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Till Eulenspiegel. Hermann BoteЧитать онлайн книгу.

Till Eulenspiegel - Hermann  Bote


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dem

       Seil, nahm einen großen Knüppel und wollte ihn herunterschlagen. Da entrann er ihr zu einem

       Fenster hinaus, lief oben auf das Dach und setzte sich dort hin, so daß sie ihn nicht erreichen

       konnte.

       Das währte so lange mit ihm, bis er ein wenig älter wurde. Dann fing er wieder an, auf dem

       Seil zu gehen, und zog das Seil oben von seiner Mutter Hinterhaus über die Saale in ein Haus

       gegenüber. Viele junge und alte Leute bemerkten das Seil, darauf Eulenspiegel laufen wollte.

       Sie kamen herbei und wollten ihn darauf gehen sehen; und sie waren neugierig, was er doch

       für ein seltsames Spiel beginnen oder was er Wunderliches treiben wollte.

       Als nun Eulenspiegel auf dem Seil im besten Tummeln war, bemerkte es seine Mutter; und sie

       konnte ihm nicht viel darum tun. Doch schlich sie heimlich hinten in das Haus auf den Boden,

       wo das Seil angebunden war, und schnitt es entzwei. Da fiel ihr Sohn Eulenspiegel unter

       großem Spott ins Wasser und badete tüchtig in der Saale. Die Bauern lachten sehr, und die

       Jungen riefen ihm laut nach: »Hehe, bade nur wohl aus! Du hast lange nach dem Bade

       verlangt!«

       Das verdroß Eulenspiegel sehr. Das Bad machte ihm nichts aus, wohl aber das Spotten und

       Rufen der Buben. Er überlegte, wie er ihnen das wieder vergelten und heimzahlen wollte. Und

       also badete er aus, so gut er es vermochte.

       Die 4. Historie sagt, wie Eulenspiegel den Jungen etwa zweihundert Paar Schuhe von den

       Füßen abschwatzte und machte, daß sich alt und jung darum in die Haare gerieten.

       Kurze Zeit danach wollte Eulenspiegel seinen Schaden und den Spott wegen des Bades

       rächen, zog das Seil aus einem anderen Haus über die Saale und zeigte den Leuten an, daß er

       abermals auf dem Seil gehen wolle. Das Volk sammelte sich bald dazu, jung und alt. Und

       Eulenspiegel sprach zu den Jungen: jeder solle ihm seinen linken Schuh geben, er wolle ihnen

       mit den Schuhen ein hübsches Stück auf dem Seil zeigen. Die Jungen glaubten das, und alle

       meinten, es sei wahr, auch die Alten. Und die Jungen huben an, die Schuhe auszuziehen, und

       gaben sie Eulenspiegel. Es waren der Jungen beinahe zwei Schock, das sind zweimal sechzig.

       Die Hälfte der Schuhe wurde Eulenspiegel gegeben. Da zog er sie auf eine Schnur und stieg

       damit auf das Seil. Als er nun auf dem Seil war und hatte die Schuhe mit oben, sahen die

       Alten und die Jungen zu ihm hinauf und meinten, er wolle ein lustig Ding damit tun. Aber ein

       Teil der Jungen war betrübt, denn sie hätten ihre Schuhe gern wiedergehabt.

       Als nun Eulenspiegel auf dem Seil saß und seine Kunststücke machte, rief er auf einmal:

       »jeder gebe acht und suche seinen Schuh wieder!« Und damit schnitt er die Schnur entzwei

       und warf die Schuhe alle von dem Seil auf die Erde, so daß ein Schuh über den anderen

       purzelte. Da stürzten die Jungen und Alten herzu, einer erwischte hier einen Schuh, der andere

       dort. Der eine sprach: »Dieser Schuh ist mein!« Der andere sprach: »Du lügst, er ist mein!«

       Und sie fielen sich in die Haare und begannen sich zu prügeln. Der eine lag unten, der andere

       oben; der eine schrie, der andere weinte, der dritte lachte. Das währte so lange, bis auch die

       Alten Backenstreiche austeilten und sich bei den Haaren zogen.

       Derweil saß Eulenspiegel auf dem Seil, lachte und rief: »Hehe, sucht nun die Schuhe, wie ich

       kürzlich ausbaden mußte!« Und er lief von dem Seil, und ließ die Jungen und Alten sich um

       die Schuhe zanken.

       Danach durfte er sich vier Wochen lang vor den Jungen oder Alten nicht sehen lassen. Er saß

       deshalb im Hause bei seiner Mutter und flickte Helmstedter Schuhe. Da freute sich seine

       Mutter sehr und meinte, es würde mit ihm noch alles gut werden. Aber sie kannte nicht die

       Geschichte mit den Schuhen und wußte nicht, daß er wegen dieses Streichs nicht wagte, vors

       Haus zu gehen.

       Die 5. Historie sagt, wie Till Eulenspiegels Mutter ihn ermahnte, ein Handwerk zu lernen,

       wobei sie ihm helfen wollte.

       Eulenspiegels Mutter war froh, daß ihr Sohn so friedlich war, schalt ihn jedoch, daß er kein

       Handwerk lernen wollte. Er schwieg dazu, aber die Mutter ließ nicht nach, ihn. zu schelten.

       Schließlich sagte Eulenspiegel: »Liebe Mutter, womit sich einer abgibt, davon wird ihm sein

       Lebtag genug.« Da sagte die Mutter: »Wenn ich über dein Wort nachdenke: seit vier Wochen

       habe ich kein Brot in meinem Haus gehabt.« Doch Eulenspiegel sprach: »Das paßt nicht als

       Antwort auf meine Worte. Ein armer Mann, der nichts zu essen hat, der fastet am Sankt-

       Nikolaus-Tag, und wenn er etwas hat, so ißt er mit Sankt Martin zu Abend. Also essen wir

       auch.«

       Die 6. Historie sagt, wie Eulenspiegel in der Stadt Staßfurt einen Brotbäcker um einen Sack

       voll Brot betrog und es seiner Mutter heimbrachte.

       Lieber Gott, hilf«, dachte Eulenspiegel, »wie soll ich die Mutter beruhigen? Wo soll ich Brot

       herbekommen für ihr Haus?« Und er ging aus dem Flecken, in dem seine Mutter wohnte, in

       die Stadt Staßfurt. Dort fand er eines reichen Brotbäckers Laden, ging hinein und fragte, ob

       der Bäcker seinem Herrn für zehn Schillinge Roggen- und Weißbrot schicken wolle. Er nannte

       den Namen eines Herren aus der Gegend und sagte, sein Herr sei hier zu Staßfurt, und

       benannte auch die Herberge, in der er sei. Der Bäcker solle einen Knaben mit in die Herberge

       zu seinem Herren schicken, dort wolle er ihm das Geld geben. Der Bäcker sagte: »ja.« Nun

       hatte Eulenspiegel einen Sack mit einem verborgenen Loch. In diesen Sack ließ er sich das

       Brot zählen. Und der Bäcker sandte einen Jungen mit Eulenspiegel, um das Geld zu

       empfangen. Als Eulenspiegel einen Armbrustschuß weit von des Brotbäckers Haus war, ließ

       er ein Weißbrot aus dem Loch in den Dreck der Straße fallen. Da setzte Eulenspiegel den Sack

       nieder und sprach zu dem Jungen: »Ach, das besudelte Brot darf ich nicht vor meinen Herrn

       bringen. Lauf rasch damit wieder nach Haus und bring mir ein anderes Brot dafür! Ich will

       hier auf dich warten.« Der Junge lief hin und holte ein anderes Brot. Inzwischen ging

       Eulenspiegel weiter in ein Haus in der Vorstadt. Dort stand ein Pferdekarren aus seinem

       Flecken. Darauf legte er seinen Sack und ging neben dem Kärrner her. So kam er heim ans

       Haus seiner Mutter.

       Als der Bäckerjunge mit dem Brot wiederkam, war Eulenspiegel mit den Broten

       verschwunden. Da rannte der Junge zurück und sagte das dem Bäcker. Der Brotbäcker lief

       sogleich zu der Herberge, die ihm Eulenspiegel genannt hatte. Doch dort fand


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