Durch das Land der Skipetaren. Karl MayЧитать онлайн книгу.
sind wir beide dazu geschaffen, diese Gefahren zu fürchten?«
»Ja, bisher hast du stets Glück gehabt.«
»Und werde es auch weiter haben.«
»Auch wenn ich nicht mehr bei dir bin? Es ist mir immer gelungen, dich los zu machen, wenn du dich mit der Peitsche verwickelt hattest. Später ist das nicht mehr möglich.«
»Sihdi, daran mag ich gar nicht denken. Wenn ich von dir scheiden soll, so können sie nur getrost kommen und mich selbst zu Tode peitschen; ich gebe keinen Laut von mir.«
»Und dennoch mußt du dich mit diesem Gedanken von Tag zu Tag vertrauter machen. Einmal muß doch geschieden sein. Dich ruft deine Heimat und mich die meinige, und leider liegen beide so weit entfernt voneinander, daß wir uns trennen müssen.«
»Für immer?«
»Höchst wahrscheinlich.«
»So willst du nie wieder nach Arabien kommen?«
»Was ist des Menschen Wille? Ein Hauch gegen Gottes Ratschluß.«
»So werde ich zu Allah flehen, daß er dich zwingt, wieder zu kommen. Was hast du denn daheim? Nichts, gar nichts, keine Wüste, keine Kamele, nicht einmal Datteln und armselige Koloquinten, die kein Schakal fressen mag.«
»Ich habe mehr als du – Eltern und Geschwister.«
»O, ich habe meine Hanneh, die Zierde der Frauen und Mädchen. Wo aber hast du eine Hanneh? Welches Mädchen bekommst du daheim, wo du fremd geworden bist? Bei den Beni Arab aber kannst du wählen und dir die schönste holen – außer meiner Hanneh. Es mag in deiner Heimat schön sein, aber eine Wüste ist sie doch nicht. Bedenke doch: du darfst nicht einmal einen Menschen, der dich beleidigt, mit der Peitsche schlagen, denn sonst geht er zum Kadi, und du wirst eingesperrt oder mußt fünfzig Piaster Strafe bezahlen. Ich daheim würde sogar den Kadi prügeln, wenn er das verlangte. Und was für Sachen mußt du essen! O Allah!«
»Davon weißt du nichts.«
»O, einiges hast du mir gesagt, und vieles habe ich mir in Stambul über deine Heimat erfragt. Da gibt es Kartoffeln, Tanzboden herum. Sage mir, ob es in einem solchen Land schön sein kann? Sage mir, ob du dich wirklich sehnen kannst, dort zu sein? Sage es mir aufrichtig, Sihdi!«
Der kleine, brave Hadschi hatte keine gute Vorstellung von dem Abendland. Aber was sollte ich ihm antworten? Wenn er auch übertrieb und manches wohl falsch verstanden hatte, so konnte ich ihm im ganzen doch nicht unrecht geben.
»Nun, was sagst du dazu?« wiederholte er, als ich nicht gleich antwortete.
»Von dem, was du sagst, ist vieles falsch. Ferner paßt alles auf sämtliche Länder des Westens, auf mein Vaterland aber wohl am wenigsten. Die Bildung bringt vieles mit sich, was eigentlich nicht zu loben ist, und – —«
»So danke ich für die Bildung, welche nichts Gutes bringt. Meine Bildung besteht darin, daß ich Allah gehorche, dich, meinen Herrn und Freund, liebe und einem jeden Schurken meine Peitsche zeige. Sobald ich die Gegend erreiche, in welcher die Bildung und der Branntwein beginnt, kehre ich um.«
»So würdest du mich also nicht weiter begleiten?«
»Dich? Hm! Ja, wenn ich bei dir sein könnte, und meine Hanneh bei mir hätte, dann würde ich bleiben, mich aber um das Andere niemals kümmern. Wie lange Zeit brauchen wir denn noch, bis wir dieses Gebiet erreichen?«
»Nun, wir hätten, wenn wir durch nichts aufgehalten würden, kaum länger als noch eine Woche zu reiten, bis wir an das Meer gelangen.«
»Und dann?«
»Dann kommt die Trennung.«
»O Sihdi, so schnell?«
»Leider! Du fährst mit dem Schiff nach Stambul und Aegypten, um von da zum Stamm deiner Hanneh zu gehen, und ich reise nach Norden, nach dem Land, dessen Verhältnisse dir so wenig gefallen, welches du aber lieben würdest, wenn du Gelegenheit gehabt hättest, es kennen zu lernen.«
»So schnell hatte ich es mir nicht gedacht; aber ich denke, daß ich noch einen Trost haben darf.«
»Welchen?«
»Daß wir hier nicht so rasch vorwärts kommen werden. Diese vier Burschen, welche da vor uns reiten, werden uns noch viel zu schaffen machen.«
»Das meine ich auch, zumal noch die Aladschy dazu kommen.«
»Die Scheckigen? Hast du Neues über sie vernommen?«
Ich erzählte ihm, was ich von dem famosen Staatsanwalt gehört hatte, und erwähnte auch, daß ihn nun der abergläubische Mann für kugelfest halte.
»Sihdi,« sagte Halef, »das kann mir sehr gefährlich werden!«
»O nein.«
»Gewiß! Wie nun, wenn mir dieser Mensch zur Probe eine Kugel in den Kopf jagt?«
»Das wird er unterlassen, denn er hat Angst vor deinem Messer.«
»Das ist wahr. Uebrigens sind wir nicht lange mehr hier, und ich werde mich in acht nehmen; aber Spaß würde es mir doch machen, wenn wir ihn täuschen könnten.«
»Ich habe auch schon daran gedacht. Es könnte das für uns von großem Vorteil sein.«
»Meinst du?«
»Ja. Unsere Feinde lassen gewiß aufpassen, und da hätten wir freilich wohl Nutzen davon, wenn wenigstens einer oder zwei von uns für kugelfest gälten.«
»Ist das nicht zu machen, Effendi?«
Der gute Hadschi war von diesem Gedanken so elektrisiert, daß er sich in seinem Bett aufsetzte.
»Hm! Vielleicht,« erwiderte ich.
»Sage nicht: vielleicht! Ich kenne dich. Wenn du in diesem Tone redest, so hast du stets einen bestimmten Gedanken oder Entschluß gefaßt. Gibt es nicht ein Taschenspielerstück, welches hier anzuwenden wäre?«
»Mehrere sogar.«
»Sage sie mir!«
»Man könnte das Gewehr mit einer dazu gefertigten Patrone laden; aber das taugt nichts, denn es erregt Verdacht.«
»Weiter!«
»Man ladet das Gewehr und zeigt vorher die Kugel vor. Indem man sie in das Pflaster wickelt, läßt man sie in den Aermel fallen und stößt nur das Pflaster in den Lauf. Doch die Kugel kann leicht daneben fallen, und dann ist die Absicht der Täuschung verraten.«
»Das ist auch nichts. Nein, nicht so! Derjenige, welcher auf sich schießen läßt, darf nicht selbst laden. Der Ungläubige muß laden. Er und alle Andern müssen überzeugt sein, daß wirklich eine Kugel in dem Flintenlauf steckt, und sie muß auch tatsächlich darin stecken. Geht das nicht?«
»Vielleicht.«
»Man müßte einen Panzer haben.«
»Das würde der Schall des Aufschlages verraten. Und wie nun, wenn der Panzer nicht gut gearbeitet wäre?«
»O Allah! Da wäre es mit deinem armen, guten Halef vorbei, Sihdi!«
»Ja freilich, und das darf nicht sein.«
»Dennoch weiß ich, daß du ein Mittel hast; ich sehe es dir an.«
»Ich kenne eines, glaube aber nicht, daß es hier zu haben sein wird.«
»Was ist es?«
»Es gibt zwei Metalle, welche – in den richtigen Mengen miteinander vermischt – eine feste harte Kugel geben, die ebenso wie eine Bleikugel aussieht und auch fast genau so schwer ist. Beim Schuß aber fliegt die Mischung ungefähr zwei Fuß vor der Gewehrmündung in Atomen auseinander.«
»Welche Metalle sind es?«
»Quecksilber und Wismut. Letzteres kennst du nicht; es ist sehr teuer und wird hier wohl kaum zu haben sein.«
»Wo wäre es zu bekommen?«
»Nur in der Apotheke. Ich werde nach unserm Erwachen einmal hingehen.«
»Und bist