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Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch - Ludwig Bechstein


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sein Lebetag

       nichts wieder von sich hören und sehen lassen, und so

       glaubten die beiden Alten, ihr Einziger sei lange tot

       und bei Gott gut aufgehoben.

       Nun saßen einstmals die beiden Alten vor ihrer

       Haustür, an einem Feiertage, da fuhr zum Dorfe herein

       ein stattlicher Wagen, den zogen sechs schöne

       Rosse, und darin saß ein einzelner Herr, hintenauf

       stand ein Bedienter, dessen Hut und Rock von Gold

       und Silber nur so starrte. Der Wagen fuhr durch das

       ganze Dorf, und die Bäuerlein, die gerade aus der Kirche

       kamen, meinten schier, es fahre ein Herzog oder

       gar ein König vorbei, denn solche Pracht konnte der

       Edelmann, der droben im alten Schloß wohnte, nicht

       aufwenden. Da hielt mit einem Male der Wagen vor

       dem letzten Häuslein still, der Bediente sprang vom

       Bocke und öffnete dem darin sitzenden Herrn den

       Schlag, welcher ausstieg, und auf die beiden Alten zueilte,

       die sich ganz bestürzt von ihrer Bank erhoben

       hatten. Er bot ihnen freundlich guten Tag und Handschlag

       und fragte, ob er nicht ein Gericht Kartoffelhütes

       (Klöße) mit ihnen essen könne? Darüber verwunderte

       sich am meisten das Mütterlein, aber der junge

       hübsche und sehr vornehm gekleidete Herr stillte alsbald

       ihr Staunen, indem er sagte, daß ihm noch kein

       Koch diese Hütes habe recht machen können, er wolle

       sie einmal von Landleuten zubereitet essen, wie in

       seiner Jugend. Da luden die Alten den edlen Junker,

       für den sie den Fremdling hielten, freundlich in ihre

       Hütte, und er ließ den Wagen mit Kutscher und Bedienten

       einstweilen in das Wirtshaus fahren. Das

       Mütterlein holte eilends Kartoffeln aus dem kleinen

       Keller des Häusleins herauf, schälte, rieb und preßte

       sie, ließ Wasser sieden, tat die geballten Klöße, zu

       denen sie etwas Schmalz getan, hinein, und segnete

       dieses Essen mit dem frommen Spruch: »Gott behüt

       es«, davon denn auch die Klöße an vielen Orten Südthüringens

       Hütes heißen. In dieser Zeit, daß die Alte

       ihr Mahl bereitete, war ihr Mann mit dem Fremdling

       in das Hausgärtchen gegangen, wo er an kurz zuvor

       gepflanzten jungen Bäumen sich eine kleine Beschäftigung

       machte, und nachsah, ob die Pfähle, an welche

       die Stämmchen mit Weide gebunden waren, noch fest

       hielten, und der Wind keine Weide losgerissen hatte,

       und wo dies geschehen war, da band der Alte jedes

       Stämmchen wieder fest. Da hub der junge Fremde an

       zu fragen: »Warum bindet ihr dieses kleine Stämmchen

       dreimal an?« – »Ja!« sprach der Alte, »da hat es

       drei Krümmen, darum bind ich's fest, daß es gerade

       wächst.« – »Das ist recht, Alter!« sprach der Fremde;

       »aber dort habt ihr ja einen alten krummen Knorz von

       Baum! Warum bindet ihr den nicht auch an einen

       Pfahl auf, daß er gerade wird?« – »Hoho!« lachte der

       Alte: »alte Bäume, wenn sie krumm sind, werden

       nicht wieder gerad. Wenn man sie gerade haben will,

       muß man sie jung gut ziehen.« – »Habt ihr auch Kinder?

       « fragte der Fremde weiter. »O lieber Gott, Euer

       Gnaden!« antwortete der Mann, »gehabt hab ich einen

       Jungen, war ein erzer Nichtsnutzer, hat wilde böse

       Streiche gemacht, und ist mir zuletzt davon gelaufen,

       und sein Lebtag nicht wiedergekommen. Wer weiß,

       wo ihn der liebe Gott hingeführt hat, oder der

       Böse.« – »Warum habt ihr denn euern Sohn nicht bei

       Zeiten gerad gezogen, wie diese da, eure Bäumchen!«

       sprach betrübt und vorwurfsvoll der Fremde. »Wenn

       er nun ein ungeratner krummer Knorz und Wildling

       worden, so ist's eure Schuld. Aber wenn er euch nun

       wieder unter die Augen käme, würdet ihr ihn wohl erkennen?

       « – »Weiß auch nicht, lieber Herr!« erwiderte

       der Bauer: »er wird wohl in die Höhe geschossen

       sein, wenn er noch lebt, doch hatte er ein Muttermal

       am Leibe, daran allenfalls könnt ich ihn kennen. Der

       kommt aber doch erst am Nimmermehrstag wieder

       heim.« Da zog der Fremde seinen Rock aus, und zeigte

       dem Alten ein Muttermal; der schlug die Hände

       übern Kopf zusammen, und schrie: »Herr Jes's! Du

       bist mein Sohn – aber nein – du bist so schrecklich

       fürnehm. Bist du denn ein Graf geworden, oder gar

       ein Herzog?« – »Das nicht, Vater«, sprach der Sohn

       leise, »aber etwas anders, ein Spitzbub bin ich geworden,

       weil ihr mich nicht gerade gezogen habt, doch

       laßt's gut sein, ich hab meine Kunst tüchtig studiert,

       bin nicht etwa so ein miserabler Pfuscher, wie's ihrer

       viele gibt.«

       Der alte Mann war ganz stumm vor Schreck und

       vor Freude, führte den Sohn an der Hand ins Haus,

       und zur Mutter, die justement die Klöße fertig hatte

       und auftrug, und sagte ihr alles. Da fiel das Mütterlein

       ihrem Sohn an das Herz und um den Hals, küßte

       ihn und weinte und sagte: »Dieb hin, Dieb her! Du

       bist doch mein lieber Sohn, den ich unterm Herzen

       getragen habe, und mir hüpft das Herz hoch in der

       Brust, daß ich dich in meinen alten Tagen wieder gesehen!

       Ach, was wird dein Herr Pate sagen, droben

       auf dem Schloß der Edelmann!« – »Ja!« sprach dazwischen

       der Vater, während alle drei nun miteinander

       tapfer in die Klöße einhieben: »Dein Herr Pate

       wird nichts von dir wissen wollen, bei so bewandten

       Umständen, wie es mit dir steht; er wird dich am Ende

       an dem lichten Galgen zappeln lassen.« – »Nun, besuchen

       will ich ihn doch, den Herrn Paten!« antwortete

       der Sohn, ließ seinen Wagen anspannen und fuhr

       aufs Schloß hinauf.

       Der Edelmann war sehr erfreut, seinen Paten, den

       er als armes Kind aus Gnaden zur Taufe gehoben, so

      


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