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Die Facebook-Entführung. Jürgen HoffmannЧитать онлайн книгу.

Die Facebook-Entführung - Jürgen Hoffmann


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Gar nicht gut, wenn man beim Küssen spürt, was das für eine Aufgabe für ihn ist! Trotzdem habe ich ihn geliebt und liebe ich ihn, sogar noch mehr als die anderen Menschen und natürlich auch mehr als einen frischen und dann schnell alt werdenden Apfel, die Beschaffenheit der Gehwege in unserem Ort und die völlig dummen, hilflosen und zu absolut nichts, was das Leben ausmacht, fähigen Insekten. Meine Rundumliebe schließt auch mich selber ein; wenn ich zehn Minuten hochkonzentriert und absolut fokussiert auf meine Hand schaue, habe ich das Gefühl, ich müsste unbedingt vor Dankbarkeit auf die Knie gehen, dass so etwas Wunderbares wie meine Hand tatsächlich möglich ist und, völlig schräg, sich dann sogar in meinem Besitz befindet.

      Das Verrückte ist, dass ich völlig sicher bin, nicht verrückt zu sein. Ich weiß, würde ich über meine Beziehung zu Äpfeln und zu meiner rechten Hand erzählen, wäre das ein starkes Argument für jeden Arzt, mich irgendwo einweisen zu lassen. Und viele Verrückte wissen ja auch nicht, dass sie verrückt sind, mir ist das alles sehr bewusst, aber noch bewusster ist mir eben, dass sich die Dinge bei mir anders verhalten. Was ich sage (empfinde!), klingt nur verrückt, ist es aber nicht. Oder vielleicht ist es sogar verrückt, aber nicht in dem Sinne, dass es mich irgendwie einschränken oder meinen Blick trüben würde. Ich UNTERHALTE ganz normale Beziehungen zu anderen Menschen und finde mich in dieser, oh ja, durch und durch wunderbaren Welt richtig gut zurecht, da ist einfach nichts, was man ernsthaft als Problem bezeichnen könnte. Ich habe eben nur einen völlig übersteigerten Blick für das Schöne und Liebenswerte in der Welt, auch wenn ich damit vielleicht falsch liege. Ist am Ende gar nicht alles so beseelt, wie ich denke? Nein, ich glaube nicht, dass ich mich täusche.

      Facebook, das muss ich so sagen, hat meine Freude an dieser Welt noch einmal enorm gesteigert. Ich kenne die ganzen Einwände gegen Facebook, Google, Trallalla, die Typen legen Kundenprofile von dir an, verkaufen sie an die Werbeindustrie und verdienen damit ein Schweinegeld. Du bist nicht Kunde von Facebook, sondern das Produkt, das sie verkaufen. Darüber kann man sich aufregen, ja wirklich, ich habe auch „Der Circle“ von Dave Eggers gelesen, aber ich sehe die Sache eher persönlich, ich kann nicht anders. Im Grunde halte ich das mit allen Dingen so, die Aufforderung, bei sich selbst anzufangen, stößt bei mir auf taube Ohren. Nicht mein Job, die Welt zu retten, Google in die Schranken zu weisen, irgendwelche Klimaziele zu erreichen, ich meine, genau dafür haben wir doch die Politik erfunden, und ich persönlich habe nicht den Größenwahn, durch mein Konsumverhalten, das ja volkswirtschaftlich gesehen mikroskopisch klein ist, irgendetwas verändern zu können.

      Außerdem habe genug damit zu tun, die Welt zu lieben und nicht komplett alles zu übersehen, was es wert ist, gesehen zu werden. Die kleinen Freuden sind Legion! Zum Beispiel ein neuer Schraubverschluss bei meiner bevorzugten Saftmarke, der so leise knackt und vibriert, wenn man die Flasche öffnet. Und das alles gilt eben auch für Facebook. Man darf sich die Freude daran nicht verleiden, indem man dauernd prinzipiell darüber nachdenkt. Diese Art des Denkens versperrt uns nur den Weg zu Wahrheit und Glück. So sehe ich das.

      Facebook. Du musst dich dieser Website mit Liebe nähern, sie ist blau, vor allem aber ist sie ein absolutes Wunder, ein Menschheitstraum, erdacht bestimmt schon vor hunderten von Jahren. Du gehst auf die Seite und unter den ganz extrem vielen Dingen, die auf dieser Seite sind, bist auch du, also du gehst auf diese Seite und bist schon da, mit deinem Profil, das immer da ist, und mit deinen Posts, die wachsen, gedeihen und sich ihren Weg bahnen durch eine Welt, die du mit zwei Milliarden Menschen teilst, weltweit, global, überall, kleine Dörfer, große Städte, dicke Kinder, kranke Männer, seltsame Hausfrauen, Nepper, Schlepper, Bauernfänger, liebe Menschen, einsame Menschen, ehrgeizige Menschen, rufende Menschen. Und mit allen diesen Menschen kannst du in Kontakt treten, wenn du es nur willst, freier Zugriff nicht auf die Welt (den Wald gibt es nur im Wald, das Wasser auf der Haut nur mit Wasser), aber auf die darin lebenden Menschen.

      Du bist ein winziges Rädchen in dieser Welt und doch so sehr Teil davon, im Grunde ist es wie in der Offline-Welt, nur merkt man es da nicht so, man sieht es nicht, obwohl es so ist, wir sind alle ein Teil, aber man sieht es nicht, bei Facebook aber eben schon, diese Welt liegt dir zu Füßen, du siehst auf sie herab wie ein höheres Wesen, und was du unter anderem siehst, bist du selbst, und dieser Anblick ist so überwältigend, groß und schön, dass du schon ein sehr, sehr großes, die Sicht versperrendes Ego haben musst, um das nicht zu erkennen. Ich bin mir so ohnmächtig sicher, dass das ein uralter Menschentraum ist, sich und die anderen so sehen zu können, to appreciate, wir sollten dankbar sein, die Erfüllung dieses Menschheitstraums erleben zu dürfen, diese Erweiterung unseres Lebens, diese Vergrößerung der Fließgeschwindigkeit unseres Ichs.

      Manchmal gehe ich drei Tage nicht auf Facebook, was eine ungeheuere Willensanstrengung darstellt, ein Exerzitium. Du bist nicht in der Facebook-Welt, aber gleichzeitig weißt du, dass ein Teil von dir es doch ist, es entwickelt sich etwas mit dir, ohne dass du dabei ist, was natürlich absolut spirituell ist. Wenn ich mich dann einlogge ist es so, als würde ich mein Ich updaten. Wieso „als würde“?, ich date mein Ego ab. Absolut gesehen, also gemessen an meinem Gesamt-Ich mit all seinen Gedanken, Erlebnissen et cetera, sind die Veränderungen natürlich marginal, aber das macht es nur noch schöner, weil handhabbarer, beherrschbarer, verarbeitbar. Und selbst diese kleinen Veränderungen geben einem noch mehr als genügend zu tun. Beim letzten Mal: 9 neue Kommentare auf meine Posts plus 12 Kommentare zu meinen Kommentaren auf Posts von anderen. 4 neue Freundschaftsanfragen. Zu checken außerdem, was sich bei meinen 415 Facebook-Freunden in den vergangenen drei Tagen getan hat. Ich verarbeite das alles mit Bedacht und spüre richtig, wie sich in meinem Kopf Synapsen bilden und in Bewegung setzen. Ist das alles bedeutungsloses Geschnatter, oberflächliches und vor allem extrem flüchtiges Zeug, eine Verschwendung von Zeit und Lebensenergie? Wer so denkt, hat von der Poesie des Lebens nichts verstanden. Ja, meine Posts von vor sieben Wochen sind vergessen (immerhin aber noch auffindbar, was einen großen Unterschied macht), aber: Würden wir im normalen Leben damit aufhören, mit Leuten zu sprechen, nur weil die allermeisten dieser Gespräche in Vergessenheit geraten und keine sichtbaren/messbaren Folgen haben? Niemals, was für ein absurder Gedanke! Unser Leben ist mikroskopisch klein, alles, was wir tun, ist mikroskopisch klein. Das zu beklagen hieße, sich über das Leben selbst zu beklagen.

      Drohe ich durch die intensive Beschäftigung mit meinem Facebook-Leben den Bezug zum richtigen Leben zu verlieren? Gar nicht. Es ist andersherum, mir ist, als sei mein Leben viel anfassbarer geworden, präsenter, auch wenn das seltsam klingt. Ich denke immer: Mein wahres Ich ist nicht etwas tief in mir drin, was ich entdecken muss, sondern es ist das, was ich hinaus in die Welt schicke - und die Reaktionen darauf helfen mir, überhaupt erst der zu werden, der ich bin (als der ich gedacht bin). Die Gedanken, die ich auf Facebook poste, sind doch lauter Dinge, die mir gar nicht eingefallen wären, wenn es Facebook nicht gäbe! Und das mit der „realen Welt“, es ist so: erstens, zweitens, drittens.

      Erstens: Leute, die ich kenne. Die treffe ich natürlich weiterhin auch in echt, und zwar, glaube ich, nicht weniger, als ich es täte, gäbe es Facebook nicht. Nur dass diese Begegnungen schöner sind als davor. Ich merke das an meinen Bekannten, mit denen ich nicht auf Facebook befreundet bin. Es ist, als fehle in diesen Bekanntschaften eine Dimension. Eine wichtige Dimension. Ich weiß, was Josef die vergangenen drei Wochen gepostet hat, und wenn ich ihn treffe, kann ich Dinge sagen wie: „Josef, sehr bedenklich, was für einen Pegida-Scheiß zu plötzlich sharst! Alles in Ordnung in deinem Kopf? Wir sollten darüber reden - oder uns besser gleich entfreunden.“ „Auf Facebook?“ „Ja, erst mal nur auf Facebook. Möchte nicht, dass die Leute denken, ich hätte etwas mit Leuten zu tun, die so ein Zeug verlinken.“ „Okay, aber privat können wir ja darüber sprechen. Ohne Zeugen. Wenn dir das nicht zu privat ist.“

      Zweitens: Leute, die ich durch Facebook überhaupt erst kennenlerne! Die mir dann auf der Straße, im Konzert, in der Kneipe nicht als Fremde gegenübertreten, sondern als Somehow-Buddies. Bei manchen davon: „Ich hätte mich dir ganz anders vorgestellt!“ Bei anderen: sofortige Vertrautheit, was eine komplett neue Erfahrung ist, die es bei reinen Offline-Offline-Bekanntschaften gar nicht gibt, weil es sie ja gar nicht geben kann.

      Drittens: Wiederentdeckungen! Alte Hits, die man lange nicht mehr gehört hat, die jetzt aber digital abrufbar sind. Ronny, der mit seinen Eltern mit 14 weggezogen ist und seitdem in Mexiko lebt, was


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