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Der blaurote Methusalem. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der blaurote Methusalem - Karl May


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Reich, wo man hundert Li bezahlen muß, um Sänfte rennen zu dürfen! Das ging so atemlos rasch, daß ich keine Zeit fand, einen rettenden Gedanken zu fassen. Ich weiß nur noch, daß ich gebrüllt habe wie ein Tiger; aber geholfen hat es nichts, denn die Kerls verstanden kein Sterbenswort chinesisch. Und als sie endlich hier vor der Thür anhielten, so schütteten sie die Sänfte um, daß ich dick auf die Mutter Erde zu sitzen kam, und rannten von dannen. ›Tsching leao‹ haben sie mir noch zugerufen. Was bedeutet das?«

      »Es ist der chinesische Abschiedsgruß.«

      »Danke für solchen Gruß! Ich bin natürlich sofort hier hereingegangen und habe nach Polizei und dem Staatsanwalt verlangt. Statt dessen aber kamen diese Blaukittels, welche nichts thun, als die Mäuler aufsperren. Ist das etwa Zucht und Sitte?«

      »Nein, jedenfalls geschieht es nur aus Bewunderung Ihrer Sprachkenntnisse.«

      »Wenn das der Fall wäre, so wollte ich es mir gefallen lassen.«

      »Leider scheinen diese braven Leute sich noch zu wenig mit der chinesischen Sprache beschäftigt zu haben. Man bedient sich hier vorzugsweise des Pitchenenglisch. Wollen Sie verstanden werden, so müssen Sie englisch sprechen.«

      »Leider scheinen Sie da recht zu haben. Aber ist es nicht eine Schande, hier in Hongkong nicht verstanden zu werden? Freilich ist es gerade wie im Deutschen. Der Plattdeutsche kann den Hochdeutschen nicht verstehen, und weil ich nur das reinste Hochchinesisch mit eleganten Endungen spreche, so können sich diese Menschen nicht in meine Linguistik finden. Ich werde mich also des Englischen bedienen müssen, wenn ich Genugtuung haben will. Denn bestraft müssen die Halunken werden, exemplarisch bestraft. Man muß sie mir ausliefern. Ich transportiere sie auf mein Schiff und lasse sie da auspeitschen, daß sie für ewig und noch länger an mich denken sollen!«

      Er hatte noch immer im zornigsten Tone gesprochen. Die Polizisten und Hotelbediensteten standen wartend da, neugierig, wie die Angelegenheit sich weiter entwickeln werde. War das Erscheinen des Kapitäns für sie ein ungewöhnliches gewesen, so doch noch viel mehr das Auftreten der drei studentisch gekleideten Personen. Sie wußten nicht, was sie aus denselben machen sollten, doch zeigten ihre respektvollen Mienen, daß sie keine geringe Meinung von ihnen hatten. Sie verstanden zwar nicht die Worte des Methusalem, aber der Ton, in welchem dieselben gesprochen wurden, und seine ernste, selbstbewußte Haltung imponierte ihnen.

      Er hielt es für angezeigt, den Kapitän vor Weiterungen abzuhalten. Darum zog er ihn am Arme zur Seite und sagte zu ihm: »Auf das Auspeitschen wollen wir doch lieber verzichten, mein lieber Freund.«

      »Verzichten? Was fällt Ihnen ein! Wenn Sie mich um meine Satisfaktion bringen wollen, so brauchen Sie mich gar nicht Ihren ›lieben Freund‹ zu nennen. Mein Fremd ist nur derjenige, welcher in meinem Interesse handelt.«

      »Das thue ich ja!«

      »So? Inwiefern dient es denn zu meinem Wohle, wenn ich auf die Bestrafung der beiden Schlingels verzichte?«

      »Insofern, als Sie dabei auf die Gelegenheit, sich abermals zu blamieren, verzichten.«

      »Blamieren – – abermals? Habe ich mich denn schon blamiert?«

      »Riesig sogar.«

      »Oho, Herr Degenfeld! Wie kommen Sie mir vor! Wollen Sie mich beleidigen? Sie würden mich da zwingen, die Angelegenheit durch scharf geschliffene Säbels mit Ihnen auszumachen!«

      »Das könnte für Sie nur eine schlimme Wendung nehmen, denn ich darf wohl sagen, daß man mich daheim für den besten Schläger hielt. Ihr hochgeehrtes, sterbliches Gehäuse würde jedenfalls eine ebenso intime wie unliebsame Bekanntschaft mit meiner Klinge machen. Zu einem solchen Verfahren ist übrigens nicht der geringste Grund vorhanden, da ich es nicht bös, sondern herzlich gut mit Ihnen meine. Wenn Sie zweifeln, sich blamiert zu haben, so ist nur zu wünschen, daß Sie Zeuge des allgemeinen Aufsehen, welches Sie erregt haben, hätten sein können. Es sah doch gar zu absonderlich aus, Ihre Beine in so angestrengter Thätigkeit zu beobachten. Konnte doch ich selbst mich kaum des Lachens enthalten.«

      »So? Also haben Sie mich gesehen?«

      »Ja.«

      »Und es fiel Ihnen nicht ein, mir zu helfen, mich aus dieser fatalen Lage zu befreien!«

      »Natürlich hatte ich diese Absicht; aber ich konnte sie nicht ausführen, da Sie so außerordentlich schnell vorüber waren. Die Kulis haben unbedingt gewußt, daß der Boden der Sänfte offen war; es muß für sie also ein Grund vorhanden gewesen sein, sich so zu verhalten, als ob sie es nicht bemerkt hätten.«

      »Natürlich! Die Kerls haben sich für die fünfzig Li, welche ich ihnen abzog, rächen wollen. Ich sollte nämlich hundertfünfzig bezahlen.«

      »Ah! Und Sie haben nur hundert gegeben? Sie haben ihnen lumpige dreißig Pfennige abgezogen? War das eines Mandarins, der Sie doch sein wollten, würdig?«

      »Etwa nicht?«

      »Nein. Ein General geizt nicht mit fünfzig Li. Durch diese übel angebrachte Sparsamkeit haben Sie verraten, daß Sie weder Chinese noch Mandarin sind. Hätte man Sie für einen solchen Beamten gehalten, so hätte man es sicherlich nicht gewagt, Sie Sänfte wandeln zu lassen. Dringen Sie nun auf die Bestrafung dieser Leute, so wird das für Sie jedenfalls fatale Ereignis noch bekannter, als es jetzt ist; man wird Sie behördlicherseits auffordern, sich als Generalmajor zu legitimieren, und da Sie das nicht können, so dürften Sie in eine Lage kommen, die ich wenigstens mir nicht wünschen mag.«

      Turnerstick fuhr sich mit beiden Händen hinter die Ohren, um sich da zu kratzen.

      »Sapperlot!« brummte er. »Daran habe ich nicht gedacht. Soll ich etwa als Angeklagter vor diesen Tsching-Tschang-Tschongs stehen? Dazu habe ich freilich keine Lust. Lieber will ich die Halunken laufen lassen.«

      »Das ist es eben, was ich Ihnen raten will. Sie meinten, es schicke sich nicht für uns, nach dem Hotel zu gehen. Sie sind dennoch nicht nur gegangen, sondern gelaufen. Sie sprachen davon, daß man mich nicht mit der nötigen Hochachtung behandeln werde. Welche Hochachtung hat man denn Ihnen erwiesen? Ich empfehle Ihnen, sich ferner lieber auf meinen Rat als auf Ihre Eingebungen zu verlassen.«

      »Ja, nun können Sie wohl dicke thun! Aber es soll mir so etwas gewiß nicht wieder passieren!«

      »Dasselbe sagten Sie, als Sie von dem Geldwechsler geprellt worden waren!«

      »Hm. ja! Es ist kein angenehmes Tsching-tsching, mit welchem mich das Reich der Mitte begrüßt, aber ich werde den ›Söhnen des Himmels‹ schon noch die Ehrerbietung abzwingen, auf welche ein Mann von meinen Sprachkenntnissen Anspruch hat. Als guter Diplomat will ich auf die Verfolgung der Kulis verzichten. Aber wehe dem Chinesen, dem es einfallen sollte, sich fernerhin einen ähnlichen Spaß mit mir zu erlauben! Ich würde ihn an seinem eigenen Zopf aufhängen! Also diese Angelegenheit ist erledigt. Was thun wir jetzt?«

      »Das, wozu mein Hund uns das Beispiel gibt: Wir trinken eins.«

Illustration: O. Herrfurth

      Abrechnung im Hotel.

      Das Zimmer, welches auch als Speisesaal benutzt zu werden schien, war ganz nach europäischer Art mit Tischen und Stühlen möbliert. Der Neufundländer war gleich nach seinem Eintritte nach einem der Tische gegangen und auf einen Stuhl gestiegen; das Glas hatte er vor sich hingesetzt. Da saß er nun, mit dem Tornister auf dem Rücken, sah unverwandt in das leere Bierseidel und ließ dabei ein ungeduldiges Knurren hören. Er war vom »Geldbriefträger von Ninive« her gewöhnt, daß das Glas sofort gefüllt werde.

      Der Methusalem erklärte den Polizisten, daß man ihrer Hilfe nicht bedürfe, worauf sie sich entfernten. Dann nahmen die vier Reisenden an dem Tische Platz, den der Hund für sie eingenommen hatte. Degenfeld erkundigte sich, ob man Bier bekommen könne, und erhielt eine bejahende Antwort.

      »So bringen Sie uns vier gute Schlucke!« befahl er. »Wir haben


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