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Verwildert. George MonbiotЧитать онлайн книгу.

Verwildert - George Monbiot


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Gedanken – dem Wissen – angerührt, dass ich genau dies schon einmal getan hatte.

      Außer den beiden bereits angeführten Fischzügen war das aber nicht der Fall gewesen. Ich glaube nicht an Reinkarnation oder das Fortbestehen der Seele, nachdem der Körper gestorben ist. Ich spürte aber, dass ich etwas durchmachte, was ich schon tausend Mal getan hatte; dass ich diese Arbeit so sicher zu tun wusste, wie ich meinen Weg nach Hause fand.

      Bereits einmal zuvor hatte ich einen ähnlichen Gefühlsansturm erlebt. Unterwegs in einem Wald in Süd-England sammelte ich Kräuter und Pilze und zwängte mich durch eine dichte Wand von Blättern und Zweigen, als ich neben einem kleinen Bach einen ingwerbraunen Hügel entdeckte. Es war ein Muntjak, einer der bellenden Hirsche aus China, die sich in der Gegend ausgebreitet hatten, seitdem sie im frühen zwanzigsten Jahrhundert vom Duke of Bedford freigelassen worden waren. Das Tier dürfte lediglich ein paar Minuten vor meiner Ankunft gestorben sein. Seine Augen waren noch klar, sein Körper warm. Es war keine Wunde zu sehen, kein Blut. Seine Fänge, die großen gebogenen Reißzähne, mit denen die Böcke sich bekämpfen und Hunde zerreißen können, ragten über den Unterkiefer heraus.

      In beiden Fällen, so glaube ich – auch wenn ich die Wahrheit einer solchen Vorstellung durch nichts belegen kann –, hat sich bei mir eine genetische Erinnerung bemerkbar gemacht. Während der längsten Zeit, in der der Mensch existierte und in der er noch der natürlichen Auslese unterworfen war, ist er von Imperativen geformt worden – der Notwendigkeit, sich zu ernähren, sich zu verteidigen und zu schützen, sich auszutauschen und zusammenzuarbeiten, Nachwuchs zu zeugen und für seine Kinder zu sorgen –, was dazu führte, dass bestimmte Verhaltensmuster instinktiv wurden. Das Denken mag sie unterdrückt haben, aber wie die angeborene Reaktion, die selbst einen Rentner noch eine anderthalb Meter hohe Mauer überspringen lässt, bevor ein Lastwagen ihn erfasst, entwickelten sie sich, um uns neben den langsameren Prozessen des bewussten Verstands (geformt durch Lernen und Erfahrung) zu leiten. Diese genetischen Erinnerungen – eine Art unbewusster innerer Drang – sind unseren Chromosomen eingeschrieben und bilden eine unauflösliche Komponente unserer Identität.

      Manche dieser stereotypen Reaktionen – wie die instinktive Art, in der wir uns um unsere Kinder kümmern – sind noch immer angemessen und notwendig. Andere – wie die Instinkte, die einmal hilfreich waren, um uns und unsere Familien gegen Raubtiere und konkurrierende Clans zu verteidigen – können, einmal entfesselt, in bevölkerungsreichen und technisch aufgerüsteten Gesellschaften zu Katastrophen führen. Wir mussten Eindämmungstechniken erlernen, um unser brüllendes Blut in ruhigere Bahnen zu lenken. Wo uns diese inneren Zwänge vertraut sind, hat uns die Erfahrung gelehrt, sie zu unterdrücken oder umzuleiten. Diese Empfindung jedoch war etwas Neues. Ich hatte sie gar nicht assimilieren können, denn von ihrer Existenz hatte ich – bis ich den Hirsch aufhob – keine Kenntnis gehabt. Sie war überwältigend, roh und wild. Ich wusste nicht, wohin damit; aber ich wusste, dass sie zu mir gehört wie die Sehnen, die mir beim Beugen meiner Finger helfen.

      An der walisischen Küste des Severn-Mündungsgebiets haben Archäologen mit Hilfe von Güllepflügen, wie sie auf Bauernhöfen verwendet werden, 8000 Jahre Schlamm abgeräumt, um eine fossile Salzmarschenfläche freizulegen, die so gut erhalten war, dass man beim Anblick von Fotografien der aufgefundenen Fußspuren unwillentlich nach den Tieren und Menschen sucht, die sie hinterlassen haben. Die Ausgrabungen von Goldcliff erzählen eine Geschichte aus einer Welt, die der unseren vorausging, zu der wir aber noch gehören.1

      Manche der in lockerem Schlamm hinterlassenen Abdrücke sind groß und verwaschen; andere sauber und scharf. Man kann die Zehenballen sehen und den Schlamm, der zwischen ihnen hindurchquoll: Die Spuren sehen so frisch aus, als seien sie nach der letzten Tide entstanden. An manchen Stellen waren die Menschen gerutscht und geschlittert, die Spuren zeigen nach außen verrutschte Fersen und gespreizte Zehen, um Balance zu halten. Ein Ansammlung von Abdrücken hält einen Jagdzug von heranwachsenden Jungen fest, sie halten an, kehren um, ändern gemeinsam das Tempo. Die Schlammschicht, über die sie laufen, ist von Rothirschfährten gesprenkelt.

      Andere Spuren lassen auf eine Schar kleiner Kinder schließen, die im Schlamm herumtollen: Sie rennen in Kreisen, schlittern, treten. An einer anderen Stelle aber bewegten sich die Kinder – unserer Urgroßeltern hoch 300 – systematischer. Sogar Vierjährige haben sich offenkundig schon an der Nahrungssuche beteiligt. »Für uns mag es schwierig nachzuvollziehen sein«, stellen die Archäologen fest, dass so kleine Kinder schon auf Sammeltour gingen, »herrscht doch in der westlichen Welt eher die Einstellung, den Nachwuchs übermäßig zu beschützen.«2 Die Spurenverläufe von Erwachsenen lassen vermuten, dass ihre Verursacher womöglich Vögel jagten oder Fallen leerten.

      Die menschlichen Fußabdrücke werden von anderen gekreuzt oder umrundet: von Rothirschen und Rehen und der monströsen vollgelaufenen Spur eines gewaltigen Auerochsen. Zwei Fährten lassen sich sofort zuordnen: Hunde. Doch es sind keine. Hunde des Mesolithikums besaßen die Größe von Collies. Wo sie gehalten wurden, sind die Plätze mit zerkauten Knochen gepflastert. Diese Abdrücke sind zu groß und weder mit menschlichen Spuren noch anderen eindeutigen Hinweisen assoziiert: Die Befundlage lässt auf Wölfe schließen.

      Die Spuren allerdings, die mir wirklich Gänsehaut verursachten, gehörten nicht zu den Säugetieren, die noch immer in unseren Alpträumen heulen und bellen, sondern zu einer völlig anderen Kreatur. Über den kleineren Abdrücken von Reihern, Austernfischern und Möwen spreizten sich krähenfußartige, dreizehn Zentimeter große Spuren, die in den versteinerten Schlamm eingekerbt waren wie Maurerzeichen. Die Spuren zeigen, wie die Forscher berichten, dass das Tier, das sie hinterlassen hat, »zur Zeit des Neolithikums ein äußerst häufiger Brutvogel in dem Mündungsgebiet war«. Kraniche. Als ich das las, lehnte ich mich in meinen Stuhl zurück und schloss die Augen. Beinahe konnte ich ihre Kornettrufe über das Watt schallen hören und sie zu hunderten in die Marschen ziehen sehen, mit mantelartig ausgebreiteten Flügeln, die wie Paragleiter schräg in der Luft hingen, wenn sie zur Landung ansetzten.

      Diese Tiere – 1,20 Meter groß, mit einer Flügelspannweite von fast zweieinhalb Metern, und, in 4000 Metern ziehend, die am höchsten fliegenden Vögel der Erde –, die wie an Schnüren in der Luft hängen und den Himmel mit Lauten erfüllen, die so klar und ätherisch sind wie die Räume, die sie durchfliegen, die zur Balz, mit Dolchschnabel und Kokardenschwanz gerüstet, ihre Hälse zurückwerfen und tanzen, mit ausgebreiteten Flügeln vom Boden aufhüpfen und langsam, scheinbar so leicht wie Luft herabschweben, bevölkerten einst in Massen die Mündungsgebiete und Sumpflande. Sie lebten in Britannien in so großer Zahl, dass George Neville 1465 bei einem Fest anlässlich seiner Ernennung zum Erzbischof von York 204 davon auftischen ließ.3 Das mag unter anderem erklären, warum sie vor 400 Jahren hier ausgestorben sind. Aber seit 1979 kommen sie langsam zurück. Vom Kontinent kommende Vögel bildeten eine kleine Brutkolonie in Norfolk und ermutigten Naturschützer, sie auch anderswo wieder ansässig zu machen. 2009 wurde eine Gruppe in der Küstenebene Somersets ausgesetzt.4 Sie werden sich gegebenenfalls, wie ihre Mentoren hoffen, durch das Tal des Severn hinauf bis in die Moore und Sümpfe des restlichen Britanniens ausbreiten. Die Ausgrabungen in Goldcliff waren ein gutes Vorzeichen für die erste Phase ihrer Wiederansiedlung.

      Zwischen den Fährten fanden die Archäologen die Überreste mesolithischer Mahlzeiten. Knochen von Hirschen, Rehen und Wildschweinen, verkohlt und von Steinäxten gekerbt und die enormen Rippen und Wirbel eines Auerochsen, deren einer von einer Pfeiloder Speerspitze beschädigt war; ein paar


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