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Der blaurote Methusalem. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Der blaurote Methusalem - Karl May


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alles, aber bei so korpulenten Patienten ist er mir doch überlegen. Wenden Sie sich also nur getrost an ihn!«

      In diesem Augenblicke ging die Thür auf, und der Methusalem trat herein. Sofort sprang der Holländer auf, eilte auf ihn zu, ergriff ihn am Arme und fragte hastig: »Mijnheer, wat leert het Woordenboek van mijn maag ein van mijne zenuwen?«

      Fritz Degenfeld maß ihn vom Kopfe bis zu den Füßen herab, schüttelte den Kopf und antwortete: »Was das Wörterbuch von Ihrem Magen und Ihren Nerven lehrt? Um da zu wissen, woran man ist, bedarf es gar keines Buches.«

      »Sehen Sie, Mijnheer! Habe ich es Ihnen nicht vorherjesagt!« rief Gottfried, jetzt wieder in seine Mundart fallend. »Er weiß eben allens, und zwar janz ohne in dat Wörterbuch zu kieken.«

      »Du!« mahnte der Methusalem, ihm mit dem Finger drohend. »Da hast du dich wohl wieder einmal gehen lassen!«

      »Nicht die Spur von da! Er ist krank an alle innerliche und äußerliche Extremitäten. Mit die äußerlichen wollte ich's schon gern probieren, aberst zu die innerlichen, was man die internen heißt, kann meine Auskultur nicht jelangen, weil da die sojenannte »Dickt« im Wege steht. Darum habe ich mir erlaubt, den Mijnheer an Ihnen zu adressieren, weil Ihr Blick sojar durch Fleisch und Knochen jeht. Jestatten Sie mich aberst vor allen Dingen, ihm Sie vorzustellen, nämlich Mijnheer Willem van Aardappelenbosch aus Java. Dat Klima hat ihn dort so abjemagert, daß er nach hier jekommen ist, um sich da wieder emporzuessen. Der Offizier van der Gezondheit hat es ihm jeraten.«

      »Wirklich?« fragte Degenfeld, sich an den Holländer wendend.

      »Ja, Mijnheer,« antwortete dieser. »Ik ben seit einiger Zeit ganz und gar vom Vleesch gefallen.«

      »Waren Sie früher noch dicker?«

      »Ik was een reus – ich war ein Riese; jetzt aber kann man mij nur mit Mitleid betrachten.«

      Er begann, seine Leiden gerade so aufzuzählen, wie er sie vorhin genannt hatte. Degenfeld ließ ihn ruhig sprechen; er merkte sehr bald, wen er vor sich hatte. Dann, als die Aufzählung zu Ende war, fragte er Gottfried: »Habt ihr euch dem Mijnheer denn auch schon vorgestellt?«

      »Namentlich noch keineswegs,« antwortete er; »aberst daß ich ein jroßes Lumen bin, das hat er bereits jemerkt.«

      »So will ich diese Versäumnis nachholen. Mijnheer, hier sehen Sie zunächst den jungen Herrn Richard Stein, einen deutschen Gymnasiasten. Neben ihm sitzt unser Freund Tur-ning sti-king kuo-ngan ta-fu-tsiang – – –«

      »Also ein Chinese! Vorhin sprach er doch deutsch!« meinte der Dicke.

      »Von Haus aus ist er allerdings ein Deutscher. Da er aber jetzt aus dem Häuschen ist, so dürfen Sie ihn für einen Chinesen halten. Ferner sehen Sie hier meinen Spiritus familiaris, vom heiligen Femgerichte, eingetragen als Gottfried von Bouillon.«

      »Ist das niet een tapperer Ritter?«

      »Ja. Vor ungefähr achthundert Jahren hat er einen Kreuzzug gegen die Ungläubigen unternommen; jetzt aber kriecht er vor jedem Gläubiger zu Kreuze, sintemalen alle ihm zur Zahlung präsentierten Wechsel mit dem schönen Namen Gottfried Ziegenkopf querbeschrieben sind. Was nun mich selbst betrifft, so bin ich einfach der allbekannte Methusalem.«

      »Von dem die Bibel vertalt?«

      »Ja, von dem die Bibel verzählt, der Sohn Henochs und Vater des Lamech. Da ich aber weder Henoch noch Lamech gekannt habe, so möchte ich zuweilen an mir selbst verzweifeln. In solchen trüben Augenblicken nenne ich mich Fritz Degenfeld und nehme an, daß ich in einem deutschen Brauhause dem irdischen Dasein guten Morgen sagte. Ob Sie mich nun Degenfeld oder Methusalem nennen wollen, ist mir gleich; meine intimen Bekannten ziehen das letztere vor, was ich ihnen aus wohl erwogenen Gründen nicht verdenken kann.«

      Mijnheer van Aardappelenbosch sah von einem zum andern. Er wußte nicht, was er denken solle. Hier ein Patriarch aus dem alten Testamente und dort ein Ritter aus der Zeit der Kreuzzüge, beide nach einer ihm unbegreiflichen Art gekleidet! Der dritte nun gar ein unechter Mandarin, der Bier wie Wasser trank. Ueber Richard brauchte er sich den Kopf nicht zu zerbrechen; aber die andern waren ihm rätselhaft, zumal die Ausdrücke des Methusalem und seines Wichsiers so dunkel waren, daß er den Sinn derselben nicht recht zu erfassen vermochte.

      Degenfeld sah ihm das an und erlöste ihn aus seiner Pein, indem et ihm wohlwollend sagte: »Nicht wahr, Sie können nicht recht begreifen, wen Sie vor sich haben? Sie sollen bald Klarheit haben. Wo wohnen Sie?«

      »Hier im Hotel, Mijnheer.«

      »So nehmen Sie bei uns Platz, denn wir werden auch hier logieren!«

      Er schob ihm zwei Stühle zusammen, und der Holländer ließ sich auf dieselben nieder.

      »Hier logieren?« fragte Turnerstick. »Das fällt mir nicht ein! Wir müssen ja nach Kanton. Wir fahren mit dem Dampfboote.«

      »Das geht wöchentlich nur zweimal. Ich habe mich beim Konsul erkundigt. Das nächste geht erst in drei Tagen ab.«

      »Was? Wie? Und so lange sollen wir hier warten?«

      »Ja, wenn wir es nicht vorziehen, uns auf einer chinesischen Dschunke einzuschiffen.«

      »So thun wir das, wenn wir da auch viel langsamer vorwärts kommen.«

      »Nun, eine Dschunke läuft ziemlich schnell, wenn sie guten Wind hat und mit der Flut aufwärts geht. Aber wollen Sie es wirklich wagen, sich einem solchen Fahrzeuge anzuvertrauen?«

      »Warum nicht? Fürchten Sie sich?«

      »Fürchten, nein, obgleich ich gelesen habe, daß man sich möglichst in acht nehmen solle, da es Dschunken gibt, denen nicht zu trauen ist. Aber ich denke an die Unreinlichkeit, welche uns sehr lästig werden könnte.«

      »Pah! Werde die Kerls schon zur Reinlichkeit bringen. Bin ja Mandarin!«

      »Wird man das glauben?«

      »Will keinem raten, daran zu zweifeln! Wird überhaupt gar niemanden geben, der mich nicht für einen Mandarin hält. Ich mit meiner Kleidung, meiner persönlichen Würde, meinen tiefen Sprachkenntnissen und vortrefflichen Endungen. Wenn ich diesen Menschen mit meinem Kank-keng-king-kong-kung angesegelt komme, so verkriechen sie sich aus lauter Respekt in alle Löcher. Die Hauptsache ist nur, schnell eine Dschunke zu finden.«

      »Habe mich auch in dieser Beziehung erkundigt. Mit der morgen Vormittag steigenden Flut segelt eine hier ab. Sie heißt Schui-heu, zu deutsch Königin des Wassers.«

      »Schöner Name, der etwas verspricht. Eine Königin muß sauber sein. Unreinlichkeit werden wir also nicht zu befürchten haben. Und da eine Regentin sich nicht wohl mit Gesindel befassen kann, haben wir auch Sicherheit vor sonstigen Unbilden. Was hat sie geladen?«

      »Allerlei Artikel. Etwas Spezielles konnte ich nicht darüber erfahren. Ich habe sie übrigens schon gesehen.«

      »Sah sie schmuck aus?«

      »Recht leidlich.«

      »Und haben Sie mit dem Kapitän gesprochen? Das ist ja die Hauptsache.«

      »Da haben Sie unrecht, obgleich Sie selbst Kapitän sind. Der eigentliche Kapitän oder Pilot, hier Ho-tschang genannt, hat mit der Ladung, mag dieselbe nun aus Gütern oder Menschen bestehen, gar nichts zu schaffen. Er hat sich allein nur mit der Leitung des Schiffes zu beschäftigen. Wer Fracht aufgeben oder selbst mitfahren will, hat sich an den Eigentümer der Dschunke oder dessen Superkargo zu wenden. Und das habe ich gethan.«

      »Schon mit ihm abgeschlossen?«

      »Nein, denn ich wußte nicht, ob ich Ihre Einwilligung erhalten würde. Uebrigens gefiel mir der Mann gar nicht so recht.«

      »Warum?«

      »Das kann ich eigentlich nicht sagen. Er hatte ein Gesicht, welches mir Mißtrauen einflößte, und seine allzu große Höflichkeit stieß mich ab.«

      »Unsinn! Gesicht! Danach darf man gar nicht gehen. Mancher Schurke hat das einnehmendste


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