Traumwandler. Julia SkyeЧитать онлайн книгу.
er genau zu wissen, was ich dachte. „Rose -“, begann er.
„Solas!“, durchschnitt da eine Stimme die Luft.
Der Elf sah mich noch ein paar Sekunden lange an und ich hätte schwören können, dass etwas in seinem Blick aufblitzte – beinahe, als schiene er verärgert darüber, dass er unterbrochen wurde. Schließlich stieß er einen leicht resignierten Seufzer aus und wandte sich zu der Hügelkuppe, die wir vorhin hochgekommen waren.
Anstatt zwei Elfen zu Fuß allerdings sah ich plötzlich ein ganzes Regiment von Elfen, die auf uns zu geritten kamen. Ich merkte, wie mir der Mund aufklappte; diesen Auftritt hatte ich nicht erwartet.
Die Pferde schnaubten und trabten um uns herum, bis sie einen lockeren Kreis bildeten; es war nicht drohend, eher so, als würden sie uns beschützen wollen.
Plötzlich fiel mir ein, dass Solas, wenn seine Mutter ihre Königin war, ja irgendwie auch ihr Prinz war. So halbwegs.
Wow. Ich hatte einen Prinzen geküsst.
Und danach hatte ich von einem Prinzen einen Korb bekommen.
„Solas!“ Einer der Elfen schwang sich so elegant vom Pferd, dass mir die Kinnlade noch weiter herunterklappte. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Solas‘ halb verärgerten, halb belustigten Blick, der auf mir ruhte.
„Tair!“, begrüßte er den Neuankömmling. Er sagte etwas in der Elfensprache, was ich nicht verstand, der andere antwortete in derselben Sprache.
Und dann wendete sich der Neuankömmling, Tair, plötzlich zu mir um – und sagte etwas zu mir in der fremden Sprache.
Ich starrte ihn an.
Siedend heiß wurde mir bewusst, dass noch nie jemand von ihnen versucht hatte, in der Sprache der Elfen mit mir zu reden. Deshalb wusste auch keiner, dass ich sie nicht verstand. Nicht einmal Solas.
Verdammt, verdammt! „Ich...“, fing ich an, unschlüssig, was ich sagen sollte. „Ähm...“ Sollte ich ihm einfach auf französisch antworten und behaupten, das wäre die Sprache der Elfen wo ich herkam? Immerhin wusste keiner, wo das war? „Bonjour“, kramte ich die Sätze in meinem Gedächtnis zusammen, die mir noch einfielen. „Ähm… ca va? La vie, Paris… très bien. Äh, Tair?“
Solas, Tair und die anderen starrten mich an, als hätte ich gerade einen Rückwärtssalto gemacht.
Na gut, blöder Vergleich.
„Wie bitte?“, sagte Solas.
„Was für eine Sprache ist das?“, setzte Tair neugierig hinzu.
Französisch – noch nie in Paris gewesen? „Die Sprache der Elfen, wo ich herkomme“, sagte ich und hob leicht den Kopf.
Ich konnte Solas ansehen, dass er mich schon wieder durchschaute – und mir nicht glaubte. Allerdings hätte ich schwören können, dass er auch leicht bewundernd aussah. Ha! Das hatte er wohl nicht von mir erwartet!
„Wo kommt Ihr her?“ Der Elf klang noch immer neugierig, nicht aggressiv oder misstrauisch.
Ich warf Solas einen raschen Blick zu und öffnete schon den Mund, um irgendeine Lüge aufzutischen, als Solas plötzlich das Gespräch unterbrach.
„Tair, Rose ist verwundet. Wir sollten so schnell wie möglich zu Lilíth und mit ihr reden. Wir haben einige dringende Angelegenheiten, die wir mit ihr besprechen sollten.“
Ich war verblüfft. Hatte er gerade für mich gelogen? Ja, ich war verwundet, doch immerhin war es nur ein Kratzer! Es erforderte überhaupt keine Eile; und auch die anderen Angelegenheiten waren nicht so dringend, oder nicht? Ich meine, wir waren nicht hierher gejoggt oder so; und immerhin hatte er sich auch die Zeit genommen, um mir die Lichter zu zeigen?
Wie immer schaffte er es, mich in kürzester Zeit vollkommen zu irritieren.
Auch Tair schien leicht verwirrt. „Natürlich“, sagte er allerdings sofort – klar, Solas war der Prinz.
Der mir gerade einen Korb gegeben hatte.
Ich spürte einen leichten Stich in meiner Brust. Mein Ego war ziemlich angekratzt und am liebsten hätte ich dem Elfen eine Ohrfeige gegeben – oder ihn angebettelt, mich bitte wieder zu küssen.
„Gebt Solas und seiner Gefährtin zwei Pferde!“, sagte Tair.
Pferde.
Ich hatte mal vor einigen Jahren ein paar Reitkurse belegt; ob mir diese Künste ausreichten, um erfolgreich bis zu Lilíth zu gelangen, wagte ich zu bezweifeln. Allerdings hatte ich mich schon genug verdächtig gemacht, deshalb sagte ich nichts.
Die Elfen brachten zwei wunderschöne Stuten zu uns – zumindest glaubte ich, es waren Stuten. Ich redete mir einfach ein, dass die Pferde weiblich waren, weil ich dann weniger Angst hatte.
Ich lief zu einem der Pferde hin. „Hallo, du“, sagte ich leise. Dann sah ich zu Tair. „Sie ist wunderschön.“
Er sah mich irritiert an.
Solas sah aus, als müsse er sich ein Lachen verkneifen. „Er ist ein Hengst.“
Shit.
Der Elf blickte zu den Schneeelfen „Geht voran“, befahl er. „Rose und ich folgen euch.“
Auch wenn sein Befehl schon wieder Verwirrung auszulösen schien, wagte keiner zu widersprechen. Die Elfen zogen ab; genauso schnell und plötzlich, wie sie gekommen waren.
Ich hoffte, dass Solas jetzt vielleicht erklären würde, warum er mich vorhin einfach so weg geschubst hatte – na gut, nicht wörtlich, aber fast.
Stattdessen sah er mich scharf an. „Du verstehst die Elfensprache nicht?“
Ich zwang mich, ebenso scharf zurückzublicken. „Du verstehst meine Elfensprache auch nicht.“
„Deine Elfensprache?“ Ungläubig sah er mich an.
„Die, wo wir sprechen, wo ich herkomme!“, blaffte ich ihn an. „Oder bildest du dir ein, du kennst die ganze Welt nur weil du uralt bist?“
„Uralt?“ Er runzelte die Stirn.
„Älter“, schob ich schnell hinterher. Natürlich wusste ich, dass 1500 Jahre für einen Elfen vermutlich überhaupt gerade das Gegenteil von uralt waren – allerdings war ich im Moment so wütend auf ihn, dass ich solche Details außer Acht ließ.
„Können wir jetzt bitte los reiten?“, blaffte ich schließlich, weil ich seinen Blick nicht mehr länger auf mir spüren wollte. Ich ergriff die Zügel meines Pferdes – und dann sah ich nach oben; der Sattel auf dem Rücken des Hengstes schien weiter entfernt zu sein als der Gipfel des Berges.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich dort hinaufkommen sollte. Hilflos bemühte ich mich, meinen Körper dort hoch zu manövrieren. Ich schaffte es nicht. Gleichzeitig war ich mir peinlich bewusst, dass er mich noch immer beobachtete.
„Hast du überhaupt schon einmal ein Pferd gesehen?“, sagte er schließlich. Es klang nicht spöttisch, nur verwundert.
„Natürlich!“, schnauzte ich ihn an.
„Warum dachtest du dann, es sei eine Stute?“, fragte er.
In dem Moment riss meine Geduld. Ich wirbelte herum; beinahe hätte ich ihm mit meinem Finger ins Auge gestochen. „Warum? Warum? Was stellst du überhaupt so viele Fragen?“, blaffte ich. „Soll ich vielleicht mal meine stellen?
Gleich einmal angefangen mit Warum küsst du mich die ganze Zeit wenn du mir überhaupt nicht vertraust?. Oder noch besser Warum küsst du mich und bringst dann einen Sicherheitsabstand von drei Metern zwischen uns wenn deine Elfenfreunde kommen? Wenn du mir diese Fragen beantwortest, bitteschön, dann erfährst du meine Antworten. Vorher nicht!“
Ich versuchte erneut, mich in den Sattel zu schwingen, weil ich seinen ungläubigen Blick nicht mehr ertragen konnte. Dieses Mal war ich so voller Wut und Adrenalin, dass es mir gelang.