Der Mann von Marokko. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
würde die ganze Sache verpfuschen. Außerdem ist ein Mann wie Morlake viel zu schlau, das gestohlene Geld in seinem Haus aufzubewahren. Ich gehe später hin und spreche selbst mit ihm.«
Er sah böse zu Joan hinüber, als sie lachte.
»Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich, »aber das klingt mir doch sehr komisch, daß der Bestohlene selbst mit dem Dieb verhandelt. Wollen Sie das tatsächlich tun?«
»Auf alle Fälle war es grenzenlos töricht, so viel Geld in der Tasche herumzuschleppen«, mischte sich Lord Creith ein. »Dreitausend Pfund bringt man auf die Bank, mein Lieber! Wozu gibt es denn Safes und Stahlkammern?« Er schaute auf die Uhr. »In einer halben Stunde fahre ich in die Stadt. Leider kann ich Sie nicht einladen, mitzukommen, weil in meinem Auto nur zwei Personen Platz haben.«
»Ach, Sie fahren in die Stadt?« fragte Hamon enttäuscht. »Ich dachte, Sie würden den Rest der Woche noch hier verbringen.«
»Ich habe es Ihnen doch schon am Montag gesagt«, erwiderte der Lord, obgleich das nicht stimmte. »Bei Tattersall ist morgen eine große Auktion, bei der ich zugegen sein will, und Joan muß zu ihrem Zahnarzt ... Wenn es Ihnen beliebt, können Sie ruhig hierbleiben, ich möchte Sie in Ihren Plänen durchaus nicht stören.«
»Wann kommen Sie zurück?«
»Wahrscheinlich in einem Monat.«
Ralph Hamon überlegte sich, daß es auch für ihn besser war, in die Stadt zu fahren. Er bemerkte, daß sein Wagen groß genug sei, alle mitzunehmen, aber man achtete nicht auf seinen Vorschlag.
»Die Sache hätten wir nun also glücklich hinter uns«, meinte Lord Creith mit einem Seufzer der Erleichterung, als sein Auto durch das Tor auf die Hauptstraße fuhr. »Hamon ist ja sonst eine ganz hervorragende Persönlichkeit, aber er fällt mir doch auf die Nerven.«
10
Polizeiinspektor Marborne kam aus dem Büro seines Vorgesetzten und pfiff leise vor sich hin. Selbst sein Freund und Helfer, Detektivsergeant Slone, der ihm auf die Straße folgte, ließ sich durch sein Verhalten täuschen.
»Alles in Ordnung?« fragte er neugierig, als sie nebeneinander am Themse-Ufer entlanggingen.
»Nein, nichts war in Ordnung. Es wäre beinahe Schluß gewesen. Der Alte sagte, er habe Beweise genug in der Hand, daß ich mich von dem Spielklubbesitzer Bolson hätte bestechen lassen. Er gab mir auch die Nummern der Scheine an, die Big Bennet mir dafür zahlte, daß ich seinen Bruder vor seiner Verhaftung warnte. Ich stehe auf der Liste der Leute, die pensioniert werden sollen. Sie übrigens auch. Der Alte sprach davon, daß auch Sie an allem beteiligt wären.«
Sergeant Barny Slone fühlte sich durchaus nicht wohl bei dieser Mitteilung.
»Es gibt nur eine Hoffnung und nur eine Lösung für uns – wir müssen die Sache unter allen Umständen durchführen«, sagte Marborne. »Es ist mir ja furchtbar unangenehm, wenn ich solchen Verbrechern wie Lieber und Colley zu Dank verpflichtet, ja von ihnen abhängig bin, aber ohne die geht es diesmal nicht. Bringen Sie also die beiden heute Abend zu einem kleinen Essen in meine Wohnung.«
»Was haben Sie vor?«
»Ich will den Schwarzen festsetzen.«
»Ihn festsetzen – wie wollen Sie denn das machen?«
Aber Marborne gab keine weitere Erklärung.
»Ich weiß, wer er ist – oder vielmehr einer meiner Bekannten weiß es. Es wird die größte Sache, die wir je gemacht haben, Barny.«
Seit mehr als fünf Jahren war ›der Schwarze‹ die größte Sensation Londons. Er führte seinen Namen deshalb, weil er nur Kleider dieser Farbe trug. Kein Bankgewölbe und kein Stahlraum, kein Geldschrank war so sicher, daß ihn dieser kluge und geschickte Mann nicht hätte öffnen können. Seine Stärke bestand vor allem darin, daß er stets allein arbeitete. Er beschäftigte sich nur mit Bankdepots und hatte der Polizei bisher unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet.
Merkwürdigerweise wurde die Höhe der Summen, die der Schwarze erbeutete, niemals bekannt. Er plünderte nur Privatbanken, bei denen ›ehrenwerte Leute‹ ihre Depots hatten. Aber die dort verwahrten Dokumente konnten offenbar sehr unangenehm für ihren Ruf und ihre Stellung werden, wenn der Inhalt der Öffentlichkeit preisgegeben worden wäre. Manche versteckten auch ihr Vermögen dort und verloren dadurch die Zinsen, hatten aber die Gewissheit, ein größeres Vermögen zur Hand zu haben, wenn ihnen einmal der Boden in England zu heiß werden sollte. Natürlich sprachen diese Menschen wenig oder gar nicht über Verluste, häufig bestritten sie sogar, daß sie auch nur einen Schilling verloren hätten. Der Schwarze war allem Anschein nach ein großer Menschenkenner, denn alle seine Raubzüge waren wohlvorbereitet. Obwohl in den letzten fünf Jahren dreiundzwanzig Einbrüche zweifellos ihm zuzuschreiben waren, konnte man gegen ihn doch nicht die Anklage erheben, daß er eine bestimmte Summe gestohlen habe.
Um fünf Uhr nachmittags begab sich Mr. Marborne nach Grosvenor Place Nr. 307, wo Ralph Hamons Londoner Wohnung lag.
Hamon war dabei, Briefe zu schreiben, als der Diener den Beamten in das Arbeitszimmer führte. Er begrüßte den Besucher zuvorkommend. »Treten Sie doch bitte näher, Marborne, ich freue mich sehr, Sie zu sehen – haben Sie meinen Brief erhalten?«
»Ja, heute morgen.« Der Detektiv setzte sich. »Sie haben dreitausend Pfund verloren? Hoffentlich haben Sie sich die Nummern der Scheine notiert?«
»Selbstverständlich! Aber Sie wissen selbst, wie leicht es ist, gestohlenes Geld unterzubringen. Und wenn man es mit einem so gerissenen Burschen zu tun hat, braucht man sich keine Hoffnung zu machen, ihn durch diesen alten Trick zu fangen.«
»Sind Sie denn sicher, daß es tatsächlich der Schwarze war?«
»Ja, natürlich. Aber ich habe keine Beweise gegen ihn, nur einen Verdacht. Wir müssen auf unseren Plan zurückkommen, von dem ich Ihnen schon vor einem Monat erzählte.«
»Es ist aber eine verdammt schwierige Sache, eine Klage aufzubauen. Das wird eine ziemliche Summe kosten, Mr. Hamon. Ich habe es mir nach allen Richtungen hin überlegt, und obwohl ich die geeigneten Leute an der Hand habe, sind die Ausgaben doch größer, als die Geschichte vielleicht wert ist.«
»Ich riskiere selbst eine große Summe«, erwiderte Hamon erregt. »Die Hauptsache ist, daß wir ihn fassen. Er hält sich augenblicklich in London auf, aber das wird Ihnen ja bekannt sein.«
»Ich habe ihn, soweit es möglich war, beobachten lassen. Sergeant Slone ist hinter ihm her. Aber es ist nicht so einfach, wie Sie es sich denken. Nach unseren Dienstvorschriften können wir einen Mann nicht von Beamten beobachten lassen, wenn nicht eine offizielle Anzeige gegen ihn erstattet ist. Slone kann sich daher nur in seiner freien Zeit mit ihm beschäftigen.«
»Ich zahle ja auch gut«, entgegnete Hamon etwas ungeduldig. »Haben Sie denn wenigstens einen Plan ausgearbeitet?«
»Ja. In Blackheath steht ein Haus«, begann der Inspektor, »das einem früheren Kolonialbeamten gehört. Er wohnt mit seiner Frau, seiner Tochter und drei Dienstboten dort, ist sehr reich und hat eine wunderbare Sammlung alter Juwelen. Ich habe nun einen Mann an der Hand, der in fünf Minuten in der Wohnung sein und alle Schränke aufbrechen kann. Es wird nicht so leicht sein, die Juwelen zu bekommen, weil sie in einem starken Safe eingeschlossen sind. Aber damit brauchen wir uns ja auch gar nicht abzugeben. Die schwierige Sache ist nur, wie wir den Schwarzen zu dem Haus oder möglichst in das Haus bringen. Alle Alibis, die er etwa vorbringen könnte, müssen wir von vornherein ausschalten. Es ist vollständig zwecklos, ihn wegen eines Einbruchs in Blackheath zu verhaften, wenn er nachher beweisen kann, daß er zur selben Zeit in seinem Klub saß.«
»Können Sie denn überhaupt veranlassen, daß er nach Blackheath kommt?« fragte Hamon interessiert.
»Darauf bin ich doch gerade aus – aber es wird viele Vorarbeiten kosten. Morlake wohnt in der Bond Street und hat dort einen Mohren Mahmet und einen gewissen Binger, einen pensionierten Sergeanten. Der wohnt aber nicht bei