Von Bagdad nach Stambul. Karl MayЧитать онлайн книгу.
da ich mich noch nicht überzeugt hatte, ob er verschwiegen sei.
»Wie alt ist das Pferd?«
»Es ist noch jung, fünfzehn Jahre.«
»Schön. Wir werden mit einander gehen, um es zu besehen, während die Andern auf uns warten. Suche einen Ort, wo sie unentdeckt bleiben können!«
Nach einer Viertelstunde sahen wir unten am Wasser einige Häuser liegen.
»Das ist es,« sagte Allo. »Warte hier; ich werde Deine Freunde verstecken.«
Er führte sie weiter, kehrte aber schon nach einigen Minuten zurück.
»Wo sind sie?«
»In einem Dickicht, wohin Niemand kommt.«
»Du wirst den Leuten da unten nicht sagen, wer ich bin, auch nicht, wohin wir gehen, und daß Vier auf uns warten!«
»Herr, ich sage kein Wort. Du bist so gut mit mir, und ich liebe Dich. Habe keine Sorge!«
Ich ritt die nicht sehr steile Anhöhe hinab und befand mich bald vor einem Hause, unter dessen vorspringendem Dache verschiedene Pack- und Reitsättel hingen. Hinter dem Hause war eine Art Corral, in welchem einige Pferde herumsprangen. Ein alter, hagerer Kurde trat uns entgegen.
»Allo, Du?« frug er erstaunt. »Der Prophet segne Dein Kommen und alle Deine Wege!« Und leise setzte er hinzu: »Wer ist dieser große Herr?«
Der Gefragte war so politisch, laut zu antworten:
»Dieser Herr ist ein Effendi aus Kerkuk, der nach Kelekowa will, um dort mit dem Pascha von Sinna zusammen zu treffen. Da ich die Wege kenne, so soll ich ihn führen. Hast Du das Pferd noch, welches Dir übrig ist?«
»Ja,« antwortete der Mann, dessen Blick voll Bewunderung an meinem Pferde hing. »Es befindet sich hinter dem Hause. Komm!«
Ich wollte die Beiden nicht allein lassen und stieg daher schleunigst ab, um ihnen zu folgen, nachdem ich mein Pferd angehängt hatte.
Das betreffende Thier gehörte nicht zu den schlechtesten; ich hielt es nicht für so alt, wie mir Allo angegeben hatte, und da Pferde da waren, welche mir weniger werth zu sein schienen, so wunderte ich mich, daß grad dieses dem Besitzer feil sei.
»Was soll es kosten?« erkundigte ich mich.
»Zweihundert Piaster,« lautete die Antwort.
»Führe es vor!«
Er zog es aus der Umzäunung, ließ es gehen, traben und auch galoppiren und machte dadurch meinen Verdacht rege; denn es war wirklich mehr werth als den geforderten Preis.
»Lege den Packsattel an und eine Last darauf!«
Es geschah, und das Thier folgte gehorsam jedem Fingerzeig.
»Hat dieses Thier einen Fehler?«
»Keinen einzigen, Chodih!« betheuerte er.
»Es hat einen, und es ist besser, wenn Du ihn mir sagst. Das Pferd ist für Deinen Freund Allo, den Du nicht betrügen wirst.«
»Ich betrüge ihn nicht.«
»Nun wohl, so will ich versuchen, den Fehler zu entdecken. Nimm das Gepäck herab und leg einen Reitsattel auf!«
»Warum, Herr?«
Diese Frage verrieth mir, daß ich auf der richtigen Fährte sei.
»Weil ich es so haben will!« antwortete ich kurz.
Er gehorchte, und dann hieß ich ihn aufsteigen.
»Herr, ich kann nicht,« entschuldigte er sich.
»Warum nicht?«
»Ich habe das Gewitter im Beine. Ich kann nicht reiten.«
»So werde ich es selbst thun!«
Ich sah es ihm an, daß ich der Entdeckung jetzt nahe sei. Das Pferd ließ mich herantreten, doch sobald ich den Fuß erhob, um in den Bügelschuh zu treten, wich es zur Seite. Es wollte mir nicht gelingen, in den Sattel zu kommen, bis ich es hart an die Mauer des Gebäudes stellte. Jetzt saß ich auf, sofort aber ging es hinten in die Höhe, daß es sich fast nach vorn überschlug; dann stieg es vorn empor, beinahe mehr als kerzengrade; es bockte zur Seite und machte so gewaltige Luftsprünge, daß ich die erste Gelegenheit ergriff, mich aus dem Sattel zu werfen. Ich that dies mit Vorbedacht so, daß ich zur Erde fiel und es den Anschein hatte, als ob ich abgeworfen worden sei.
»Mann, dieses Pferd ist keinen Para, viel weniger zweihundert Piaster werth! Kein Mensch kann es reiten. Es ist verdorben worden.«
»Herr, es ist gut. Vielleicht will es nur Dich nicht dulden.«
»Ich kenne das! Es hat lange Zeit unter einem schlechten Sattel und unter einem noch schlimmeren Reiter gelitten; das merkt sich so ein Thier. Wer soll es nun besteigen? Es ist höchstens noch als Packpferd zu verwenden.«
»Brauchst Du kein Packpferd, Herr?«
»Nein. Jetzt nicht, sondern erst später.«
»So kaufe es, denn Du wirst nicht gleich ein Pferd finden, wenn Du es brauchst.«
»Soll ich mich mit einem Thiere schleppen, welches mir jetzt zur Last ist?«
»Du sollst es um hundertfünfzig Piaster haben!«
»Ich gebe Dir hundert, und keinen Para mehr.«
»Herr, Du scherzest!«
»Behalte es! Ich finde in Banna ein anderes. Komm, Allo!«
Ich bestieg meinen Rappen, und der Köhler folgte mir mit betrübter Miene. Wir hatten aber kaum fünfzig Schritte zurückgelegt, so hörten wir rufen:
»Gib hundertdreißig, Herr!«
Ich antwortete nicht.
»Hundertzwanzig!«
Ich ritt weiter, ohne mich umzublicken.
»Komm zurück, Herr; Du sollst es für hundert haben!«
Jetzt blieb ich halten und frug, ob er auch einen Reitsattel und eine Decke zu verkaufen habe. Als er bejahte, kehrte ich zurück und kaufte einen ganz passablen Sattel nebst Decke für vierzig Piaster. Und was das Vortheilhafteste war: der Händler nahm den Preis ganz willig in altem Beschlik an, der sich nach und nach in meiner Tasche angesammelt hatte. Ich legte, nachdem ich bezahlt hatte, dem Pferd den Sattel und das Zaumzeug an und nahm dann von dem Kurden Abschied.
»Lebe wohl! Du wolltest Deinen Freund betrügen, aber Du wirst gleich sehen, daß er das Pferd für den dritten Theil seines Werthes hat.«
Der Mann antwortete mir nur mit einem schlauen, überlegenen Lächeln. Auch Allo verabschiedete sich von ihm und wollte dann sein Pferd besteigen. Sein behaartes Gesicht, oder vielmehr nur die Theile desselben, welche man sehen konnte, erglänzte vor Freude und Entzücken darüber, daß er nun hoch zu Roß in die Welt hineinreiten konnte. Aber der Kurde ergriff ihn beim Arme.
»Um des Propheten willen, steige nicht auf! Das Pferd wird Dich abwerfen, und Du brichst den Hals.«
»Dieser Mann hat Recht,« stimmte ich bei. »Steige Du jetzt auf mein Pferd. Es wird Dich sicher tragen, und ich will mich hier auf dieses setzen, um ihm zu zeigen, daß es zu gehorchen hat.«
Allo kletterte wirklich mit größtem Vergnügen auf den Rücken meines Hengstes, welcher sich dieses ehrenrührige Attentat ganz ruhig gefallen ließ, weil er mich in der Nähe wußte. Ich aber drängte den Klepper an die Mauer und kam glücklich in den Sattel. Wieder stieg er empor; ich ließ ihm einige Augenblicke lang den Willen, dann aber nahm ich ihn kurz und faßte ihn zwischen die Schenkel. Er wollte steigen – es ging nicht mehr; er brachte es bloß zu einem krampfhaften Spielen der Hufe, und endlich ging ihm der Athem aus, der Schweiß stand ihm auf allen Poren, und von seinem Maul tropfte der Schaum in großen Flocken – er stand, trotzdem ich ihm die Schenkel wieder nahm.
»Er ist bezwungen, Mann,«