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Der blaurote Methusalem. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der blaurote Methusalem - Karl May


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zu haben; Degenfeld aber öffnete eines, goß den Inhalt desselben in sein Studentenglas, führte dasselbe an den Mund, leerte es in einem Zuge bis auf die Nagelprobe, setzte es ab und befahl, indem er mit der Zunge schnalzte: »Nicht ganz übel! Das genügte aber nur zur Probe. Bringen Sie für jeden eine solche Portion! Fünf Personen.«

      »Fünf?« fragte der Kellner, welcher nach nochmaliger Umschau nur vier Individuen herausbrachte.

      »Ja, ich sage es doch!«

      »Aber Sie sind nur vier!«

      »Wir sind fünf. Dieser da hat auch seinen Durst.«

      Bei diesen Worten deutete er auf den Hund. Der Kellner zog eine dumm verwunderte Grimasse und fragte, um ganz sicher zu gehen, in seinem Pitchenenglisch: »Also zwanzig Flaschen, Sir?«

      »Ja doch!«

      »Aber, Sir, kennen Sie den Preis des Bieres hier in Hongkong?«

      Da stieß der Methusalem sein Glas auf den Tisch, daß letzterer krachte, und wetterte den Frager an: »Kerl, willst du etwa meine Moneten vorher okularinspizieren? Lauf Philister! sonst brenne ich dir zehntausend Füchse auf den Leib!«

      Der Kellner rannte erschrocken fort und zwei andre hinter ihm drein, da er nicht zwanzig Flaschen allein tragen konnte. Sie brachten dieselben. Der Methusalem goß abermals viere in sein Glas, schwenkte dasselbe gegen den Kapitän und sagte: »Ich komme Ihnen dieses Tröpfchen!«

      »Wie? Was?« fragte Turnerstick. »Sie kommen? Mir? Wieso? Das nennen Sie ein Tröpfchen!«

      Er hatte noch nicht ausgesprochen, so hatte der Methusalem schon ausgetrunken. Dieser füllte das Glas von neuem mit vier Flaschen, schob es dem Kapitän zu und antwortete: »Natürlich ist es nur ein Tropfen. Mir wäre es eine große Schande, ein halbes Tröpflein im Glase zu lassen, Sie kommen mir nach, und ich hoffe, daß Sie sich nicht vor uns und diesen staunenden Kulis blamieren werden!«

      »Blamieren? Pah! Sind Sie schon einmal durch eine Seemannsgurgel gekrochen? Da sind Sie gewiß nicht stecken geblieben. Ihr Gläschen macht mir keine Angst. Prosit, mein lieber Freund von Bouillon!«

      »Re!« nickte der Namensvetter des Eroberers von Jerusalem.

      Turnerstick bewies, das er nicht zuviel gesagt habe. Er trank das Glas aus. Gottfried nahm es ihm sofort aus der Hand, füllte es für sich und leerte es ebenso wie die beiden andern.

      Der Wirt und die Kellner standen von fern und warfen sich große Blicke zu. Solche Trinker sahen sie noch niemals. Der dicke Holländer hatte, obgleich sehr intim mit seinem »Vleesch« beschäftigt, den Vorgang dennoch bemerkt. Er war ein tüchtiger Esser; jetzt sah er Leute, welche im Trinken wenigstens ebensoviel leisteten wie er im Essen. Das imponierte ihm; das ließ seinen Groll sofort verschwinden. Er fühlte sich getrieben, ihnen seine Anerkennung auszusprechen. Darum erhob er sich von seinen zwei Stühlen, kam herbei, wischte sich mit der Serviette den Mund und sagte: »Mijne Heeren, gij zijt braave en dappere matters. Gij drinkt tamelijk goed. Ik ben uw vriend en uw broeder; gij wordt het begrijpen. Ik bidd, gevt mij uwe handen – meine Herren, Sie sind brave und tapfere Gesellen. Sie trinken ziemlich gut. Ich bin Ihr Freund und Bruder; das werden Sie begreifen. Ich bitte, reichen Sie mir Ihre Hände!«

      Er schüttelte jedem von ihnen die Hand und kehrte dann an seinen Tisch zurück, um weiter zu essen.

      Was Richard Stein betrifft, so wagte er sich nicht an das volle Stammglas. Er ließ sich ein kleineres bringen und eignete sich auch nur eine Flasche an. Gottfried griff augenblicklich nach den drei übrigen, leerte sie in das Glas und trank dasselbe aus, nachdem er vorher sich selbst zugerufen hatte: »Prosit Magen! Es ist zwar kein Wolkenbruch, doch ein angenehmes jelindes Plätscherchen.«

      Dann nahm er seine weiße Mütze, welche wasserdicht gefüttert war, vom Kopfe, legte sie verkehrt, also offen auf den Tisch, gerade vor den Neufundländer hin und goß diesem die letzten vier Fläschchen hinein. Der Hund nahm den Gerstensaft mit großem Wohlbehagen zu sich und leckte zuletzt die Mütze sehr sorgfältig aus, welche Gottfried sich wieder auf sein Haupt stülpte, um dann zu fragen: »So! Jeprobt hätten wir. Wat aberst nun? Wollen wir uns nach so langem Entbehren noch een loyales Seidel leisten?«

      »Was fällt dir ein,« entgegnete Methusalem. »Wir befinden uns hier nicht im ›Geldbriefträger von Ninive‹, von welchem aus wir nur um die Ecke zu gehen brauchten, um heim zu steigen. Ich vor allen Dingen muß zum Konsul. Auch habe ich eine Anweisung zu präsentieren und mich mit dem unvermeidlichen Mammon zu versehen. Wartet hier, bis ich wiederkomme! Habt ihr Lust, so trinkt meinetwegen inzwischen noch eins, aber nicht mehr! Ich werde es bezahlen.«

      »Halt!« fiel da der Kapitän ein. »Das Zahlen ist meine Sache. Wir befinden uns noch in der Hafenstadt, und ich muß Sie also bitten, meine Gäste zu sein.«

      »Habe nichts dagegen,« lächelte der Methusalem. »Aber wird Ihnen nicht die Zeche zu hoch sein?«

      »Was denken Sie! Sehen Sie doch meine Schnuren! Die reichert jedenfalls noch wochenlang.«

      Der Bemooste ließ ihn bei diesem Glauben und entfernte sich, die Pfeife und auch den Hund zurücklassend, welche er unmöglich mit zum Konsul nehmen konnte. Turnerstick bestellte zu den bisherigen vierundzwanzig Flaschen noch sechs, um eine runde Dreißig zu bekommen. Gottfried rümpfte zwar die Nase dazu, sagte aber nichts, weil der Kapitän der Zahlende war und, um einer allzu schnellen Konsumtion vorzubeugen, zwei kleine Gläser kommen ließ.

      Mittlerweile hatte der Holländer seine Mahlzeit vollendet. Er band die Serviette ab, trocknete sich mit derselben das von der Anstrengung des Essens schwitzende Gesicht und machte auf seinen Stühlen eine Wendung, daß er die drei andern nun gegenüber hatte.

      Es war ihm anzusehen, daß er nun ein kleines Gespräch im Interesse der Verdauung für nützlich hielt. Er hatte gehört, welcher Sprache sich die andern bedienten, und sagte daher in leidlichem Deutsch: »Ik verzoek – ich bitte, mijne Heeren, sind Sie nicht Deutsche?«

      »Ja,« antwortete Gottfried.

      »Dachte es mir. Auch ich bin in Deutschland gewesen, als Kommis in Köln am Rhein; damals war ich noch jünger als jetzt.«

      »Wahrscheinlich!«

      »Nein, wirklich! Damals zählte ich twintig Jaaren, und jetzt bin ich fast vijf en veertig. Damals war ich een ongelukkige nijlpaard, en jetzt bin ich een zwaare (schwerer) Mann mit gezouten (gesalzenen) Erfahrungen. Damals habe ich die deutsche Sprache erlernt, und das freut mich jetzt, weil ich mich mit Ihnen unterhalten kann.«

      »Die Freude ist beiderseitig, Mijnheer.«

      »Sehr schön! Gefalle ich Ihnen?«

      »Außerordentlich!«

      »Sie mir auch. Ich bin nämlich Mijnheer Willem van Aardappelenbosch und komme von Java, wo ich Pflanzungen von Ryst (Reis) und Tabak hatte. Ich habe verkauft und will nun sehen, ob ich hier in China etwas Aehnliches finde.«

      »Etwas Aehnliches? Warum haben Sie dann dort verkauft?«

      »Wegen dem Klima, welches mir schädlich wurde. Ich konnte niet mehr essen und niet mehr trinken; ich schwand zusammen, daß ich jetzt nur noch een Gespenst von früher bin.«

      »Hallo! Dann möchte ich Sie früher gesehen haben, Mijnheer von Aardappelenbosch!«

      »Jawohl!« seufzte der Dicke, indem er sich mit beiden Händen liebkosend über den Bauch strich. »Damals aß ich für twaalf Männer, jetzt aber esse ich niet mehr für einen halsen!«

      »Schrecklich!«

      »Nicht wahr! Ich bin ganz sterfelyk (sterblich) geworden. Was nützt mir mein Zilver (Silber), mein Goud (Gold), mein Rykdom (Reichtum), wenn ich niet essen und niet trinken kann? Nur wer tüchtig essen und trinken kann, darf gelukkig (glücklich) und tevreden (zufrieden) sein. Darum habe ich Abschied von dem dortigen Klima genommen und bin nach China gekommen, um mich wieder dick und fett zu essen.«

      »Nun, hoffentlich ist dieses Vorhaben von gutem Erfolge. Aber Ihre Haut, Mijnheer, Ihre Haut!«

      »Was


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