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Die Bluthunde von Paris. Christina GeiselhartЧитать онлайн книгу.

Die Bluthunde von Paris - Christina Geiselhart


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„L’art de prevenir ou de corriger dans les enfants les difformités du corps - die Kunst, Malformationen des Körpers bei Kindern vorzubeugen oder zu korrigieren“, las er vor. „Ganz im Sinne unserer aufklärerischen Zeit. So wenig wie das Oben und Unten unserer Gesellschaft eine von Gott gewollte Ordnung ist, so wenig ist der Mensch der Natur wehrlos ausgeliefert. Man kann sie beeinflussen und verändern durch gezielte Behandlung, behauptet Boisregard!“

      „Vielen Dank, Pfarrer Rounanet. Sie haben es mir schon gesagt.“

      „Gut, dann denke daran, morgen Zeit für den Facharzt in Paris einzuplanen. Und danach werde ich dir vom unerbittlichen Kardinal Richelieu erzählen.“

      Das Mädchen nickte freundlich und wandte sich zum Gehen.

      Kaum hatte es den hinteren Teil der Kirche verlassen, saß es auch schon auf seinem Pferd. Jetzt wollte Philippine noch etwas Eier und Käse erwerben – Kartoffeln und Brot hatte sie schon am Morgen gehortet, um es bis zum Abend im Stall zu verstecken. Auf diese zweite Begegnung mit dem jungen Herrn freute sie sich. Gleichzeitig klopfte ihr Herz bis zum Hals vor Furcht, er könnte sie davonschicken.

      *

      Bepackt mit Nahrungsmitteln und einem Tongefäß, in das sie Cidre aus dem väterlichen Cidrefass gefüllt hatte, ritt sie in den frühen Abendstunden zum Landhaus. Hinter den Bäumen ging gerade die Sonne unter und ihr letztes Licht filterte gebrochen durch die Wipfel. Silbern schimmerten die Stämme, und die von Wurzeln, Grasnarben und Moos durchwachsene Erde glänzte golden. Einige Meter vor dem Haus brachte Philippine ihr Pferd zum Stehen und rief mit gedämpfter Stimme:

      „Ich bin es. Ist jemand zuhause?“

      Niemand antwortete. Sämtliche Fenster waren verhangen oder zugestellt. Sekundenlang fürchtete Philippine der junge Herr sei verschwunden. Dann blitzte der Gedanke in ihr auf, dass es den jungen Mann gar nicht gab und sie alles geträumt hatte. Zögernd wiederholte sie ihre Frage. Wieder keine Antwort. Noch immer auf dem Rücken ihres Pferdes näherte sie sich dem Haus. Zur Eingangstür führten Stufen. Unmöglich konnte sie auf dem Rücken des Pferdes ins Haus dringen, absteigen jedoch wollte sie nicht. Falls sich der junge Mann verbarg, würde er ihre Missbildung sehen und jegliche Hoffnung, in seiner Nähe bleiben zu können, wäre verloren. Ruhig dirigierte sie ihr Pferd ums Haus herum, bis sie bei dem Fenster angelangten, durch das sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Sie beugte sich ein wenig vor, um unter dem zerschlissenen Vorhang hineinblicken zu können.

      „Sind Sie noch da?“, flüsterte sie. „Bitte sagen Sie etwas!“

      „Bist du allein?“, entgegnete eine atemlose Stimme. Philippines Herz machte einen Satz.

      „Natürlich bin ich es.“

      „Schwöre es beim Leben deiner Mutter!“

      „Ich schwöre es beim Leben meines Pferdes.“

      Ein amüsiertes Lachen antwortete ihr. Und plötzlich tauchte ein dunkler Schopf hinter dem Sofa hervor.

      „Das ist so ganz ein kindisches Geplapper. Was gilt schon der Schwur auf das Leben eines Pferdes?“ Nachdem er argwöhnisch um sich geblickt hatte, traute er sich ganz hervor und näherte sich mit dem Ausruf: „Er gilt nichts!“

      „Sie täuschen sich, mein Herr! Ihr Zutrauen ist der beste Beweis. Sie wagten sich aus ihrem Versteck.“

      Ein Blitz des Erstaunens flog über das Gesicht des Jünglings.

      „Oho, du bist nicht dumm! Rasch, geh zum Eingang. Ich sterbe vor Hunger.“

      Philippine drückte Vraem vorsichtig in die Flanken und schon in wenigen Sekunden stand sie vor dem Eingang, wo sie der Herr ungeduldig erwartete.

      „Was ist los? Warum steigst du nicht ab und schaffst den Proviant ins Haus?“

      Stockend bat das Mädchen, er möge den Vorrat selbst holen, worauf der freudige Ausdruck im Gesicht des Mannes erstarb. Für wen sie sich halte, schäumte er. Ob sie zum gemeinen Pöbel gehöre, der Hilfe mit Hoffart entgelten lassen wolle? Dann könne sie gehen. Trotz großen Hungers verzichte er auf jeglichen Beistand tückischer Helfer. Sagte es wild und schlug entschlossen die Tür zu.

      Ratlos verharrte Philippine auf ihrem Pferd. Sie seufzte, hob den Blick zum Himmel und schüttelte schließlich den Kopf.

      „Er hat ja Recht. Was erwarte ich von einem Menschen seines Standes? Dass er zu mir aufschaut? Mich vom Pferd hebt wie eine Prinzessin? Ach!“ Sie zuckte resignierend die Schultern. „Hör auf zu träumen, kleine Philippine!“ Ihr linker, gesunder Fuß tippte gegen Vraems linkes Vorderbein worauf das Pferd in die Knie ging, um seinem Reiter den Abstieg zu erleichtern.

      Ohne Krücke, beladen mit den beiden Jutesäcken, tat sich Philippine schwer. Mühsam schleppte sie sich einige Meter, doch da riss er die Tür so unwirsch auf, dass man fürchtete, sie falle aus ihren Angeln und der junge Mann stürzte heraus.

      „Warum sagst du nichts?“ Vorwurfsvoll wies er auf ihren Fuß. „Ich bin doch kein Sklavenhalter!“ Er entwendete ihr die Säcke und schulterte sie. Dann reichte er seinen Arm. „Stütze dich darauf.“

      Das Mädchen ließ sich nicht zweimal bitten. Absichtlich verschwieg sie, dass sie stets ihre Krücke mit sich führte. Sie steckte in einem Halfter, dessen Gurt sich um den Pferdeleib schlang.

      Als sie im Innern angekommen waren, lud er die Säcke ab und forderte Philippine auf, sich in einen der Sessel zu setzen. Trotz der verhangenen Scheiben war der Salon gemütlich und aufgeräumt. Ein behagliches Feuer brannte im Kamin. Philippine zögerte und setzte sich nicht gleich.

      „Nie zuvor wäre mir die Idee gekommen, einem Kind des Volkes meinen Arm zu reichen! Ha!“ Er lachte über sich selbst. Es war ein verkrampftes Lachen. „Und da ich galant bin, habe ich dir gleich einen Sessel angeboten. Du kannst dich glücklich schätzen. So großherzig bin ich nicht oft.“ Sein Blick fiel auf ihren Fuß. „War es ein Unfall?“

      Das Mädchen schüttelte den Kopf und sagte es ihm.

      „Oh, das tut mir leid! Andererseits bist du an nichts anderes gewöhnt, wohingegen der arme Hund, den der königliche Folterer zum hinkenden Krüppel macht, sich an bessere Zeiten erinnern kann.“

      Bei seinen Worten war Philippine kalkweiß geworden. Sie wirkte so niedergeschmettert mit einem Mal, dass der junge Herr sie eilig zum Sessel schob und sie hineindrückte.

      „Werde um Himmels Willen nicht in meiner Gegenwart ohnmächtig. Ich habe genug Verdruss.

      Es würde das Fass zum Überlaufen bringen, rückte mir einer der streunenden Räuber auf den Leib, in der Annahme ich hätte seiner Tochter etwas angetan.“ Hastig sprang er zum Fenster und rückte den zerschlissenen Stoff zurecht, der einst als Vorhang diente und den er zur Seite geschoben hatte, um Philippines Ankunft zu beobachten. „Hin und wieder tauchen diese zerlumpten Gestalten hier auf. Das gefällt mir nicht.“

      „Mein Vater ist kein Räuber. Im Übrigen brauchen Sie sich nicht vor Räubern zu fürchten, Herr! Sie halten sich hier nicht auf, weil sie nichts zu essen finden und nie ein Reisender durchkommt.“

      „Aber ich habe welche gesehen!“, rief er aufgebracht. „Sie zogen auf dem schmalen Weg entlang, den du zu Pferde kommst. Wenn sie hier einbrechen, bin ich ihnen ausgeliefert.“ Zitternd wies er auf den Pfad unweit des Hauses. Aus großen Augen sah das Mädchen den jungen Mann an. Betroffen verfolgte sie seine Gesten, die wilden Schritte, mit denen er von Fenster zu Fenster eilte und überprüfte, ob man von außen hereinsehen konnte. Nervös wandte er sich um und blickte Philippine flammend an: „Bin ich hier sicher? In diesem Wald, in dem es vielleicht von Räubern wimmelt, in diesem Haus? Und du? Wer bist du? Bist du vielleicht ein Spion?“ Mittlerweile war es dunkel geworden. Im Schein der lodernden Flammen des Kaminfeuers hatte das Gesicht des Mannes etwas Gespenstisches. Wie Kohlen glühten seine dunklen Augen. Fasziniert starrte das Mädchen ihn an. Er trat näher, beugte sich ein wenig zu ihm herunter.

      „Antworte!“

      „Ich ...!“

      „Antworte! Keine


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