Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von GoetheЧитать онлайн книгу.
erschießen Sie sich nicht einmal!
PRINZ. Sei ruhig!
Es schlägt eilfe.
Es schlägt!
MERKULO. Sie haben hier eine Glocke, die gar keinen feierlichen Ton hat. Es klingt, als wenn man auf Blech hämmerte; mich könnte nun so etwas gleich vollkommen aus meiner zärtlichsten Fassung bringen.
Die Musik gibt einige Laute und entfernte Melodien zum folgenden an.
PRINZ. Schweig, Unheiliger! und entflieh!
MERKULO. Ab! Ab.
PRINZ. Vergebens sucht ihr mich durch eure Schönheit, durch euer einschmeichelndes Wesen abzuziehen, von den Gedanken wegzuwenden, die ich immer mit den Armen meiner Seele umschlungen halte. Fahrt wohl, ihr sterblichen Mädchen! Das Unsterbliche umschwebt meine Stirne, und die Geister steigen herab, meine Wohnung zu beleben und mein Herz zu beseligen.
Die feierliche Musik geht fort, die Wasserfälle fangen an zu rauschen, die Vögel zu singen, der Mond zu scheinen.
Dich ehr ich, heiliges Licht,
Reiner, hoher Gefühle Freund!
Du, der du mir
Der Liebe stockende Schmerzen
Im Busen auf zu sanften Tränen lösest!
Ach, welche Seligkeiten säuselst du mir
Ins tiefe Heiligtum der Nacht
Und deutest mir
Auf der geheimnisvollen Liebe Ruhestätte!
Ach, verzeih! Ach, mein Herz
Fühlt nicht immer gleich!
Verzeih dem trüben Blick auf deine Schönheit!
Verzeih dem flüchtigen!
Nach der Laube gekehrt.
Hier, hier wohnt meine Gottheit,
Die ganz mein Herz nach ihrem Herzen zieht!
Dies Pochen und dies Zittern!
Ha! es schlägt dem Augenblick entgegen,
Wo die Zauberei
Die Seligkeit des Wahren überflügelt!
O den Genuß, ihr Götter, gabt ihr mir!
O den Genuß bewahret mir, ihr Götter!
Die Laube tut sich auf, man sieht ein Frauenzimmer darin sitzen: sie muß vollkommen an Gestalt und Kleidung der Schauspielerin gleichen, die nachher als Mandandane auftritt.
Himmel, sie ist's! Himmel, sie ist's!
Seligkeit tauet herab. – –
Deine Hand an dieses Herz,
Geliebte, süße Freundin!
Du ganz für mich Geschaffne,
Ganz durch Sympathie Gefundene,
Gewählte!
In dieser schönen Stimmung unsrer Herzen
Wird mir ein Glück, das nur die Götter kennen.
Ach, in hohen Himmelsfreuden
Fühl ich schaudernd mich verschweben!
Ha! vor Wonne stockt mein Leben,
Stockt der Atem in der Brust!
Ach, umweht mich, Seligkeiten!
Lindert dieses heiße Streben,
Und in wonnevolles Leben
Löset auf die schöne Lust!
Während der letzten Kadenz, da die Instrumente die Stimme zu lange nachahmen, setzt sich der Prinz auf eine Rasenbank und schläft endlich ein. Man gibt ihm verschiednemal den Ton an, damit er einfallen und schließen möge; allein er rührt sich nicht, und es entsteht eine Verlegenheit im Orchester; endlich sieht sich die erste Violine genötigt, die Kadenz zu schließen, die Instrumente fallen ein, die Laube geht zu, der mittlere Vorhang fällt nieder, und es zeigt sich.
Ein Vorsaal.
Feria und die vier Fräulein.
FERIA. Mich dünkt, der Prinz pflegt seiner Ruhe ziemlich lange. Es soll nicht gesagt sein, daß ein Mann in unserm Schlosse ungestraft die Morgenröte herbeigeschlafen habe! Sind die Klappern bei der Hand und die Rasseln? Wir wollen ihm ein Chariwari machen und die fatale Schläfrigkeit, unsre verhaßte Nebenbuhlerin, von seinen Augen peitschen.
Lebhafter Tanz zu fünfen mit Kastagnetten und Metallbecken; mitunter tanzt Feria solo. Der Oberste kommt, die Prinzessin zu bitten, daß sie des Prinzen Ruhe nicht stören möge, indem die Wache die Fräulein aufhalten will. Diese machen immer ärgern Lärm. Der hintere Vorhang geht auf; das Theater ist wieder wie zu Anfang des Akts; Merkulo tritt zu gleicher Zeit herein, der Prinz fährt bewegt von seiner Rasenbank in die Hohe, ergrimmt und singt.
Ja, ihr seid's, Erinnyen, Mänaden!
Ohne Gefühl für Liebe,
Ohne Gefühl für Schmerz!
Ich hofft im Arm der Grazien zu baden,
Und ihr zerreißt mein Herz!
Mein Herz! mein Herz!
Zerreißt mein leidend Herz!
Während der Arie begibt sich Feria, die Fräulein und die Wache, eins nach dem andern, auf die Seite; es bleiben allein.
Prinz und Merkulo.
MERKULO. Mein Prinz, fassen Sie sich!
PRINZ. Mein Freund, welche tödliche Wunde!
MERKULO. Gnädiger Herr, nur Chariwari!
PRINZ. Ich will weg! diesen Augenblick mich in die Einsamkeit des Gebirgs verlieren!
MERKULO. Was wird die Prinzessin, was werden die Damen denken?
PRINZ. Denken sie doch, auch nicht, wen sie vor sich haben. Ohne das mindeste Gefühl für das Hohe, Überirdische meiner Stimmung, rasseln sie mit knirschenden Tönen der Vorhölle drein. Ach, ihr goldnen Morgenträume, wo seid ihr hin? auf ewig! auf ewig!
MERKULO. Es war nicht böse gemeint. Schon vor Sonnenaufgang waren die Mädchen geschäftig, ein Dejeuner im Garten zurechtzumachen; wir haben auch wirklich den Morgenstern mit Bratwürsten in der Hand und einem vortrefflichen Glas Zyperwein bewillkommt. Man fürchtete, es möchte alles kalt werden, verderben, und wir wollten Ihr angenehmes Gesicht im Glanz der ersten Morgensonne genießen.
PRINZ. Ja, mit Schellen und Klapperblechen genießt man den Morgen! – Fort! – Leb wohl!
MERKULO. Gnädiger Herr!
PRINZ. Du weißt, meine Entschließungen sind rasch und fest.
MERKULO für sich. Leider!
PRINZ. Ich gehe nach dem Orakel! Laß aufs schärfste dieses Heiligtum bewachen, daß unter keinem Vorwand eine lebendige Seele einen Fuß hereinsetze!
MERKULO. Bleiben Sie beruhigt.
PRINZ. Leb wohl. Ab.
Vierter Akt
Andrasons Schloß, eine rauhe und felsige Gegend, Höhle im Grunde.
Mandandanens Kammerdiener als Askalaphus tritt auf mit einem Reverenz und spricht den Prologus.
Herrn und Frauen allzugleich,
Merkt wohl, das hier ist Plutons Reich,
Und ich, wie ich mich vor euch stelle,
Das ich zuerst bedeuten muß,
Ich nenne mich Askalaphus
Und bin Hofgärtner in der Hölle.