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Blut und Scherben. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.

Blut und Scherben - Ole R. Börgdahl


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Aber du kannst mir wirklich helfen. Vielleicht kannst du da reingreifen und den Ballen etwas vorziehen, dann brauche ich das ganze Holz nicht wieder aufstapeln und kann oben weiterarbeiten.«

      »Das ist nicht gut«, sagte Kerstin. »Auf einer Baustelle muss Ordnung herrschen.«

      »Das sagen aber bestimmt nicht die Bauarbeiter«, warf Marek ein.

      »Gerade die sagen das. Ich kenne mich aus. Aber egal, lass mal sehen.«

      Sie schob sich an Marek vorbei, ging in die Hocke und kroch sogar zwischen dem Holz und einer Palette mit Mörtelsäcken ein Stück in den hinteren Teil der Garage. Sie bekam den Ballen Steinwolle zufassen und zog ihn soweit vor, dass Marek ihn greifen konnte.

      »Danke! Du kannst ja alles«, sagte er.

      »Du wirst lachen, das stimmt sogar. Isolierst du den Dachstuhl?«

      Marek nickte. »Aber ich glaube, für heute mache ich doch lieber Schluss, auch wenn ich dank deines Einsatzes jetzt wieder Nachschub habe. Soll ich dir das Haus zeigen?«

      »Gerne, aber ich wollte dich nicht von der Arbeit abhalten. Ich war gerade auf einem kleinen Spaziergang, da fiel mir ein, dass du ja in dieser Straße hier wohnst. Das sind wirklich nur zehn Minuten von meiner Wohnung.«

      »Dann bin ich aber traurig, dass du mich nicht schon früher besucht hast.«

      Sie lachten und verließen die Garage. Sie machten einen Rundgang durch den Garten. Das Haus stand von der Straße aus etwas nach hinten versetzt. Der Vorgarten war gepflegt. Eine brusthohe Ligusterhecke, dahinter dichte Flieder- und Yasminbäume in einem unkrautfreien Beet. Haus und Beet waren durch ein kurzes Stück Rasen getrennt. Kerstin staunte anerkennend.

      »Hier sieht es jedenfalls nicht nach Baustelle aus«, sagt sie.

      Marek schüttelte den Kopf. »Das ist nur Fassade. Hinten herrscht das blanke Chaos.«

      Marek führte Kerstin durch einen schmalen Gang an der Garage vorbei. Der Garten öffnete sich vor ihnen. Auf der Rückseite des Hauses gab es eine kleine Terrasse, die über der ausgedehnten Rasenfläche thronte. Das Grundstück wurde hinten durch einen mannshohen Holzzaun begrenzt, der gleichzeitig das Außenlager von Mareks Baustelle umschloss. Neben einer wackeligen Gartenhütte türmte sich ein Schuttberg auf. Daneben lagen Holzstapel, von Planen geschützt, und mehrere Paletten mit Kalksandsteinen. Sie überquerten den Rasen. Marek trat neben die Gestelle, auf denen die alten Fenster gestapelt waren. Kerstin hob eine Plane an und prüfte das Holz.

      »Warum hast du die nicht gelassen?«, fragte sie.

      »Zu viel Arbeit. Das Haus hat ja meinen Großeltern gehört und als Jugendlicher habe ich mir mit dem Streichen der Fenster mein Taschengeld aufgebessert. Malen ist allerdings nicht so mein Ding.«

      »Und was machst du jetzt mit denen?«

      »Vielleicht setze ich sie ins Internet. Die Verglasung ist noch in Ordnung.«

      Kerstin nickte und sah sich weiter um. »Es wäre klüger gewesen, den Schutt vorne zu sammeln. Du bekommst ja lange Arme, wenn du später mal einen Container an der Straße stehen hast und alles mit der Schubkarre hinbringen musst.«

      »Der kommt so schnell nicht weg, fürchte ich. Und der wird auch noch wachsen. Vorne würde mich das nur stören.«

      Kerstin nickte und nahm sich einen der Kalksandsteine von den Paletten, die neben dem Schuttberg standen. »Verwendest du nur die oder hast du es auch mal mit Porenbetonsteinen versucht?«

      Marek schüttelte den Kopf. »Kommt mir nicht ins Haus.«

      Kerstin grinste. »Der Spruch könnte von meinem Vater stammen.« Sie legte den Stein zurück und wandte sich dem Haus zu. »Und jetzt möchte ich mal sehen, was du immer so bastelst.«

      Sie gingen zurück, stiegen über die kleine Außentreppe auf die Terrasse und durch die Hintertür ins Haus. Marek führte Kerstin herum. Die Durchbrüche, die aus mehreren kleinen Räumen ein großzügiges Wohnzimmer gemacht hatten, waren bereits verputzt. Der Küchenboden war zwar gefliest, an den Wänden fehlte aber noch der Küchenspiegel. Marek erklärte, dass er sich erst zum Schluss eine nagelneue Küche leisten wollte und bis dahin mit den zusammengewürfelten Möbeln und Geräten gut leben konnte. Kühlschrank und Elektroherd standen einsam an einer Wand. In der Mitte des Raumes gab es einen kleinen Esstisch mit zwei Küchenstühlen und an einer anderen Wand mehrere Sideboards für das Geschirr, aber keine Hängeschränke. Das Gäste-WC mit Dusche war schon komplett fertig. Die größte Baustelle war im Obergeschoss zu finden. Die Raumaufteilung war noch ungünstig, wie Kerstin feststellte, aber Marek hatte schon begonnen die eine oder andere Leichtbauwand einzureißen. Ein Zimmer sollte von seiner Größe her so bleiben, wie es war, und hier hatte Marek auch seine Arbeit unterbrochen. Kerstin sah sich alles genau an, stellte Fragen, die Marek nicht erwartet hätte. Sie kannte sich mit Trockenbau aus, wie sie es selbst bezeichnete, und diskutierte mit ihm über den Vorteil von Alufolie gegenüber Kunststoff als Feuchtigkeitssperre für die Dachisolierung.

      »Willst Du etwas trinken?«

      Sie hatten das Haus wieder verlassen. Marek rückte die beiden Gartenstühle zurecht, die er auf seiner Terrasse stehen hatte.

      »Vielleicht einen Wein?«, fragte er. »Ich habe Weißwein da.«

      Kerstin nickte. »Weißwein wäre prima.«

      Sie setzte sich, während Marek wieder im Haus verschwand. Er kam aber sofort zurück, stellte zwei Gläser, die Weinflasche und eine Schale mit gewürfeltem Käse auf den Gartentisch. Er schenkte ihnen ein und setzte sich ebenfalls. Kerstin nahm sich ein Stück Käse und nippte dann an ihrem Wein.

      »Der ist gut«, sagte sie.

      »Das freut mich.« Marek lächelte. »Dann musst du mir jetzt aber auch erzählen, woher du so viel vom Bau verstehst.«

      »Hattest du den Eindruck?«, fragte Kerstin. Sie zögerte kurz. »Mein Vater hat in Dortmund eine kleine Baufirma. Drei, vier Angestellte, im Sommer ein paar mehr. Ich bin auf dem Bau großgeworden.«

      »Großgeworden?«, wiederholte Marek. »Kannst du auch eine anständige Mauer hochziehen?«

      »Was verstehst du unter anständig?«

      »Naja, nicht so wie es bei mir hinterher aussehen würde.« Marek deutete zum Haus. »Wie du gesehen hast, habe ich bisher nur gerissen, aber wenn ich neue Innenwände ziehen muss, werde ich wohl vor einer ziemlichen Herausforderung stehen.«

      »Ich könnte es dir zeigen«, schlug Kerstin vor. Sie lächelte und holte ihren Autoschlüssel hervor. Sie deutete auf den Schlüsselanhänger. »Den bekommt man nur, wenn man eine anständige Mauer hochziehen kann.« Sie grinste wieder.

      Marek beugte sich vor und betrachtete den Anhänger. Es war eine runde Marke mit der Aufschrift »MAURER« und einer Bildgravur auf weißem Hintergrund, die einen Kelle schwingenden Maurer und eine halbfertige Ziegelsteinmauer darstellte.

      »Beeindruckend«, sagt Marek schließlich. »Ist das wie ein Gesellenbrief?«

      Kerstin lachte und schüttelte den Kopf. »Mein Vater hätte es sich gewünscht, wenn ich nach der Schule erst den Beruf mit Brief und Siegel erlernt hätte, aber ich hatte andere Pläne. Er hat mir zwar alles beigebracht, was ein Maurer wissen muss, aber den Schlüsselanhänger habe ich für den bestandenen Führerschein bekommen.«

      »Einen Führerschein habe ich auch«, betonte Marek.

      »Aber du kannst keine Mauer hochziehen«, erwiderte Kerstin und stopfte ihren Autoschlüssel wieder in die Hosentasche zurück.

      »Dann musst du es mir zeigen. Oder besser, ich engagiere dich.«

      Kerstin wollte gerade etwas erwidern, als es aus Mareks Overall vibrierte. Er holte das Telefon hervor und blickte grimmig auf das Display. Dann sah er Kerstin an.

      »Verdammt, ich könnte jetzt sagen, dass ich schon zu viel Wein intus habe.« Er schüttelte den Kopf und nahm das Gespräch an.

      Kerstin


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