ja Alles eingestehen, nur stoße mich nicht wieder von Dir!«

      »Aengstige Dich nicht unnöthig, mein Herzchen,« tröstete Marie auf's tiefste gerührt; »sprich offen und ohne Furcht, und willst Du nicht gern sprechen, so behalte Dein Geheimniß immerhin für Dich; wir haben Dich deshalb nicht weniger lieb.«

      Lieschen unterdrückte ihr krampfhaftes Schluchzen, und vertrauensvoll zu Marien emporblickend, begann sie: »Ich bin entlaufen, ich konnte es nicht länger aushalten; ich wollte lieber sterben, als mich noch länger quälen lassen. Denn wäre ich geblieben, hätten sie mich in den Keller gesperrt, damit ich verhungere. Sie hielten mich für einen Dieb, denn sie hatten wiederholt, wenn sie des Morgens meine Kleider durchsuchten, Sachen von anderen Kindern in meiner Tasche gefunden. Dann schlugen sie mich jedesmal so sehr, weil ich versicherte, ich sei unschuldig, und sie sperrten mich in den Keller, bis ich vor Angst sagte, ich hätte gestohlen, worauf sie mich hervorholten und mich einen ganzen Tag hindurch mit einer Tafel am Halse, auf welcher ›Dieb‹ geschrieben war, in dem großen Schulsaale stehen ließen. Aber glaube mir nur, liebe, gute Frau, nie in meinem Leben habe ich gestohlen, denn ich weiß, es ist eine große Sünde.

      »Heute Morgen, es war noch ganz dunkel, wachte ich auf; ich war so hungrig und konnte nicht wieder einschlafen. Da sah ich Herrn Seim, wie er leise durch den Schlafsaal ging und gerade auf mein Bett zukam. Ich glaubte, er wolle mich schlagen, weil ich wach sei, und schloß schnell die Augen; aber ein klein wenig sah ich noch, denn in dem Schlafsaale brennt des Nachts eine Lampe. Vor meinem Bette blieb Herr Seim stehen, und ich zitterte vor Angst, als er mich eine Weile betrachtete. Er that mir indessen nichts zu Leide, dagegen betastete er die Tasche meines Kleides, und dann ging er wieder leise hinaus. Als ich seine Schritte nicht mehr hörte, zog ich mein Kleid zu mir in's Bett hinein, um zu sehen, ob vielleicht wieder fremdes Brod in der Tasche gewesen sei. Anfangs fand ich nichts; als ich die Tasche aber umkehrte, fiel mir ein großer Thaler in die Hand. Zuerst wollte ich das Geld, welches mir Jemand heimlich zugesteckt hatte, damit ich wieder eingesperrt werde, fortwerfen; zur rechten Zeit bedachte ich aber, daß Herr Seim den Thaler gefunden haben müsse und ich die Strafe dadurch nur verschlimmere. Ich betete zum lieben Gott um Hülfe; ich steckte meinen Kopf unter die Decke, um die anderen Kinder nicht durch mein Weinen zu wecken, aber meine Angst wurde immer größer; ich wußte ja, daß ich wieder geschlagen und in den Keller gesperrt werden würde. Zuletzt hielt ich es nicht länger aus, ich kleidete mich schnell an, den Thaler legte ich auf mein Bett, und auf den Strümpfen schlich ich aus dem Hause auf den Hof. Dort zog ich erst die Schuhe an; meine Strümpfe waren in dem Schnee schon ganz naß geworden, aber mich fror nicht, ich ängstigte mich zu sehr. Dicht am Hofthore wartete ich, bis der Bäcker klingelte, und alsdann vom Hause aus der Riegel aufgezogen wurde und der Bäcker sich nach der Küche begeben hatte, schlich ich durch die angelehnte Pforte nach der Straße hinaus. Es schneite sehr; die Straßenlaternen waren schon ausgelöscht worden, aber Tag war es noch nicht. Ich fürchtete mich vor dem Wetter, aber die Furcht vor Herrn Seim war noch größer, und ich lief, so rasch ich nur konnte, nach dem nächsten Thore, um aus der Stadt zu kommen. Niemand hatte mich bemerkt, doch mir war, als müsse Herr Seim sich dicht bei mir befinden, um mich zurückzuschleppen in den feuchten Keller, und als die letzten Häuser der Stadt schon längst hinter mir lagen, lief ich noch immer mit derselben Eile.

      »Als es endlich heller Tag war, mußte ich mich ausruhen; ich konnte keine Luft mehr schöpfen, und dabei war mir doch so heiß. Ich setzte mich auf die Erde und aß das trockene Brod, welches ich mir vom vorhergehenden Tage in meinem Bette aufgehoben hatte, und dazu kühlte ich meinen Mund mit frischem Schnee. Wie lange ich so dagesessen habe, kann ich nicht sagen; zuletzt wurde mir eisig kalt, und ich ging weiter, um mich zu erwärmen. Wohin ich gehen sollte, wußte ich nicht, aber ich bat den lieben Gott, er möge mich zu guten Menschen führen, die Mitleid mit mir haben würden. Während ich betete, fürchtete ich mich nicht, auch weinte ich nicht; ich betete daher auf dem ganzen Wege, daß ich nicht müde werden möge, denn ich dachte, ich würde vom Schnee so hoch zugedeckt werden, daß ich nicht wieder herausgelangen könne und daher verhungern müsse. Es schneite ja so sehr; doch war dies gut, denn wenn ich Leute und Wagen kommen hörte, brauchte ich gar nicht weit von der Straße abzubiegen, um nicht entdeckt zu werden. Ich wäre sonst gewiß wieder zu dem schrecklichen Herrn Seim zurückgebracht worden. So bin ich denn immer weiter und weiter gegangen, und endlich kam ich in einen Wald von lauter großen und kleinen Weihnachtsbäumen. Ich kenne Weihnachtsbäume, Herr Seim läßt alle Jahre welche im großen Saale aufstellen, und fremde Leute kommen und freuen sich, daß die Kinder so gut beten; und dann loben sie Herrn Seim, aber mit uns sprechen sie nur davon, daß wir Herrn Seim dankbar sein sollen.

      »Im Walde unter den Bäumen lag der Schnee nicht so hoch; das Gehen wurde mir dadurch erleichtert, allein ich war schon so müde, und meine Füße schmerzten so sehr, daß ich mich nur mühsam von der Stelle bewegte. Zuletzt hielt ich es nicht mehr aus, denn mehrfach war ich vor Mattigkeit gestolpert. Auf der Straße liegen bleiben durfte ich nicht; ich suchte mir daher einige kleine Weihnachtsbäumchen, die wie ein Nest zusammengewachsen waren, und da der Schnee nicht zwischen den dichten Zweigen hindurchfallen konnte, so kroch ich in das Nest hinein. Unter den Bäumen war es trocken und warm, auch fürchtete ich mich nicht, und gegen den Durst nahm ich etwas Schnee in den Mund. Dann betete ich alle Gebete, die ich kenne, und dabei wurde ich müde und die Augen fielen mir zu. Ich schlief nicht fest, denn ich hörte liebliche Musik, und viele schöne Kinder sah ich, die mich baten, mit ihnen zu spielen; doch ich konnte mich nicht von der Stelle rühren, es wurde immer dunkler um mich her, und endlich hörte auch die Musik auf. Das ist Alles, was ich weiß; ich habe geschlafen und geträumt, denn als ich hier erwachte, glaubte ich in der Krankenstube des Waisenhauses zu sein.

      »Ich habe gewiß die Wahrheit gesagt,« versicherte das Kind nach einer kurzen Pause mit flehender Geberde, die forschenden Blicke, welche auf ihm hafteten, für einen Ausdruck des Mißtrauens haltend; »ich habe noch nie gelogen, wenn ich nicht mußte. Laßt mich bei Euch bleiben, ich will ja gern arbeiten Tag und Nacht, aber zurück in das schreckliche Haus bringt mich nicht wieder!«

      Reichart hatte die letzten Worte nicht mehr abgewartet; die Stimme des flehenden Kindes war ihm tief in's Herz gedrungen, und gesenkten Hauptes, als ob er über Etwas im Zweifel sei, schritt er in dem Gemache auf und ab. Seine Frau dagegen und Marie hatten sich wieder über das Kind hingeneigt, und ihren vereinigten Bemühungen gelang es leicht, dasselbe gänzlich zu beruhigen und zu überzeugen, daß sie sich von nun an seiner annehmen, sich nicht mehr von ihm trennen wollten.

      Die zärtlichen Versicherungen der beiden Fremden wirkten wohlthuend auf das geängstigte Gemüth der jungen Waise. Nicht minder machte sich


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