Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
leibhaftiger Bär, rannte brummend auf das Weib zu,
umfing sie mit den scharfen Krallen und drückte und
herzte sie, daß ihr Hören und Sehen verging. Die Alte
war froh, als sie dem Schalk entronnen, der nun freudig
mit den andern von dannen zog. Von Stund an
aber schreibt sich der Brauch, daß böse Männer von
ihren Ehehälften gar häufig Brummbären genannt
werden.
»Uf Leid folgt Freid!« rief der Allgäuer und zeigte
nach dem Leutkircher Tor, wo ein Wirtshaus stand,
über dessen Tür zu lesen war: »Hier schenkt man
Märzenbier aus!« War keiner unter den sieben, der
nicht gern einen Trunk Bier geschenkt genommen
hätte, richteten daher im Nu ihre Schritte nach dem
Wirtshaus und langten mit dem Spieße in der Hausflur
an, in demselben Augenblick, als der dicke Bräuer
vor die Tür trat, nach dem Wetter auszulugen. Als
der die Schar erblickte mit dem furchtbaren Spieß,
wurde es ihm eben nicht warm ums Herz, zog aber
schnell sein Käppchen und fragte höflich nach ihrem
Begehr. »Se wellet e bißle sei Bierbrobiere«, sagte
der Allgäuer und schritt schnurstracks mit den Gesellen
in die Zechstube. Da ward's dem Wirt klar, daß
die Gesandtschaft mit dem Spieße abgeschickt sei von
der schwäbischen Kreisregierung, wie wohl zu Zeiten
geschieht, um das Bier zu kosten und zu prüfen, ob es
preiswürdig sei. Rannte daher spornstreichs in den
Keller und holte ein Körble vom Besten herauf, wie er
nur für sich und seine Leute gebraut. Das Körble war
leer im Umsehen, das zweite in noch kürzerer Zeit,
und als die sieben in weniger als zwei Stunden nahe
an einen halben Eimer getrunken, meinte der Wirt, er
sehe, daß es ihnen schmecke. Der Blitzschwab aber,
der immer das Maul vorweg hatte, sagte; »'s kennt
besser sei, wenn net z'wenig Malz und Hopfe drin
wär.« »Das ist nicht wahr«, versetzte der Wirt, der ein
Schalk war, »Hopfen und Malz ist nicht zu wenig
darin, aber zu viel Wasser.« Da merkte der Blitzschwab,
daß er seinen Mann gefunden, trank noch ein
Mäßle und sagte den Spruch, der ihm einfiel:
»In Langesalz, in Langesalz
(kennt au Memmenge hoiße, sagte er)
Braut mer drui Bier aus oinem Malz,
Es erschte hoißet se de Kern,
Des drinket d' Burgemoischter gern,
Es andre hoißt es Mittelbier,
Des setzt mer de gmoane Leud fir;
Es dritt des hoißt Covent,
Drink di potz Sapperment!«
Zogen dann allesamt fürbaß und der Wirt in Memmingen
schwört heute noch Stein und Bein, daß das
Häuflein nichts anders gewesen, als des Memminger
Kreises Oberbierbeschauer.
»Uf Leid folgt Freid!« hatte der Allgäuer gesagt,
ohne zu bedenken, daß das weise Sprüchlein umgekehrt
sich noch bei weitem häufiger bewahrheitet. Es
sollte nun einmal Regen und Sonnenschein auf der
abenteuerlichen Fahrt der sieben Gesellen fast immer
abwechseln, drum war's eben kein Wunder, daß das
arme Häuflein gar bald wieder in die Tinte geriet.
Noch drehte und wirbelte es in ihren Köpfen von dem
überreichlich genossenen Märzenbier, da harrte ihrer
schon wieder das tückische Geschick. Zogen eben bei
Kronburg vorüber, da lauschte der gestrenge Herr
Junker aus dem Fenster. Mochte ihm nicht recht geheuer
vorkommen mit der lustigen Schar, die auch
dem Äußern nach nicht eben allzu reputierlich einherzog.
Er rief deshalb seinen Schergen und sagte: »Lug
einmal nach den Landstreichern da drüben – scheint
mir eine saubere Sippschaft zu sein.« Der Scherg
nahm sieben Bullenbeißer mit sich, jeder groß genug,
um zur Not mit einem Bären kämpfen zu können, und
stieg hinab, Jagd auf die unglücklichen Schwaben zu
machen. Hatte sie bald ereilt und da der Blitzschwab
schnippisch war, wie immer, machte der Haltmichfest
kurze Sache und nahm das Häuflein mit sich. Zwar
wollte der Allgäuer nicht so ohne weiteres mitgehen,
als aber die Hunde gar grimmig knurrten, da senkte er
den Spieß mit den Ohren zugleich und trabte hinterdrein.
Wurden nun sämtlich vor den Junker von Kronburg
geführt, der ein strenges Verhör begann. Der
Seehaas machte den Sprecher für alle und erzählte getreulich:
Wie in der Gegend am Bodensee ein
schreckliches Tier hause, und da hätten sie sich denn
als brave Landsleute und biedere Männer zusammengetan
aus allen schwäbischen Gauen, um das Land
vom Ungeheuer zu befreien.
Das aber glaubte der Junker nicht, sondern blieb
bei seiner Meinung, sie seien Strolche und Diebsgesindel,
und ließ sie in das Häusle, das ist, ins Gefängnis
stecken.
»So geht's in Schnitzlebutz Heusle,
Doh singet und tanzet die Meusle
Und bellet die Schnecken im Heusle –«
hat der Blitzschwab im Häusle gesungen, aber ganz
still, wie ein Mäusle.
Es hatte aber der Junker erst Tags zuvor, da ihn das
Zipperlein plagte, den löblichen Entschluß gefaßt, ein
Zuchthaus zu stiften zum Schrecken aller Gauner und
Tagediebe, zu Nutz und Frommen der Bürgerschaft
und zur Aufklärung des gemeinen Volkes. Da kamen
ihm die sieben Schwaben eben recht. Sonst war er ein
gar frommer und milder Herr, der sogar seinen eigenen
Bauern nicht mehr Wolle abschor, als er eben
nötig hatte, um sich selbst warm zu kleiden. Befahl
daher auch, daß man den Gefangenen Nahrung reichen
solle, so weit sie des bedürften. Der Spiegelschwab
aber, der ihn wohl kannte und wußte, daß
Schmalhans