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Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.

Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch - Ludwig Bechstein


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Frau!« rief

       leise der Edelmann, nahm die Pistole, zielte gut,

       drückte los, und schoß den Räuber mitten durch den

       Kopf, dieser wankte und gleich darauf hörte man

       unten einen schweren Fall. »Der steht nicht wieder

       auf«, sprach der Edelmann, »doch möcht ich Aufsehen

       vermeiden, ich will deshalb geschwind die Leiter

       hinunter steigen, daß im Hause kein Lärm wird, und

       den Erschossenen bei Seite schaffen.« Das war der

       Edelfrau recht, und ihr Mann tat, wie er gesagt. Bald

       darauf kam er wieder herauf und sprach zur Frau: »

       Der ist mausetot, ich will dem armen Teufel aber

       doch, ehe ich ihn in die Grube werfe, in einen Leinlacken

       hüllen, und da er um deines Ringes willen sein

       Leben hat lassen müssen, so wollen wir ihm diesen

       anstecken; gib mir den Ring und auch das Bettuch.«

       Die Frau gab beides her, und jener stieg eilend wieder

       hinunter. Es war aber nicht der Edelmann, sondern

       der Meisterdieb, der, um sein Stücklein auszuführen,

       vom ersten besten Galgen (damals gab es in Deutschland

       noch alle Wege viele Galgen), einen frisch Ge-

       henkten abgeschnitten und ihn dann auf seine Schultern

       geladen hatte, als er die Leiter emporstieg. Wie

       drinnen der Schuß fiel, ließ er den Leichnam hinunter

       stürzen, stieg eilend die Leiter herab und versteckte

       sich. Und wie nun der Edelmann herunter kam, und

       sich mit dem vermeintlich Erschossenen zu schaffen

       machte, wischte er rasch hinauf ins Zimmer der Frau,

       ahmte des Paten Stimme nach und forderte Ring und

       Bettuch.

       Am andern Morgen sah der Edelmann wieder nach

       seiner Gewohnheit zum Fenster hinaus, da ging drunten

       ein Mann auf und ab, der hatte, wie es schien,

       Leinwand zu verkaufen, mindestens trug er ein zusammengeschlagenes

       Bündel über der Schulter, und

       ließ einen schönen Ring in der Morgensonne blitzen

       und funkeln. Mit einem Male rief der Mann hinauf:

       »Schönsten guten Morgen, Herr Pate! Ich wünsche

       Ihnen und der Frau Patin recht wohl geruht zu

       haben!« – Der Edelmann war wie vom Donner gerührt,

       als er seinen Paten, den er die vorige Nacht mit

       eigner Hand erschossen und mit derselben Hand in

       eine Grube geworfen, leibhaftig stehen sah, und fragte

       hastig seine Frau nach Ring und Tuch. »Nun, du hast

       mir's ja diese Nacht abverlangt!« erwiderte die Dame.

       »Der Satan! Aber ich nicht!« tobte der Edelmann –

       doch gab er sich bald wieder, in Erwägung, daß der

       kühne Dieb noch mehr hätte nehmen können. Er

       machte dem Paten eine Faust zum Fenster hinaus und

       rief: »Erzgauner! Das dritte! Das dritte bringt dich sicherlich

       an den Galgen!«

       In der nächsten Nacht darauf begab sich etwas

       Seltsames auf dem Gottesacker. Der Schulmeister, der

       diesem zunächst wohnte, wurde es zuerst gewahr und

       meldete es dem Herrn Pfarrer. Über den Gräbern wandelten

       kleine brennende Lichtlein in unstäter Bewegung

       umher. »Das sind die armen Seelen, Schulmeister!

       « flüsterte der Pfarrer mit Grausen. Plötzlich erschien

       eine große schwarze Gestalt auf den Stufen der

       Kirchtüre, die rief mit hohlem Tone:

       »Kommt all zu mir, kommt all zu mir,

       Der jüngste Tag ist vor der Tür!

       O Menschenkinder, betet still!

       Die Toten sammeln schon ihr Gebein!

       Wer mit mir in den Himmel will,

       Der kreuch in diesen Sack hinein!«

       »Wollen wir?« fragte der Schulmeister den Pfarrer mit

       Zähneklappern. »Zeit wär's, vorm Torschluß. Der heilige

       Apostel Petrus ruft uns, das ist keine Frage. Aber

       Reisegeld?« – »Ich habe mir zwanzig Kronen erdarbt

       «, wisperte das Schulmeisterlein. »Ich habe hundert

       Dicketonnen (Laubthaler) für den Notfall zurückgelegt!

       « sprach der Pfarrer. »Holen wir's und neh-

       men's mit!« riefen beide und taten also, dann näherten

       sie sich der schwarzen Gestalt mit Furcht und Zittern.

       Diese war der Meisterdieb; er hatte Krebse gekauft

       und ihnen brennende Wachslichterlein auf den Rükken

       geklebt, das waren die armen Seelen, hatte einen

       Mönchsbart und eine Mönchskutte, und einen Hopfensack,

       in den er die beiden Schwarzröcke aufnahm,

       nachdem er ihnen ihr Erspartes abgenommen. Jetzt

       schnürte er den Sack zu und schleifte ihn hinter sich

       her durch das Dorf und durch einen Tümpfel, wobei

       er rief: »Jetzt geht's durch das Rote Meer!« dann

       durch den Bach: »Jetzt geht's durch den Bach Kidron

       «, dann durch die Schloßflur, allwo es kühl war:

       »Jetzt geht's durch das Thai Josaphat«, dann zur

       Treppe hinauf: »Dieses ist schon die Himmelsleiter«,

       endlich hing er den Sack im Schornstein auf an einen

       Haken, daran man die Schinken räuchert, machte darunter

       einen ziemlichen Qualm und rief mit schrecklicher

       Stimme: »Dieses ist das Fegefeuer! Dieses dauert

       etwelche Jahre!« und machte sich fort. Da schrieen

       Pfarrer und Schulmeister Zeter Mordio, daß das ganze

       Hausgesinde zusammen lief. Der Meisterdieb aber

       trat kecklich zum Edelmann: »Herr Pate, meine dritte

       Probe ist auch gelöst. Pfarrer und Schulmeister hängen

       im Schornstein, und so es Euch gefällig, könnt Ihr

       sie selber zappeln sehen und schreien hören!« – »O

       du Erzschalk und Erzgauner, du Erzbösewicht und

       Meisterdieb aller Meisterdiebe!« rief der Edelmann

       und gab gleich Befehl, jene aus dem Fegefeuer zu erlösen.

       »Du hast mich überwunden, hebe dich von

       dannen! Hier hast du ein Goldstück. Hebe dich von

       dannen, komme mir nicht wieder vor Augen, und laß

       dich für dein Geld henken, wo es dir gefällig ist.«

       »Danke zum allerschönsten,


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