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Die Facebook-Entführung. Jürgen HoffmannЧитать онлайн книгу.

Die Facebook-Entführung - Jürgen Hoffmann


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Schon immer.

       Wir sind alle so müde, dass wir gar nicht mehr merken, wie müde und krank wir wirklich sind. Es ist Zeit, die Augen zu öffnen und zu erkennen, wie heilsam es ist, aus unseren monströsen Egos die Luft rauszulassen.

       Deshalb:

       IS!

       IS - nur ohne Gewalt. Ganz ohne Gewalt. IS ohne Gewalt. Deshalb sind wir Christen! IS minus Gewalt plus christliche Barmherzigkeit. Weil wenn wir Gott lieben wir auch unsere Mitmenschen lieben. Die nicht unsere Feinde sind, niemals.

       John Reisner:

       Ja, mit dem Schwert! Anders geht’s nicht. Wir müssen kämpfen, damit dieser ewige - äh - Kampf endlich aufhört. Justus, du bist ein armer Trottel.

       Susmita Booms:

       Homo homini lupus. Diesen ganzen Quatsch hier kennen wir seit wann? Seit unendlichen Zeiten. Justus, dein Bart ist der längste! Setzen, sechs. Schmier dir ein Butterbrot und beiß feste rein. Oder bist du schon so alt, dass deine Zähne wackeln wie Scheiß-Wackelpudding im Septemberwind?

       Clemens Messow:

       Leute, ich bin kein Angeber (hasse ich!) und ich bin auch kein Großkotz (verachte solche Leute!), aber ich bin echt überzeugt davon, dass ich jetzt etwas Wichtiges zu sagen habe. Und ihr darum genau lesen solltet, was ich jetzt gleich schreibe. Werdet ihr das tun? Wenn ihr schlau seid, ja. Wenn nicht, dann nicht.

       Meine Botschaft zum Notieren ins Notizbuch lautet:

       Wir haben noch gar nicht kapiert, was für eine unheimliche Sprengkraft in den sozialen Medien, äh, liegt. Wir sind noch viel zu sehr dem alten Denken verhaftet! Und das geht so: Ist doch völlig scheißegal, was da ein paar verwirrte Wirrköpfe vor sich hin salbadern, kümmert keine Sau, hat null Relevanz. Willst du Einfluss, musst du große Organisationen aufbauen. Aber, Leute: Das war gestern! Das ist altes Denken! Und Facebook, das ist was, das ist das: Disruption! Die Revolution - okay, eine Nummer kleiner - mächtige Bewegungen sind prinzipiell ständig möglich! Von 100 Start-Ups gehen 99 pleite, von 10.000 Chat-Diskussionen versanden 9.974 im Nichts. Bleibt nach Subtraktion aber noch etwas übrig. Und zwar genug, um die Republik hier mal richtig aufzumischen! Warum das noch zu wenig passiert beziehungsweise nur, wenn es um das Niederbrennen von Asylanten-Wohnheimen geht? Weil wir es noch nicht kapiert haben! Weil wir dem Instrument, das wir in den Händen halten, noch nicht vertrauen. Obwohl wir das könnten! Also, was ich damit sagen will: Wenn wir den lächerlichen Sichtschutz in unseren Köpfen erst einmal abmontiert haben, werden wir wunderbare Dinge sehen. Also sollten wir das tun. Abmontage Now!

       Santiago Lübbert:

       Okay, und wofür plädierst du jetzt genau? Für den Aufbau einer terroristischen Vereinigung? Hier auf Facebook? Come on, du bist eine Witzfigur.

       Malte Hecker:

       Nein, ich gebe Clemens Recht, beziehungsweise fast. Recht bis auf einen Punkt. Mein Problem sind Laberstunden ohne Outcome, ohne Tat. Wenn wir nicht aufpassen, wird das hier just another Quasselbude. Deshalb müssen wir ernst machen! Clemens hat vollkommen Recht: Man muss nicht gleich eine Partei gründen, Dinge, die ganz klein sind, können sehr schnell sehr groß werden. Die Wirtschaft hat das kapiert. Was war Instagram vor 5 Jahren, was Air BnB? Wir, DIE ZIVILGESELLSCHAFT, sollten uns ein Vorbild daran nehmen, es gilt: VOM SILICON VALLEY LERNEN HEISST SIEGEN LERNEN. Also, Vorschlag: Wir vereinbaren jetzt erst einmal ein Treffen oder so. Und fangen ganz real an. Mit etwas! Gotta be starting something. De acuerdo?

       Sebastian Molitor:

       (in Wahrheit Hubertus Link, klar)

       Ansage: Ich werde in den nächsten Tagen einen Vorschlag posten, wann wir uns wo treffen. Das sind wir uns schuldig. Ich organisiere die Sache. Euere Aufgabe wird sein, dafür zu sorgen, dass genügend und die richtigen Leute anwesend sein werden. Ich melde mich.

       Pius Küppers:

       Mal kurz Hirn einschalten, okay? Was bleibt von der ganzen IS-Metapher, wenn man Gewalt abzieht (wofür du ja plädierst)? Gutmenschen-Quatsch. Wenn es irgendetwas gibt, wovon Deutschland nicht noch mehr braucht, ist es exakt das.

       Berthold Schlecht:

       Ich habe eine gute, konstruktive Idee für unsere Bewegung. Was wir brauchen, ist irgendein Promi. Nach unserem ersten Treffen (kick it off!) geben wir eine Pressemitteilung heraus, in der steht, dass der Promi xy bei uns dabei ist. Ich weiß nicht, sagen wir Xavier Naidoo. Oder Hendryk M. Broder. Nena! Jürgen Fliege. Oder lass es Frank Plasberg sein. Egal, nicht egal, da fällt uns schon noch der Richtige ein. Oder die Richtige. Wir streuen das jedenfalls mega-breit im Netz und überall, kenne Leute, die wissen, wie das geht mit Fake News (Verbindung zu bulgarischen Klickfarmen). It’s all about Seeding, da gibt es inzwischen ganze Agenturen für, wisst ihr das? Dann Skandal und wir sind auf der Bildfläche. Ich weiß nicht, wie ihr das seht - aber ich finde das ist eine richtig geile Idee.

       Gesine Pult:

       Und wenn Ihr diesen Quatsch gleich auf irgendwelchen Pegida-Sites postet? Diese IS-Metapher ist absolut krank. Könnte mir egal sind (schließlich seid ihr nur ein kleiner versprengter Haufen von magersüchtigem Vogeldreck), ist es aber nicht. Und deshalb: Ich melde euch bei Facebook. Mal sehen, was dann passiert. Wenn die euch nicht rauswerfen, lösche ich meinen Facebook-Account, ganz klar. Aber wenn es so läuft, wie ich glaube, dass es laufen wird, bekommt ihr jetzt sehr bald richtig viel Stress.

      Drei Stunden versenkte sich Sebastian in Facebook. Dann kam Link, freundlicher als sonst, vielleicht sogar aufgeräumt und entspannt. „Ist doch toll, was da auf Facebook gerade abgeht, ganz wunderbar. Endlich das, was wir wollten.“ Link nahm den Laptop und tippte etwas ein, was er Sebastian sogleich zu lesen gab:

       Sebastian Molitor:

       Liebe Freunde, besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen. Ich lege meinen Facebook Account hiermit auf Eis, es geht nicht anders. Es übernimmt meine liebe Freundin: Roswitha Raff. Bitte nehmt diese kleine Umleitung. Sie und ich halten euch auf dem Laufenden.

      Lovley Rita, Roswitha Maid

      Meine Liebe zu Facebook ist eine sanfte Liebe.

      Aber ich kann mich ja sogar in Äpfel verlieben, es ist verrückt. Große Sache für mich, wenn ich im Garten einen Apfel pflücke, der Ast spannt sich und spannt sich noch mehr und fast droht er zu brechen, bis er mit einemmal doch die Frucht freigibt. Ich trage sie nach Hause und spüre in meiner Hand sehr genau die, je mehr man darauf achtet, spektakuläre Glattheit der Oberfläche. In meinem Zimmer, wenn der Apfel und ich allein sind und keiner uns sieht, beiße ich tief in ihn hinein, langsam in einem Zug, der Saft fließt in kleinen Mengen an meinen Mundwinkeln hinab, süsssauerer Saft. Danach steht der Restapfel unter Beobachtung, zwei Stunden danach, 6 Stunden, 14 Stunden, auf die Minute einen Tag nach der Pflückung, wie sich die Bisswunde bräunlich einfärbt und die Oberfläche sehr langsam, aber komplett unaufhaltbar seine Glätte verliert.

      Ich muss mich verbergen vor der Welt, das habe ich sehr früh begriffen, weil ich einfach zu weich bin, zu rührselig. Mein liebevolles Strahlen wirkt auf andere Menschen debil, jetzt hör doch endlich mal auf mit deinem scheinheiligen Gegrinse, das ist ja furchtbar. Alle sagen das, und Sebas sagt es auch. Mein lieber Sebas, der sich so anstrengt und es deshalb nicht gut macht. Mit ihm zu schlafen ist eine Anstrengung, vor allem für ihn, für mich aber auch. Er achtet auf alles, das heißt, er achtet nicht auf seinen Körper, so eitel ist er nicht, aber darauf, was er mit ihm macht. Er überlegt, wenn er in mir drin ist, was der richtige Rhythmus ist, es


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