Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
im Wind, und droben
an seinem Abhang standen die sieben Schwaben
und lugten hinunter, wie sie wohl am geschwindesten
über diesen See kommen möchten. Es war aber kein
Wasser da drunten, sondern ein Feld voll Flachses,
der so recht in seiner schönsten, blauen Blüte stand.
»Hotz Blitz!« rief der Blitzschwab, »was ischt doh
z' tuan? Über des wild Wasser müßet mer nüber.«
»Allgäuer, trag du es nüber, wie der hoilich Krischdof
ed Pilgersleut«, sagte der Seehaas. – »Bygott!«
antwortete der Allgäuer, »ins Wasser gieng i wohl,
wenn's net tiefer gieng als an de Hals.« Der Nestelschwab
griff mit der Hand an seinen Hosenbund, das
edle Kleidungsstück fest zu halten, daß es ihm nicht
entfalle, während er mit der andern Hand schwimmen
täte; dem Knöpflesschwab war das Ding gar nicht einerlei,
er lugte scharf, ob kein Haifisch, Wallfisch
oder Krokodil im Wasser brause; und so standen auch
die andern ganz verlegen da, bis der Blitzschwab sich
hinter ihnen herumdrückte und ein Paar hinunterstieß,
indem er ausrief: »Frisch gwohgt ischt halb gschwomme.
« Da die nicht untersanken, faßte sich auch der
Gelbfüßler ein Herz und tat einen Hupf hinunter; ihm
folgte der Blitzschwab und der Nestelschwab mit besserem
Vertrauen, und zuletzt ritt der Allgäuer auf dem
Spieße hinab, und plumpte drunten einer auf den andern,
bis sie merkten, daß sie mit der Nase ins Feld
gefallen waren, und allgemach mit etwas gequetschten
Rippen sich wieder aufmachten, den Spieß auffischten
und an ihm wiederum fürbaß schritten.
Bis zur Stunde hatten die sieben einträchtig an dem
Spieße gehalten, war weder Unrecht noch Unfried
zwischen ihnen vorgekommen. Da kam der böse
Feind und säete Zwietracht zwischen dem Blitzschwab
und dem Spiegelschwab mitten hinein. Das
trug sich folgendermaßen zu. Als die Schar ein gut
Stück weiter kam, war es schon Nacht und der Mond
ging eben auf. Da wurde es dem Spiegelschwab wunderlich
zu Mute, just wie daheim und meinte: »Jetzt
hent mers gwonne, Memmenge ischt nemme weit.«
Lugt ihn der Blitzschwab verwundert an und fragt,
wie er das wissen könne. Der Spiegelschwab lachte
pfiffig: »Werd joh doch de Memmenger Mond
kenne.« Drob lachte jener, daß ihm das Wasser aus
den Augen rannte, und schrie: »Hotz Blitz! Gsell, wie
bischt du so blitzdumm!« Nun vertrug zwar der Spiegelschwab
einen derben Puff, hatten ihn oft schon
kurz und lang geheißen, aber für dumm gelten wollte
er nicht. Das war so eben seine empfindliche Seite.
Dies kaum gesagt, hatte der Blitzschwab daher auch
schon seine Dachtel. Fuhren nun zusammen die beiden,
gerade wie ein paar Metzgerhunde und draschen
sich schier um die Wette, den andern zur Kurzweil,
bis endlich der Seehaas den Allgäuer bat, Frieden zu
stiften. Der ließ sich nicht lange bitten, sondern packte
sogleich den Blitzschwaben am Hosenbündel und
hielt ihn in der Luft, wie einen Frosch; er mochte zappeln,
wie er wollte. Inzwischen ließ der Spiegelschwab
nicht nach, den Blitzschwaben aufs Brett zu
klopfen; daher ergriff der Allgäuer auch diesen und
hielt ihn am Leibe unter der Gurgel so steif und fest,
daß er bockstarr da stand und nicht mucksen konnte.
»Bygott!« rief der Herr Schulz, »i will euch Mores
lehre, ihr donnderschlechtige Strohlkerie.« Schüttelte
den einen und drosselte den andern immer ärger und
ärger, bis sie endlich einander das Wort gegeben, daß
sie wieder gut Freund sein wollten, was sie denn auch
geblieben von der Zeit an bis an ihren Tod.
Es wies sich auch bald aus, daß der Spiegelschwab
gar nicht so dumm gewesen, wie der Blitzschwab allermeist
geglaubt, denn als sie zwei Viertelstunden
Weges gegangen, kamen sie richtig nach Memmingen,
wie jener aus dem Monde prophezeit. Aber als
ob just dieses Städtlein dem Spiegelschwaben heut
nur Unglück bringen sollte, so geschah es alsbald
wieder, daß es dem Armen zu Haut und Haaren ging.
»Durch Memmenge ganget mer net«, hatte er gesagt
und als man ihn ob der Ursache gefragt, hatte er den
Kopf geschüttelt und gemeint, er wisse das selbst am
besten! Gingen deshalb ringsum die Stadtmauer, die
sieben, um just am andern Ende wieder die Heerstraße
zu gewinnen. Aber da hat sich's denn wiederum augenfällig
gezeigt, daß der Mensch seinem Schicksal
nicht entgehen könne. Denn ehe sich's der Spiegelschwab
versehen, sprang aus einem Hopfengarten ein
Weib auf ihn zu, eine rechte Runkunkel, und schrie in
einem Ton, der durch Mark und Bein ging: »Bischt
endlich wieder doh, du Schlingel? Wo bischt so lang
rumkalfaktert, du Galgenstrick?« Dem Spiegelschwab
wurde es grün und gelb vor den Augen und vermeinte,
sein Ende sei gekommen, denn die Alte war niemand
anders, als seine liebwerte Ehehälfte, die er mir nichts
dir nichts sitzen gelassen, als er hinausgezogen war
mit den andern Gesellen auf die Wanderschaft. Hier
galt's, nicht lange zu überlegen, war daher flugs mit
einem Satze hinüber in die Hopfengärten zum großen
Jubel der andern, die schier bersten wollten vor Lachen.
Aber die Alte, schnell wie eine Bachstelze auf
den spindeldürren Füßen, war hurtig hinterdrein und
es hätte wohl einen argen Strauß gegeben zwischen
den beiden, wenn dem Spiegelschwaben nicht gerade
zu guter Stunde ein Schelmenstückchen eingefallen
wäre. Er hatte nichts zu tragen, weil er nichts hatte als
das Bärenfell; das tat ihm nun guten Dienst. Eilig
warf er es über den Kopf, schlüpfte behend in die Tatzen