Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
welchen er den Gesellen mitteilte.
Wie also der Scherg Mittags eine große Pfanne
voll kleiner Klöße, die sie Milchspätzle nennen,
brachte, sprach der Blitzschwab zum Knöpflesschwaben:
»Die ghairet wohl for di?« Der Scherg meinte,
das sei wohl für alle genug. Der Knöpflesschwab aber
sagte, er wolle lugen, ob's für ihn lange, setzte sich
und aß die Pfanne allein aus, so daß kein Krümchen
noch Bröckchen übrig blieb. Der Scherg erschrak und
lief zum Junker, meinend, man müsse für die Landstreicher
eine ganze Braupfanne voll Spätzle auf einmal
kochen, und das sei, dünke ihm, noch nicht
genug. Da ging der Junker von und auf Kronburg in
sich und meinte, er sei dem schwäbischen Kreis und
der Menschheit kein so großes Opfer schuldig, daß er
sich aushungern lassen sollte in seinem Schloß um einiger
wenigen Strolche willen. Stracks wurden die
sieben in Freiheit gesetzt, nur daß ihnen der Junker
noch einen Steckbrief mit auf den Weg gab, um andere
Behörden und Kerkerknechte pflichtschuldigst vor
des Knöpflesschwaben großer Freßsucht zu warnen.
Nach mehr als einem andern Abenteuer, das zu viel
wäre zu erzählen, gelangten die Schwaben an einen
großen See, und da sagte der Seehaas, der ihn gleich
erkannte: »Des ischt der Bodesee.« An dessen Ufer
sollte, wie die Sage ging, das gefährliche Ungeheuer
hausen, welches zu bekämpfen und zu erlegen die sieben
Schwaben sich bekanntlich fest vorgenommen
hatten. Da sie nun des Sees ansichtig geworden und
zugleich des Waldes, in dem das Ungeheuer sich aufhielt,
man wußte nicht, war es ein greulicher Lindwurm,
oder ein feuerspeiender Drache, so fiel ihnen
zumeist das Herz in die Hosen, sie machten Halt und
zündeten ein Feuerlein an, auf daß der Knöpflesschwab
noch zu guter Letzt (denn wer konnte wissen,
ob das Untier sie nicht allesamt mit Haut und Haar
verschlingen werde, mit oder ohne Spieß), eine Mahlzeit
Knöpfle oder Spätzle bereite, und stellten während
dem Essen Todesbetrachtungen an. »Joh«, sagte
der Allgäuer und seufzte recht von unten 'rauf, »'s
ischt e Sach, wenn mer bei sich so recht bedenkt, daß
mer zum letzten Mohl in seim Leben z'Mittag ißt.«
Und wieder seufzte er und sagte: »'s ischt e Sach!«
und der Knöpflesschwab fing an still vor sich hin zu
flennen, wobei er jedoch des Essens nicht vergaß. Als
aber der Allgäuer zum dritten Mal ganz erschrecklich
tief seufzte und sagte: »'s ischt e Sach!« da fingen sie
alle an so erbärmlich zu flennen und zu heulen, daß es
einen wilden Heiden hätte erbarmen können. Der Nestelschwab
allein ließ sich das Sterben nicht zu Herzen
gehen; denn, sagte er, mein Mutter hat mir oft gesagt,
daß mein Stündlein gar niemals kommen würde.
Heulte aber dennoch aus gutem Willen zur Gesellschaft
mit. Als sie aber endlich nicht mehr konnten,
fiel's ihnen doch ein, daß es Zeit sei, ihre Schlachtordnung
herzurichten; dabei gab es aber allerlei Span
und Zwietracht. Der Allgäuer sagte, er sei bislang
emmer der vorderscht gwe, 's wär jetzt Zeit, daß er au
emohl der henterscht sei, und es soll der Blitzschwob
voran. Der meinte aber: »Curasche han i gnueg em
Leib, aber net Leib gnueg for d' Curasche und dehs
Bescht von Ongheuer.« Der Spiegelschwab wischte
sich die Nase am Ärmel und tat den Vorschlag, es
solle doch wohl besser sein, wenn einer für alle sterbe,
und meinte, der Knöpflesschwab können ihnen
diesen kleinen Gefallen tun; der aber schrie Zetermordio,
als habe ihn das Ungeheuer schon am Schlafittich.
Und so sprachen und stritten sie noch eine Weile
hin und her, bis sie sich friedsam einigten und hurtiglich
mit ihrem Spieße vorwärts schritten, gerade auf
den Wald zu, wo das Untier hausen sollte. Ehe sie
den erreichten, kamen sie an einen Rain davor, da saß
ein Has und machte ein Männlein, und streckte die
langen Löffel in die Höh; das war den Schwaben
grauentlich anzuschauen, hemmten darum ihren
Schritt, hielten Rat und besannen sich, ob sie vorwärts
rücken und aufs Untier einrücken sollten mit
lang vorgestrecktem Spieß, oder ob sie sich zur
Flucht wenden sollten; doch hielt jeder fest am Spieß.
Da nun der Veitle hinten am meisten in Numero Sicher
war, schwoll ihm der Kamm und er schrie dem
Schulzen zu, der vorne stand:
»Stoßt zue in äller Schwobe Name,
Sonscht wünscht ih, daß ihr möcht erlahme!«
Der Hans, des Veitle Gehlfießlers Vordermann,
Knöpflesschwab, spottete der Curasche des Veitle,
indem er sagte:
»Beim Element, du hoscht guat schwätze,
Du bischt der letscht beim Drachahetze!«
Dem Michel sträubte die Herzhaftigkeit das Haar
empor, er blickte gar nicht hin nach dem Ungeheuer,
sondern sprach mit abgewandtem Gesicht, indem er
den Ärmel seinem Gesicht näherte:
»Es wird net fehle um a Hoar,
So ist es wohl der Teufel gar!«
Jergle lugte dem Michel ins Gesicht, und schauete
auch gar nicht hin nach dem Bescht von Ungeheuer,
indem er zaghaft beistimmte:
»Blitz! ischt er's net, so ischt's sei Mueder,
Oder's Teufels sei Stiefbrueder!«
Dem Marle Nestelschwab, der sich schon ziemlich
weit vorn am Spieß befand, daran die Schwaben gin-
gen, gefiel sein Platz nicht, und er hatte einen guten
Einfall; er kehrte sich auch um, da er nicht für nötig
fand, das Ungeheuer anzusehen, und rief dem Veit zu:
»Gang, Veitle, gang, gang du vorahn,
I will dohente for di stahn!«