Und du kannst es schaffen!. Harald LangeЧитать онлайн книгу.
mehr ansprach.
Meine Behinderung hat mich persönlich nur wenige Male in meinem Leben wirklich belastet. Dies war zu Zeiten meiner Kindheit, weil nan mich ständig deswegen getratzt hatte und später als Jugendlicher die Tatsache als ich begreifen musste, niemals autofahren zu dürfen und auch meinen Traumberuf, welchen auch mein Vater ausübte, KFZ-Mechaniker, niemals erlernen zu können. Mittlerweile lache ich darüber, es gibt einfach Wichtigeres im Leben als ein Auto zu haben und das ich kein Mechaniker geworden bin, ist für mich auch kein Weltuntergang. Da ich, wenn ich nicht gerade arbeite oder mich um meine Frau Claudia kümmere, mich meinen Hobbies, dem Sport und der Musik hingebe, sehe ich nun eher die Vorteile darin, nicht noch zusätzlich ein Auto finanzieren zu müssen, ja es in derzeitiger finanzieller Lage nicht einmal zu können. Ich müsste vieles von dem was mir wirklich was bedeutet aufgeben um ein Auto fahren zu dürfen. Auch bin ich wie bereits gesagt kein Mensch, der mit seiner Behinderung Profit schlagen will, oder Anerkennung sucht. Alles was ich will ist ein normales Leben führen, die Behinderung ist da, sie wird akzeptiert, ist aber nicht Hauptbestandteil meines Lebens. Ich war und bin stets bestrebt, alles was mir Spaß macht zu versuchen, meine Grenzen auszuloten und wenn man dies mit Verstand tut, kann man einiges mitmachen, was viele nicht von einem glauben würden. So bin ich heute sogar in einem Boxgym angemeldet und darf sogar leichtes Sparring machen.
Ob es gefährlich ist? Naja, ein bisschen Gefahr ist doch immer dabei. Dabei ist es egal ob du mit dem Snowboard über die Piste heitzt, mit den Inlinern dich auf der Halfpipe versuchst, oder dein Herz nach 30 Kilometern Laufen einfach sagt: „Es reicht!“ Und es aufhört zu schlagen. Ich mache oft mehr als es ein „Normal Sehender“ tun würde, das ist aber doch nicht mein Problem oder? Das ist auch nicht der Punkt. Wenn man mir als „Paktisch Blinder Mensch“ mit einer angeborenen Sehnervathropie alles verbieten will, mir nichts zutraut, obwohl man noch nicht einmal definitiv bestimmen kann was ich sehen kann und was nicht habe ich doch genau zwei Möglichkeiten: Die eine ist, du lässt dies zu, setzt dich in eine Ecke, und trauerst darüber das es so ist wie es ist, die andere Variante ist, du überlegst dir was du machen willst und wie du dieses Ziel mit deinen Möglichkeiten erreichst. Viele denken zum Beispiel wenn ich sage ich gehe Snowboard fahren, ich würde mich blindlings die Piste hinunterwerfen. Wer das macht, ist nich nur lebensmüde, er ist ein Narr und gefährdet nicht nur sich sondern auch seine Mitmenschen. Ich für meinen Teil mache das bedacht, checke die Pistenverhältnisse, ist viel oder wenig Betrieb, wie ist die Sicht, etc. Dann setze ich meinen Rest Augenlicht und all meine Sinne ein um snowboarden zu können. Dass ich hier keine Bestzeit den Hang runterfahren kann ist mir schon bewußt und das ich gern mal ein Risiko eingehe, indem ich auf einer freien Piste mal die Sau rauß lasse, das ist doch völlig menschlich oder? Ja und ein bisschen Glück hat noch keinem geschadet, das brauchen wir alle. Oder wollen Sie nicht Behinderten da draußen mir nun ernsthaft weiß machen, Sie hätten noch nie was riskiert und verdammtes Glück gehabt? Wenn ja ist die Frage, leben Sie? Leben ist immer in irgend einer Art und Weise ein Risiko. Als ich 2006 erstmals das Ziel hatte am Frankfurt Marathon teilzunehmen, fühlte ich mich unverwundbar. Ich war voller Energie, wollte immer nur Vollgas geben, glaubte alles was ich will zu packen, ja, ich glaubte sogar alles auf einmal zu können. Ich hatte damals meine Abschlussprüfung zum Bürokaufmann, wollte aber zusätzlich noch an einem Kraftdreikampf teilnehmen und zwar einen Tag vor der Prüfung und danach wollte ich ins Marathontraining eintauchen. An diesem Punkt meines Lebens sollte ich meinen Körper einmal von einer ganz anderen Seite kennelernen und ich sollte verstehen lernen, wie sich ein Psychisches Problem auf den gesamten Organismus auswirken kann.
Das Ganze begann an meinem Geburtstag, dem 5. April 2006, an dem ich plötzlich über Herzrasen, Schweißausbrüche und Atemnot klagte. Ich machte mir schon Sorgen über mein Herz, glaubte jeden Augenblick einen Infarkt zu erleiden. Ich ließ mich von Kopf bis Fuß durchchecken, gefunden wurde nichts. Man schickte mich zum Neurologen, es sei ein psychisches Problem, ich leide unter Panikstörungen, diagnostizierte man mir. Ich verstand die Welt nicht mehr! Sollte ich doch körperlich gesund sein und mich „nur wegen der Psyche“ nicht mehr voll belasten können? Ja, denn es ist nicht nur die Psyche wie ich es heute endlich, 4 Jahre später, gelernt habe zu verstehen. Es ist „DIE“ Psyche die der Körper braucht um überhaupt erst Leistung bringen zu können. Grundsätzlich kannst du es drehen und wenden wie du willst. Für mich ist eines ganz klar geworden, Körper und Geist müssen eine Einheit sein, willst du ein Ziel erreichen. Sicher kannst du mit deinem Geist den Körper antreiben obwohl der schon nicht mehr kann, du gehst aber das Risiko ein, dass der Körper daran zugrunde geht. Bilden dein Geist und dein Körper aber eine Einheit ein Ziel zu erreichen, dann wird dieses Vorhaben gelingen. Das ist mein Wissensstand zum Zeitpunkt als ich begann dieses Buch hier zu schreiben. Das war genau zwei Tage nach dem Staffelmarathon am 31. Oktober 2010 in Frankfurt am Main.
So weit war ich aber zum Zeitpunkt dieser Diagnose 2006 noch lange nicht. So stark ich mich vorher fühlte, so schwach und angreifbar war ich zu diesem Zeitpunkt. Ich konnte mich noch nicht mal gegen das sinnlose Geschwätz der Leute wehren wenn sie mir pofezeiten: „Wir haben's dir immer schon gesagt, du machst zuviel, du willst zuviel!“ Nun bin ich auch kein ruhiger Mensch, zappel gern, bin auch gern mal hektisch. Alles das sollte man mir nun als Fehler offenbaren und die Antwort darauf sein, warum ich mich nun in diesem Zustand befinde. Jeder meiner Familienmitglieder, meine Frau, meine Kollegen, meine Therapeutin, alle wußten Sie warum es mir ging wie es mir ging. Nichts, einen Scheißdreck wußten sie! Um eine Panikstörung verstehen zu können, musst du diese selbst erleben. Hätte man mir das vorher gesagt, wo es mir noch gut ging, ich hätte den jenigen als psychisch krank definiert und ihm versichern können, dass mir sowas nie passieren würde. Erklär mal jemandem dass du Angst hast einkaufen zu gehen, weil du dich zu schwach dafür fühlst, dass du Angst hast Angst zu bekommen. Dass du mit deiner Frau nicht essen gehen willst weil dich dort die erste Attacke erwischt hat und du Angst hast, diese dort wieder zu bekommen. Erklär jemandem warum du dich nur daheim sicher fühlst und glaubst dort passiert dir nichts. Der Mensch verdrängt schlimme Gefühle, aber der Körper vergißt sie nicht. Damit will ich sagen, wenn ich das heute so schreibe kann ich selbst oft nicht mehr verstehen, warum ich so lange brauchte um dieses Problem zu beseitigen. Ich habe auch diese Gefühle der Ausweglosigkeit, die Tränen und Verzweiflung wegen dieses Problems verdrängt. Wenn es mir aber mal wirklich nicht gut geht, es mir mal schwindlig wird oder Ähnliches, dann kommt dieses Gefühl zurück. Ich kann dann mit Progressiver Muskelrelaxation dagegen vorgehen, kann mich beruhigen da ich das Gefühl ja kenne und mittlerweile einordnen kann, aber der Körper vergißt das nicht. Fakt ist, ich habe 2005 einen guten Freund und Bandkollegen auf der Bühne beim Musikmachen verloren. Er ist mit 54 Jahren einfach umgefallen und war tot - Herzstillstand. Ich stand daneben und konnte nichts tun, wir alle standen daneben und konnten nichts tun. Die Panikattacken kamen ein Jahr später und ich glaube heute, sie sind rein auf diesen Zwischenfall, den ich bis heute nicht ganz verdaut habe und der ein ziemliches Drama in meinem Kopf hinterlassen hat, zurückzuführen. Ich glaube nicht das ich mich wirklich überlastet habe, nunja, vielleicht auch da mag ein bisschen was dran sein. Allerdings, wäre das 2005 nicht passiert, hätte es mich nicht so stark erwischt, dessen bin ich mir sicher.
Eine ganze Zeit lang rückte daher das Ziel, einen Marathon zu bestreiten, ganz weit in den Hintergrund. Ich musste erstmal überhaupt wieder fähig sein zu trainieren und zwar ohne Angst. Die Angst sollte mich Monatelang, Jahrelang begleiten, stetig und überall hin. Egal ob ich auf die Bühne ging, im Urlaub mit meiner Frau Claudia war, oder einfach nur in einer Ecke saß, die Angst war immer da. Die Angst zu sterben, am Ende zu sein, mit 26 Jahren alt zu sein. Ich habe nie aufgegeben und zwei ganz wichtige Personen zu dieser Zeit waren mein Onkel Helmut und meine Frau Claudia. Helmut kannte dieses Problem Panik gut, er hat es selbst erlebt und redete offen mit mir darüber. Im Laufe der Zeit lernte ich viele Menschen mit diesem Problem kennen, ich war nicht mehr alleine, es gab mir Auftrieb. Claudia stand stets zu mir, kaum eine Partnerin könnte das, war ich doch Monatelang aufgrund meiner Psyche von einem auf den anderen Tag zu nichts zu gebrauchen. Hinzu kam die ständige Rückversicherungsfrage an Claudia ob sie glaube das alles ok sei und ob sie auch glaube was die Ärzte sagen und so weiter. Das alles aufzuführen würde den Rahmen dieses Buches sprengen und das Thema völlig verfehlen. Fakt ist, da ich nie aufgab und immer weitermachte, lernte ich im Laufe der Zeit wieder „neu laufen“. Nicht nur negativ waren diese Panikattacken, ich lernte somit meinen Körper neu kennen, ihn besser einschätzen,