Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
er nicht, worauf der Marle zu Jockele sagte:
»Gang, Jockele, gang, gang du vorahn
Du hoscht Sporn und Stiefel ahn,
Daß di der Drach net beiße kahn!«
Aber Jockele fand seinen Trost darinnen, daß der Allgäuer
an der Spitze des Spießes der sieben Schwaben
und des zu bestehenden Abenteuers stand, und sagte:
»Der Schulz, der mueß der erschte sei,
Denn ehm gebiehrt die Ehr allei.«
Schulz Allgäuer faßte sich ein Herz und sprach mutig,
da es nun einmal in die unvermeidliche Gefahr ging:
»So zieht denn herzhaft in de Streit,
Dohran erkennt mer tapfre Leut.«
Und so ging es in Gottes Namen und im Sturmschritt
auf das Ungeheuer los, und als dem Schulzen das
Herz pfupferte, konnte er sich seiner Angst nicht erwehren
und schrie: »Hau huelhau! Hau, hauhau!« Da
erschrak der Has und gab spornstreichs Fersengeld
querfeldein, und lief, was er laufen konnte. Jetzt rief
Schulz Allgäuer freudiglich:
»Potz Veitle, luag, luag, was ischt das?
Es Ohngeheuer ischt noh e Haas!«
»Hoschts gsehe? Hoschts gsehe?« fragten sich nun
die andern unter einander. »Hotz Blitz! E Ding wie ne
Kalb!« rief der Blitzschwab. Der Nestelschwab tat
seinen größten Fluch: »Mit Verlaub! Daß dih es
Meusle beiß'! E Tier wie ne Mastochs!« »Oho!« rief
der Knöpflesschwab: »En Elefand ischt noh e Katz
gegen des Ohntier.« »Bygott!« erwiderte der Allgäuer,
»wenn des koa Haas gweh ischt, noh woiß i de Dreimänner-
Wei vom Racheputzer net z' unterschaide!«
»Noh, Noh!« vermittelte der Seehaas: »Haas her!
Haas hen! E Seehaas ischt halt greßer und gremmiger,
als älle Haase im heilige remische Reich.« »Wie der
Seewei seurer und herber als älle Wei im heilige remische
Reich«, sagte hinten der Gehlfüßler, und über
diese Anzüglichkeit hätte ihm der Seehaas fast ein
Paar Watscheln gegeben, denn es kränkte ihn schwer,
daß der Veitle über den Seewein spottete, der ihm von
Kindesbeinen an geschmeckt. Mit den Seeweinen verhält
es sich aber also: es gibt ihrer drei Arten, zum ersten
der Sauerampfer, schmeckt nur ein weniges besser
als Essig und verzieht das Maul nur ein bißchen,
zumal wenn man sich daran gewöhnt hat. Die zweite
Gattung ist Dreimännerwein geheißen, steht im Geschmack
nach 10 Grad unter Essig und wurde so getauft,
weil man behauptet, daß derjenige, so ihn zu
trinken verurteilt, von zweien gehalten werden muß,
während ihn ein dritter eingießt. Die dritte Sorte ist
der Rachenputzer, hat die rühmliche Eigenschaft, daß
er Schleim und alles andere abführt, tut aber dabei
not, daß wer sich mit dem Wein im Leib schlafen
legt, in der Nacht sich wecken lasse, damit er sich
umkehren möge, sonst möchte ihm der Rachenputzer
ein Loch in den Magen fressen.
Da nun das Abenteuer mit dem Ungeheuer von den
sieben Schwaben so glückhaft bestanden war, so wurden
sie eins nunmehr von ihren Taten auszuruhen und
wieder friedlich heimzuziehen. Zuvor aber tat not, ein
Siegeszeichen zu errichten, das der Mit- und Nachwelt
ihren Triumph auf ewige Zeiten vermelde. Da
nun unmöglich war, wie vor Zeiten tapfere Ritter
getan, die Drachenhaut in einer Kirche aufzuhängen,
dieweil kein Drache sein Fell zu Markte getragen und
der Has in seinem Balg wohlbehalten entkommen
war, so wurden die guten Gesellen dahin eins, ihr Bärenfell
und ihren Spieß als eine Trophäe in die nächstgelegene
Kapelle zu stiften, die hieß man hernach die
Kapell zum schwäbischen Heiland. Dort wird wohl
der Spieß noch hängen, das Bärenfell aber haben die
Motten verzehrt, und die Sperlinge haben die Haare in
ihre Nester getragen.
Vom Schwaben, der das Leberlein gefressen
Als unser lieber Herr und Heiland noch auf Erden
wandelte, von einer Stadt zur andern, das Evangelium
predigte und viele Zeichen tat, kam zu ihm auf eine
Zeit ein guter einfältiger Schwab, und fragte ihn:
»Mein Leiden-Gesell, wo willt du hin?« Da antwortete
ihm unser Herrgott: »Ich ziehe um, und mache die
Leute selig.« So sagte der Schwab: »Willt du mich
mit dir lassen?« – »Ja«, antwortete unser Herrgott,
»wenn du fromm sein willt und weidlich beten.« Das
sagte der Schwab zu. Als sie nun mit einander gingen,
kamen sie zwischen zwei Dörfer, darinnen läutete
man. Der Schwab, der gern schwätzte, fragte unsern
Herrgott: »Mein Leiden-Gesell, was läutet man da?«
Unser Heiland, dem alle Dinge wissend waren, antwortete:
»In dem einen Dorfe läutet man zu einer
Hochzeit, in dem andern zum Begängnis eines
Toten.« – »Gang du zum Toten!« sprach der Schwab,
»so will ich zur Hochzeit gehn.«
Darauf ging unser Herrgott in das Dorf und machte
den Toten wieder lebendig, da schenkte man ihm hundert
Gulden. Der Schwab tät sich auf der Hochzeit
um, half einschenken, einem Gast um den andern, und
auch sich selbst, und als die Hochzeit zu Ende war, da
schenkte man ihm einen Kreuzer. Das war der
Schwab wohl zufrieden, machte sich auf den Weg und
kam wieder zu unserm Herrgott. Alsbald, wie der
Schwab diesen von weitem sahe, hub er sein Kreuzerlein
in die Höhe und schrie: »Lug, mein Leiden-Gesell!
Ich hab Geld; was hast denn du?« trieb also viel
Prahlens mit seinem Kreuzerlein. Unser Herrgott lachet
seiner, und sprach: »Ach, ich hab wohl mehr als
du!« tät den Sack auf und ließ den Schwaben die hundert
Gulden sehen. Der aber war nicht unbehend, warf
geschwind sein armes Kreuzerlein