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Waldröschen I. Die Tochter des Granden. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Waldröschen I. Die Tochter des Granden - Karl May


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trüge gern den größten Schmerz,

      Um dir mein Leid und Weh zu sagen!

      Ich suche dich, o Vaterhand,

      Der man mich mit Gewalt entrissen,

      Und werde wohl von Land zu Land

      Fremd und erfolglos wandern müssen!«

      In Pons war heute Jahrmarkt, und darum durfte man sich nicht wundern, daß auf den Straßen und Wegen, durch die dieser Ort mit der Umgegend verbunden war, bereits am frühen Morgen ein reges Leben herrschte. Der Spanier ist ernst, doch wenn sich ihm Gelegenheit bietet, das Leben von der heiteren Seite zu nehmen, so gibt er sich dem Genuß um so nachdrücklicher hin.

      Zwei Männer schritten von Osten her der Stadt entgegen. Sie hielten sich der Straße fern und benutzten nur Wege, auf denen sie keine häufigen Begegnungen zu erwarten hatten. Sie trugen lange Pyrenäenbüchsen auf der Schulter und Messer und Pistolen im Gürtel und hatten auch sonst nicht das Aussehen friedlich gesinnter Leute. An einer Schnur hing jedem von ihnen eine schwarze Tuchrolle von der Schulter hernieder. Hätte man dieselbe aufgerollt, so hätte man sie als eine schwarze Kapuze erkannt, die vorn wie eine Maske mit ausgeschnittenen Augenlöchern gebaut war. Solche Kapuzen hatten die Briganten bei dem Überfall im Park von Rodriganda getragen, darum war es nicht schwer, diese Männer mit ihnen in Verbindung zu bringen.

      Und in der Tat, der eine war jener Räuber, den der Notar hatte entkommen lassen, und der andere war derjenige, der bei dem Angriff auf den Doktor in die Büsche entsprungen war. Als der erstere sein Gespräch mit dem Notar so schnell abgebrochen hatte, war er weiter in das Feld gegangen, hatte Rodriganda, das Dorf, zur Seite liegen lassen und war in den nach Pons führenden Weg eingebogen. Dies war nicht die Richtung, in die das Gebirge führte, und so war er hier wohl sicher, da die Verfolgung, wenn sie ja unternommen wurde, sich jedenfalls hinauf nach den Bergen zog.

      So schritt er denn ziemlich unbesorgt weiter, als sich plötzlich vor ihm die Gestalt eines Mannes in der Dunkelheit der Nacht erhob.

      »Halt!« rief ihm eine Stimme entgegen, indem zugleich der Hahn eines Gewehrs knackte. »Bleib stehen und lege deine Waffen ab!«

      Der Brigant war im ersten Augenblick überrascht, im nächsten aber erkannte er die Stimme. Es war diejenige seines Gefährten, der vor den Hieben Sternaus geflohen war. Darum antwortete er:

      »Mach keinen Spaß, Juanito! Bei mir findest du weder Gold noch Silber, ja nicht einmal den zehnten Teil eines armen Maravedi, denn diese Schufte da drüben auf dem Schloß haben mir alles abgenommen.« – »Henrico, du bist es?« rief der andere, und man hörte es dem Ton seiner Stimme an, daß er freudig überrascht war. »Alle Teufel, wie kommst du denn hierher an diesen Ort?« – »Auf meinen Beinen, denke ich!« – »Ja, sie werden dich nicht mit einem Sechsgespann herbeigefahren haben!« lachte Juanito. »Aber ich denke, du steckst im Loch und sollst morgen transportiert werden?« – »Sie hatten es allerdings so vor, aber ich habe ihnen das Spiel verdorben.« – »Du bist entflohen?« – »Natürlich! Oder meinst du vielleicht, daß sie mich freiwillig entlassen haben, he?« – »So dumm bin ich nicht ganz. Aber erzähle, wie es gekommen ist!«

      Henrico erzählte, was er von seiner Gefangennahme an bis jetzt erlebt hatte, und fragte sodann:

      »Aber nun sage auch du, wie du hierherkommst! Was tust du hier?« – »Das hast du ja gesehen! Ich lauere auf einen kleinen Fang.« – »Unvorsichtiger! Warum bist du nicht zum Capitano zurückgekehrt?« – »Warum? Und das fragst du? Meinst du, daß ich dich verlassen sollte?« – »Ach, wirklich? Du bist bloß meinetwegen zurückgeblieben?« – »Ja; bei San Jago, es ist wahr! Als dieser deutsche Elefant so unsinnig auf uns losstampfte und ihr wie Grashalme von ihm niedergetreten wurdet, da machte ich mich in die Büsche und suchte zunächst den Ort auf, an dem wir unsere Büchsen und die übriggebliebenen Kapuzen versteckt hatten. Dann raffte ich das Zeug zusammen und floh weiter. Später ging ich lauschen. Da erfuhr ich, daß man dich gefangengenommen habe und daß die anderen tot seien; morgen würde man dich weitertransportieren. Deshalb nahm ich mir vor, dich zu befreien. Ich wollte mich in den Hinterhalt stellen. Ich habe ja unsere fünf Büchsen und kann also zehn Schüsse abgeben. Für die Nacht hatte ich mich hier am Weg schlafen gelegt, als ich dich plötzlich kommen hörte und dachte, es sei irgendeiner von den reichen Bauern in Rodriganda, dem ich die Goldstücke aus der Tasche heben und die silbernen Knöpfe von der Weste und Jacke schneiden könne. Na, ich hatte mich verrechnet, aber es ist mir so doch noch lieber. Was gedenkst du nun zu tun?« – »Ich kehre zum Capitano zurück.« – »Das fällt mir nicht ein!« meinte Juanito. »Er wird ohne mich auch auskommen.« – »Ja, aber du gehörst doch zu ihm.« – »Jetzt nicht mehr. Ich habe keine Lust, mich wegen des Mißlingens unseres Auftrags bestrafen zu lassen. Er entzieht uns wenigstens zehnmal unseren Beuteanteil.« – »Hm, wenn er es nicht gar noch anders macht!« brummte Henrico. »Recht hast du, Juanito; aber wir müssen gehorchen.« – »Ich sehe keinen Grund dazu.« – »Wir haben ihm Treue geschworen.« – »Bah! Einem Räuberhauptmann braucht man keinen Schwur zu halten. Ich tue das, was die Kaufleute sagen: ich separiere mich.« – »Das heißt, du willst unser Geschäft von jetzt an auf eigene Faust betreiben?« – »Ja. Ganz allein! Außer, du machst mit!« – »Ich? Hm!« – »Überlege es dir, Henrico! Der Capitano nimmt von allem, was wir bringen, den Löwenanteil; er behält alle Geheimnisse, alle Schliche und Kniffe für sich; wir plagen uns; wir riskieren das Zuchthaus und den Galgen, er aber bleibt daheim und spielt den Gebieter. Du weißt, wieviel er für den Tod dieses Deutschen erhalten hat. Wieviel wird er wohl uns davon geben?« – »Einige lumpige Dukaten. Ja, das ist wahr!« – »Sind wir nicht die Kerle dazu, die Summe uns ganz allein zu verdienen? Können wir zum Beispiel uns nicht auch einen reichen Edelmann fangen, der uns ein so großes Lösegeld geben muß, daß wir die Herren spielen können?« – »Alle Teufel, du hast recht, Juanito! Aber dann müssen wir diese Gegend verlassen. Wenn uns der Capitano erwischt, ist es um uns geschehen.« – »Wir gehen über den Ebro. Vorher aber müssen wir uns Reisegeld holen. Da ist heute in Pons Jahrmarkt, und wir werden manchen sehen, dessen Tasche für uns besser paßt als für ihn. Gehst du mit?« – »Ja, es mag so beschlossen sein! Also Gewehre hast du?« – »Die Gewehre und Pistolen, die wir ablegen mußten, da wir den Deutschen nur mit den Messern angreifen durften. Zufälligerweise habe ich zwei Messer bei mir; du kannst eins davon bekommen.« – »Aber mit all den Büchsen und Pistolen sehen wir zu auffällig aus!« – »Narr! Was wir nicht brauchen, das wird versteckt bis zu einer gelegeneren Zeit. Jetzt aber wollen wir uns zunächst selbst in Sicherheit bringen und einen Ort suchen, wo wir die Nacht ungestört verschlafen können.«

      Auf diese Weise hatten sich die beiden zusammengefunden. Sie schliefen während der Nacht im Wald, vergruben am Morgen alles Überflüssige und machten sich dann auf den Weg nach Pons.

      Sie hatten nicht die Absicht, in die Stadt zu gehen, denn das war zu gefährlich für sie; sondern sie wollten sich vor dem Ort in den Hinterhalt legen, um irgend jemandem eine genügende Summe Geldes abzunehmen, mit der sie eine Zeitlang zu leben vermochten.

      So lagen sie hinter einigen Sträuchern verborgen und sahen manchen vorübergehen, ohne daß sie sich von der Stelle bewegt hätten, denn die Passierenden machten nicht den Eindruck, als ob sie größere Summen bei sich führten.

      Da vernahmen sie nahenden Hufschlag und das weiche Rollen von Wagenrädern; Henrico lugte mit vorgestrecktem Hals durch die Büsche und zog sich augenblicklich mit einer Bewegung des Schrecks wieder zurück.

      »Was hast du? Wer ist es?« fragte Juanito. – »Alle Wetter, bin ich erschrocken!« antwortete der Gefragte. »Das ist die Señorita!« – »Welche Señorita?« – »Aus Rodriganda. Die, welche bei dem Deutschen war, als wir ihn überfielen.« – »Wirklich? Alle Teufel, die müssen wir haben!«

      Juanito hob die Büchse und blickte nun seinerseits auch durch die Büsche, zog sich aber mit einer Miene der Enttäuschung augenblicklich wieder zurück.

      »Ja, sie war es!« meinte er. »Aber das ging ja so schnell vorbei, daß man gar nicht zum Schuß kommen konnte.« – »Zum Schuß, Juanito?« fragte Henrico. »Du wolltest sie doch nicht etwa erschießen?« – »Narr! Die Pferde wollte ich erschießen. Dann mußten sie halten und waren in unsere Hand


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