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Der Mann von Marokko. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

Der Mann von Marokko - Edgar Wallace


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Gesicht war mit weicher Erde beschmutzt, in die sie glücklicherweise gefallen war.

      Sie kam bald wieder zu sich, öffnete die Augen und sah verzweifelt um sich. Jemand hielt ihren Kopf auf den Knien, ihr Gesicht war naß, und über ihr bewegten sich Zweige und Äste – wie mochte sie wohl hierhergekommen sein?

      »Ich glaube, es wird Ihnen bald wieder bessergehen.«

      Sie erkannte Jim Morlakes Stimme und starrte ihn betroffen an.

      »Was ist denn geschehen?« fragte sie. Dann entdeckte sie den schwelenden Baum und zitterte. Der Blitz hatte dort eingeschlagen, und nur durch ein Wunder war sie entkommen.

      »Ich danke Ihnen so sehr –« begann sie, als der Himmel wieder grell aufleuchtete.

      In dem hellen Schein sah sie, daß Morlakes Gesicht von den Augenbrauen bis zum Kinn von einer schwarzseidenen Maske verhüllt war ...

      8

      Es ist also doch wahr – wirklich wahr«, sagte sie atemlos.

      Er hörte das Entsetzen in ihrer Stimme und schaute auf sie nieder.

      »Was soll wahr sein? Aber bitte sprechen Sie nicht zu laut, man wird Sie hören.«

      Sie versuchte, die Herrschaft über sich wiederzugewinnen.

      »Sie sind ein Einbrecher«, sagte sie endlich.

      »Glauben Sie ... etwa wegen der Maske? Aber eine Maske macht noch keinen Einbrecher, so wenig wie eine Schwalbe einen Sommer macht. In einer so feuchten Nacht wie dieser muß sich ein Mann, der auf seinen Teint hält, natürlich gegen die Witterung schützen ...«

      »Ach, machen Sie doch jetzt nicht so dumme Scherze!«

      Gleich darauf wurde ihr klar, daß ihre Entrüstung nicht mit ihrer hilflosen Lage in Einklang stand. Sie lag auf dem feuchten Gras, ihr Gesicht ... Sie hoffte, daß er es nicht sehen konnte, und wischte heimlich den dicken Lehm mit einem Zipfel ihres Regenmantels ab, den sie trotz des Unwetters in ihrer Aufregung über dem Arm getragen hatte.

      »Würden Sie so liebenswürdig sein, mir aufzuhelfen?«

      Er neigte sich über sie und hob sie ohne jede Anstrengung auf.

      »Wohnen Sie im Herrenhaus?« fragte er höflich.

      »Ja, ich wohne dort. Sind Sie ... waren Sie im Begriff, hier einzubrechen?«

      Er lachte leise: »Sie würden es mir ja doch nicht glauben, daß ich kein Einbrecher bin –«

      »Also sind Sie – ein Dieb?«

      »Ja, das bin ich.«

      Sie wäre bitter enttäuscht gewesen, wenn er etwas anderes gesagt hätte. Ein Räuber und Einbrecher mochte er sein – aber daß er ein Lügner gewesen wäre, hätte sie nicht ertragen.

      »Bei uns gibt es nichts zu rauben, Mr. –« sie brach plötzlich ab. Ob er wohl wußte, daß sie ihn erkannt hatte?

      »Nun, Mr. –?« wiederholte er und wartete auf den Namen. »Sie sagten doch vorhin: ›Es ist also doch wahr‹ – meinten Sie damit, daß ich ein Einbrecher sei? Erwarteten Sie denn heute Abend einen solchen Besuch?«

      »Ja«, erwiderte sie ohne die geringsten Gewissensbisse. »Mr. Hamon sagte, daß bei uns eingebrochen werden könnte.«

      Es war freie Erfindung von ihr, aber sie hatte nicht gedacht, daß ihre Worte so großen Eindruck auf ihn machen würden.

      »Ach, Sie sind zu Besuch hier? Ich bitte Sie vielmals um Verzeihung – ich dachte, Sie seien ... nun ja, ich wußte nicht genau, was ich aus Ihnen machen sollte. Sehen Sie doch bitte einmal nach dem Hause hin.«

      »Warum denn?«

      »Bitte –«

      Sie gehorchte und wandte ihm den Rücken. Es kam eben ein Mann heraus und näherte sich dem brennenden Baum. Er trug eine Sturmlaterne in der Hand und kam nur zögernd näher.

      »Das ist Stephens«, sagte sie und drehte sich wieder um. Aber sie war allein, der Mann mit der schwarzen Maske war verschwunden.

      In der allgemeinen Aufregung gelang es ihr, unbemerkt nach oben in ihr Zimmer zu kommen. Sie war Frau genug, vor allem ihre äußere Erscheinung in Ordnung zu bringen, und erst als sie ein Bad genommen hatte und in ihrem Bett lag, dachte sie wieder an ihr Abenteuer.

      Nun hast du deine Illusionen wohl endlich verloren, Joan Carston, sagte sie ernüchtert zu sich. Dein Wunderprinz ist ein Einbrecher, und für Einbrecher kannst du dich doch nur interessieren, wenn du krankhaft bist. Laß es dir eine Lektion sein und benimm dich in Zukunft wieder vernünftig.

      Nach diesem Selbstgespräch stand sie auf und schaute zwischen den großen Baumgruppen des Parks nach Wold House hinüber. Das schwache Licht brannte – Mr. Morlake war heimgegangen.

      Sie seufzte dankbar und legte sich wieder hin.

      9

      Joan kam am nächsten Morgen frühzeitig herunter, denn sie wollte mit dem Frühstück fertig sein, bevor Mr. Hamon aufstand. Sie hatte ihre Mahlzeit auch beinahe beendet, als er in das Zimmer stürzte. Sein Anblick war jedoch nichts weniger als gesellschaftsfähig. Er trug nur Strümpfe, eine Hose, von der die Träger herabhingen, und eine lebhaft gestreifte Pyjamajacke. Außerdem war er nicht rasiert, und Wut und Ärger entstellten seine Züge.

      »Wo ist Stephens?« rief er wild. Aber plötzlich erkannte er, daß weder sein Ton noch seine äußere Erscheinung den Regeln des Anstands entsprachen, und er wurde sehr höflich. »Entschuldigen Sie bitte, Lady Joan, aber ich bin furchtbar aufgeregt – ich bin bestohlen worden!«

      Sie schaute ihn mit großen Augen an.

      »Hat man Ihnen vielleicht die Schuhe oder den Rock weggenommen?« fragte sie ironisch.

      Er wurde rot.

      »Ich entdeckte es gerade im Augenblick – ich meine den Diebstahl. In der vergangenen Nacht ist jemand in mein Zimmer eingebrochen und hat meine Brieftasche mit dreitausend Pfund gestohlen – das kann kein anderer gewesen sein als dieser Hund – dieser Morlake! Ich habe diesem Schwein auch noch eine Chance gegeben –«

      »Es ist sehr schade, daß der Einbrecher nicht auch Ihren Wortschatz gestohlen hat«, erwiderte sie kühl.

      Sie war durchaus nicht so gleichgültig, wie sie vorgab. Morlake war also doch zurückgekommen!

      Sie hatte sich durch den Lichtschein in dem Zimmer von Wold House irreführen lassen. Aber vielleicht war James Morlake auch gar nicht dafür verantwortlich? Nach den etwas verworrenen Angaben Hamons, den Aussagen Stephens' und den Überlegungen ihres Vaters war offensichtlich in den frühen Morgenstunden irgendein Unbekannter durch eines der Fenster eingedrungen und hatte unter dem Kopfkissen Ralph Hamons eine Brieftasche entwendet, die etwa drei- bis viertausend Pfund enthielt. Auch hatte er sich den Scherz erlaubt, den Revolver, der auf einem Tisch an Hamons Bett lag, zu entladen.

      »Also, mein Lieber«, sagte Lord Creith, der durch die dauernde Wiederholung der Geschichte und die Aufzählung der Einzelheiten gelangweilt wurde, »es ist doch das Einfachste von der Welt, wenn Sie sich an die allerdings etwas langsame Polizei wenden und der alles berichten. Die Leute sind unten im Garten und trampeln meine Blumenbeete kaputt. Die interessieren sich viel mehr als ich dafür, daß Sie Mr. Morlake im Verdacht haben. Als Ortsvorsteher werde ich gern den Haftbefehl gegen ihn unterschreiben oder, was in diesem Fall bedeutend wichtiger wäre, sein Haus durchsuchen lassen. Wenn er Ihr Geld gestohlen hat, wird man es ja auch bei ihm finden.«

      »Nein, das möchte ich nicht«, entgegnete Hamon etwas kleinlaut. »Ich habe keine Beweise.«

      »Aber Sie haben doch behauptet, daß die Polizei ihn dauernd beobachtet«, mischte sich Joan in die Unterhaltung. Sie erkannte jedoch sofort, daß ihre Bemerkung vielleicht dazu beitragen könnte, den Dieb zu fangen, und es lief


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