Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank RehfeldЧитать онлайн книгу.
"Hier geht es nicht darum, mich zu bereichern", widersprach Scruul in einem besserwisserischen Tonfall, als hätte er es mit einem störrischen Kind zu tun, das nicht einsehen wollte, warum es sich vom flackernden Herdfeuer fernhalten sollte. Immerhin aber schien er bereit zu sein, sich überhaupt auf ein Gespräch mit ihr einzulassen, statt den Raum einfach wieder zu verlassen. Er setzte sich zu ihr auf die Kante der Pritsche.
"Ach nein?", höhnte sie. "Als Nächstes wirst du wohl noch behaupten, du würdest dies nur zum Wohl von ganz Arcana tun, ohne jegliche eigennützige Absicht. Ein verkappter Wohltäter sozusagen."
"Unsinn!", zischte er. "Ich und meine Gefährten, wir wollen die Machtmittel, über die dieser Kenran'Del verfügt, so viel hast du ja ohnehin bereits mitbekommen. Ich glaube die alten Märchen nicht, wonach er als Gesandter der Götter von den Sternen herabgestiegen ist. Eher denke ich, dass diese geheimnisvolle Zitadelle die Quelle seiner Macht darstellt. Vielleicht ist er sogar dort erst auf etwas gestoßen, das ihm seine unglaublichen Fähigkeiten verleiht. Aber er ist ein Narr, denn er nutzt sie nicht. Tausend Jahre lang hat er sinnlos verschlafen, und womöglich wird er sich erneut in seinen magischen Schlaf begeben, wenn die Gefahr durch die Damonen gebannt ist, dabei könnte er so vieles tun, um die Geschicke dieser Welt zu beeinflussen. Deshalb dürfen seine Machtmittel nur dem Dunklen Bund in die Hände fallen."
"Damit ihr eine Terrordiktatur errichten und die Völker versklaven könnt", stieß Miranya hervor. Abgesehen von der Wahl ihrer Mittel war dies der Hauptunterschied zwischen dem Dunklen Bund einerseits und den Ishar und Vingala anderseits. Während letztere jede Art von Unterdrückung ablehnten und keinerlei Macht für sich erstrebten, waren die Mitglieder des Dunklen Bundes geradezu gierig danach.
"Wir Magier und Hexen sind nun einmal die Zukunft Arcanas", entgegnete er. "Selbst wenn eure beiden Orden dies nicht einsehen wollen. Genau deshalb erhält der Dunkle Bund ja auch immer mehr Zulauf. Die alten Völker sterben allmählich aus, und der normalen Menschheit, aus der heraus wir uns entwickelt haben, sind wir in jeder Hinsicht weit überlegen. Indem sie uns hervorgebracht hat, hat sie ihren Zweck erfüllt. Im Vergleich zu uns sind die normalen Menschen nicht viel mehr als Tiere. Warum also sollen wir ihnen die Geschicke dieser Welt überlassen, statt sie in die eigenen Hände zu nehmen?"
"Weil es nun mal ihre Welt ist", entgegnete Miranya schwach. Während ihrer Ausbildung war sie mit den Argumenten und Verlockungen des Dunklen Bundes konfrontiert worden und hatte gelernt, ihnen zu begegnen, doch gegen die Leidenschaftlichkeit, mit der Scruul von seinem Standpunkt überzeugt war und ihn verteidigte, kam ihr jedes ihrer Worte wie eine inhaltsleere, auswendig gelernte Phrase vor. "Vielleicht werden wir wirklich eines Tages ihr Erbe antreten, das wird die Zukunft weisen. Aber so weit ist es noch lange nicht", fügte sie hinzu.
"Nichts als albernes Geschwätz", sagte Scruul und machte eine heftige Handbewegung, als ob er ihre Argumente damit beiseite fegen wollte. "Die Menschen haben bereits mehr als genug Zeit gehabt, um zu zeigen, dass sie würdig sind, über diese Welt zu herrschen, aber diesen Beweis sind sie bislang schuldig geblieben. Eher das Gegenteil ist der Fall. Wenn man genauer hinsieht, zeigen sie mit jedem Tag mehr, wie wenig sie dazu fähig sind. Alle Fortschritte auf den wichtigen Gebieten der Magie, der Alchimie und allen anderen Wissenschaften gehen doch schon seit langer Zeit nur noch auf uns Magier und Hexen zurück. Die Menschen haben lediglich in der Baukunst und bei der Herstellung von Waffen und anderen Werkzeugen einige Verbesserungen hervorgebracht. Aber das ist ja auch kein Wunder, denn schließlich ist es ja schon seit Jahrtausenden ihre liebste Beschäftigung, aus den nichtigsten Anlässen heraus gegeneinander Krieg zu führen."
"Glaub nicht, dass mir das gefällt", pflichtete Miranya ihm widerstrebend bei. "Aber das ist ihre Entscheidung. Sie haben das Recht, sich ihren eigenen Weg zu suchen."
"Den sie niemals finden werden, weil sie keinen haben. In gewisser Hinsicht sind sie fast wie diese Damonen, auch ihr einziger Existenzzweck scheint der Krieg zu sein. Eine unglaubliche Verschwendung von Zeit, Energie und Ressourcen. Sie plündern diese Welt aus, aber statt eine konstruktive Entwicklung voranzubringen, hemmen sie sie nur oder werfen sie gar zurück. Und dabei sollen wir sie noch als demütige Helfer unterstützen, wie es sich die Ishar und Vingala auf ihre Fahnen geschrieben haben? Unter der Führung von uns Magiern würde Arcana einen beispiellosen Aufschwung erleben. Was soll daran falsch sein? Eure und unsere Ziele liegen gar nicht so weit auseinander, wir wollen sie nur auf unterschiedlichen Wegen erreichen."
"Wenn es vom Schicksal so vorgesehen ist, dann wird die Verantwortung für diese Welt einst auf unseren Schultern lasten", beharrte Miranya. Sie fühlte sich immer weiter in die Ecke gedrängt, hatte seinen Argumenten kaum noch etwas entgegenzusetzen. "Aber noch ist es nicht so weit", wiederholte sie.
"Und es wird auch nie so weit sein, wenn wir das Heft des Handelns nicht übernehmen. Die Elben, sogar die Zwerge und all die anderen alten Völker, die vor den Menschen einst das Antlitz dieser Welt geprägt haben, haben erkannt, wann es für sie Zeit war zu gehen. Sie sind heute fast ausgestorben und haben sich schon lange weitgehend zurückgezogen. Aber die Menschen verstehen nur die Sprache der Gewalt. Sie werden niemals freiwillig abtreten, wenn wir sie nicht zwingen. Dieses Volk stellt nur eine unbedeutende Zwischenstufe in der geschichtlichen Entwicklung dar. Wie unbedeutend es ist, zeigt sich schon darin, dass es das kriegerischste uns bekannte Volk ist, dass es einer Bedrohung wie der durch die Damonen aber fast hilflos gegenübersteht. Schon damals hatten die Menschen den geringsten Anteil daran, sie zurückzuschlagen. Damals haben die Elben, die Zwerge und die Magier die Hauptlast dieses Krieges tragen müssen. Heute gibt es nur noch wenige Elben und Zwerge, und wieder ruhen alle Hoffnungen hauptsächlich auf uns. Aber nur wir Caer-Sharuun sind in unserem Vorgehen stark und entschlossen genug, diesen Hoffnungen auch gerecht zu werden. Die Vingala sind zu schwach und die Ishar zum größten Teil zu selbstgefällig, und beide seid ihr viel zu friedliebend, um euch dieser Herausforderung mit der nötigen Härte zu stellen."
"Aber Kenran'Del ..."
"Ist nur ein einzelner Mensch", fiel Scruul ihr sofort ins Wort. "Er mag große Macht besitzen, aber es ist reines Wunschdenken, darauf zu vertrauen, dass er allein diese Gefahr bannen kann. Gerade deshalb brauchen wir sein Wissen und seine Machtmittel, und zwar gerade jetzt, begreifst du das denn nicht? Freiwillig wird er sie uns nicht geben, deshalb müssen wir sie uns nehmen. Möglicherweise hängt unser aller Überleben davon ab. Du siehst, ich denke nicht nur eigennützig, und es kann keinen besseren Zeitpunkt für mein Handeln geben."
Miranya schwieg und schüttelte nur leicht den Kopf, weil sie nicht wusste, was sie erwidern sollte. Seine Worte verwirrten sie mehr und mehr. Hinzu kam, dass ihr Kopf immer noch schmerzte und es ihr mit jeder Minute schwerer fiel, sich zu konzentrieren. Sie spürte, dass Scruul Unrecht hatte, aber er verstand es so geschickt, Tatsachen, Vermutungen und Halbwahrheiten in seinem Sinne miteinander zu vermischen und seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen, dass sie kaum noch erkennen konnte, wo das eine aufhörte und das andere anfing. Wenn man sich einmal auf seine Argumentation einließ, klangen seine Folgerungen auf eine schreckliche Art einleuchtend, obwohl sie genau wusste, dass sein Weg der falsche war.
"Warum sträubst du dich?", fragte er mit nun sanfter, einschmeichelnder Stimme. "Das alles ist neu und verwirrend für dich, weil man dir von Kindheit an beigebracht hat, dass wir Caer-Sharuun so etwas wie Ungeheuer sind. Obwohl du es dir nicht eingestehen willst, hast du tief in deinem Inneren jedoch bereits erkannt, dass ich recht habe."
"Nein!", presste sie mühsam hervor und versuchte, den in ihr tobenden Aufruhr unter Kontrolle zu bekommen. "Das ist ... nicht wahr."
"Oh doch, das ist es. Noch ist es nicht zu spät, deinen Irrtum zu erkennen, noch kannst du dein falsches Bild von uns und all die Lügen, mit denen man dich über uns vollgestopft hat, abwerfen und dich auf unsere Seite stellen. Glaub mir, ich möchte dich nicht töten. Ich verlange nicht einmal von dir, dass du den Orden der Vingala verlässt oder sogar dem Dunklen Bund beitritt. Unterstütze uns nur bei diesem einen Vorhaben. Nicht nur in deinem oder meinem Interesse, sondern um mitzuhelfen, diese ganze Welt zu retten und ihre Zukunft zu sichern."
"Niemals", keuchte sie.
"Ich erwarte jetzt keine Entscheidung von dir", erklärte Scruul. "Dir bleibt noch Zeit, bis Maziroc