Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
sich ihm zu erkennen gab. Aber darüber freute er sich
nicht im mindesten, als auf Befragen, was er denn in
der Welt geworden sei, der junge Pate zur Antwort
gab, er wäre ein ausgelernter Spitzbube geworden.
Sann also bald darüber nach, wie er mit guter Art
einen so gefährlichen Menschen in Zeiten los werden
möchte.
»Wohlan!« sprach der Edelmann zu seinem Paten,
»wir wollen sehen, ob du das Deinige ordentlich gelernt
hast, und ein so großer Dieb geworden bist, den
man mit Ehren laufen lassen kann, oder nur so ein
kleiner, den man an den ersten besten Galgen henkt.
Letzteres werde ich in meinem Gerichtsbann mit dir
unfehlbar tun, wenn du nicht die drei Proben bestehst,
die ich dir auferlegen werde!« – »Nur her damit, gestrenger
Herr Pate! Ich fürchte mich vor keiner Arbeit.
«
Der Edelmann sann eine kleine Weile nach, dann
sprach er: »Hör an! Dieses sind die drei Proben. Zum
ersten: stiehl mir mein Leibpferd aus dem Stalle, den
ich wohl bewachen lasse von Soldaten und Stalleuten,
die jeden totschlagen, der Miene macht, in den Stall
zu dringen. Zum andern stiehl mir, wenn ich mit meiner
Frau im Bette liege, das Bettuch unterm Leibe
weg, und meiner Frau den Trauring vom Finger, doch
wisse, daß ich geladene Pistolen zur Hand habe. Zum
dritten und letzten – und merke, das ist das schwerste
Stück: stiehl mir Pfarrer und Schulmeister aus der
Kirche und hänge sie beide lebend in einem Sack in
meinen Schornstein. Tor und Türen im Schlosse sollen
dir dazu offen stehen.«
Der Meisterdieb bedankte sich freundlich bei seinem
Herrn Paten, daß er ihm so leichte Stücklein aufgegeben,
und ging seiner Wege, um in nächster Nacht
gleich das erste Stück auszuführen. Der Edelmann traf
alle Anstalten, sein Leibroß gut bewachen zu lassen.
Sein erster Reitknecht mußte sich darauf setzen, ein
anderer Diener mußte den Zaum fassen, ein dritter den
Schwanz, und vor die Türe ordnete der Herr eine Soldatenwache.
Die wachten und wachten, froren und
fluchten, denn es war kalt, und alle waren durstig; da
zeigte sich ein altes müdes Mütterlein, das trug ein
Fäßlein auf einem Korbe, hüstelte schwer und keuchte
zum Schloßhof hinein. Das Fäßlein weckte in der
Seele der Soldaten ganz besonders anziehende Gedanken,
nämlich die, daß möglicherweise Branntwein
darin sein könne, und daß Branntwein ein Spezifikum
gegen den Nachtfrost sei und gegen die bösen Nebel.
Riefen daher das alte Mütterlein zum Feuer, daß
sich's wärme, und forschten nach dem Inhalt des Fäßleins.
Richtig geahnet! Branntwein war darin, und
noch dazu veredelter, Doppelpomeranzen, Spanischbitter
oder so eine Sorte. Auch war das Fäßlein nicht
tückischer Weise verpicht und verspundet, sondern es
war ein Hähnlein daran, und die Frau hatte, das war
das Beste, den Branntwein zu verkaufen. Da kauften
die Soldaten ein Becherlein ums andere, riefen's auch
den Wächtern im Stalle zu, daß draußen im Hofe der
Weizen blühe, und das alte Frauchen hatte alle Hände
voll zu tun mit Einschenken, so daß ihr Fäßlein schier
leer war. Die alte Frau war aber kein anderer Mensch
als der Erzdieb, der sich gut verkleidet und in den
Schnaps einen barbarischen Schlaftrunk gemischt
hatte. Es währte gar nicht lange, so fiel ein Soldat
nach dem andern in Schlaf und den Wächtern im Stalle
fielen auch die Augen zu, und es war gut, daß der
Dieb schon im Stalle bei dem Pferde stand, so konnte
er den Reitknecht in seinen Armen auffangen, als dieser
gerade vom Pferde fiel, und ihn sanft rittlings auf
die Schranke setzen und was weniges anbinden, damit
der gute Mensch nicht etwa auch da herunter falle und
Schaden leide. Dem Leibkutscher, der den Zaum hielt,
und in der Ecke schnarchte, lieh der Dieb einen Strick
in die Hand, und dem Stallknecht statt des Roßschweifes
ein Strohseil. Dann nahm er eine Pferdedekke,
schnitt sie in Stücken, wickelte sie um des Rosses
Füße, schwang sich in den Sattel, und heidi, hast du
nicht gesehen – zum Stall und zum offen gebliebenen
Schloßtor hinaus.
Als es heller Tag geworden, sah der Edelmann zum
Fenster hinaus, und sah einen stattlichen Reiter daher
galoppiert kommen, auf einem nicht minder stattlichen
Roß, das ihm so bekannt vorkam. Der Reiter
hielt an, und bot guten Morgen hinauf zum Schloßfenster.
»Guten Morgen, Herr Pate! Euer Pferd ist
Goldes wert!« – »Ei daß dich alle Teufel!« rief der
Edelmann, wie er sah, daß das Pferd seine Schecke
war. »Du bist ein Gaudieb! Nu, nu – nur zu! Laß
deine Kunst weiter sehen!« Der Edelmann nahm seine
Reitpeitsche und ging nach dem Stalle voller Zorn;
als er aber die wunderlichen Gruppen der noch immer
schlafenden Wächter sah, mußte er laut auflachen; gedachte
aber bald in seinem Herzen: wenn der Gauner
diese Nacht kommt, mir das Bettuch zu stehlen, will
ich ihm eine Kugel durch den Kopf schießen, denn
solch einen gefährlichen Kerl möchte ich nicht in meiner
Nähe wissen.
Da nun die Nacht herbeigekommen war, legte sich
der Edelmann mit seiner Frau zu Bette, und neben
sich legte er eine geladene Pistole und unterschiedli-
che andere Wehr und Waffen, schlief auch nicht ein,
sondern blieb wachsam, horchte und lauschte, ob sich
nichts regte. Lange blieb alles still, jetzt endlich, es
war schon ziemlich dunkel, war es, als würde eine
lange Leiter angelehnt, und bald darauf wurde draußen
am Fenster die