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Die Dorf-Plage. Hendrik ConscienceЧитать онлайн книгу.

Die Dorf-Plage - Hendrik Conscience


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– was mag das sein?«

      – »Nun, früher oder später, erfährst du’s doch; also brauche ich nicht länger damit einzuhalten.

      Weißt du, was mir der Notar unseres Grundbesitzers heute gesagt hat? – Bauer Staers wird morgen oder übermorgen von Gerichtsdienern vor die Thüre seines Hofes gesetzt werden!«

      – »Himmel! und Clara?« rief der Junge mit schmerzlichem Erstaunen.

      – »Ja, Clara, die arme Clara,« versetzte der Greis. »Sie hat freilich solch elendes Loos nicht verdient, aber sie muß ihrem Vater folgen, wohin sich dieser auch wenden mag . . . «

      – »Bauer Staers aus seinem Pachte getrieben?« wiederholte Lukas mit Zittern. »Es ist nicht möglich; was kann man denn gegen ihn haben?«

      – »Den vorjährigen Pachtzins ist er noch immer schuldig, und wir sind schon fast im Oktober.«

      – »Aber er besitzt ja selbst ein hübsches Stück Land zu eigen?«

      – »Zwei Jahre lang war es verpfändet und ist längst verkauft,« antwortete der Alte.

      – »Er ist doch einst reich gewesen?«

      – »Das gerade nicht, aber wohlhabend, und hätte er besser Haus gehalten, er wäre am Ende auch reich geworden, denn er hat viele gute Bauernjahre erlebt.«

      – »Was ist denn aus seiner väterlichen Erbschaft geworden? so viel kann doch ein Mensch nicht Vertrinken!«

      – »Das scheint dir so, Lukas; aber die Kehle eines Säufers ist ein bodenloses Faß und es bedarf keiner fünfzehn Jahre, um weit mehr zu verthun, als Bauer Staers je besessen hat. Ich will dir nun erzählen, wie es mit ihm gegangen ist; es wird uns Kurzweil geben und kann dir dabei zur Warnung dienen, mein Sohn . . . «

      – Von anderen Empfindungen beherrscht, wollte Lukas noch einige Bemerkungen machen, aber der Vater ließ ihn nicht zum Worte kommen und begann:

      – »Höre nun und unterbrich mich nicht. – Jan Staers’ Eltern waren Leute, bei denen es nicht knapp herging: sie bestellten ihre Felder vortrefflich und scheuten keine Arbeit, aber im Verstande sah es nicht ganz richtig bei ihnen aus und die guten Leute bildeten sich etwas mehr ein, als es Bauersleuten ansteht. So sollte denn auch ihr einziger Sohn, nicht wie sie, hinter dem Pfluge einhergehen; in der Stadt sollte er wohnen und den Herrn spielen. Sie schickten ihn in eine Schule, wo Doktoren und Advokaten gebildet werden, aber nach zwei Jahren wurde Jan des Lernens müde und wollte lieber ein Bauer werden, indem er dachte, es sei doch viel angenehmer, einer Wirthschaft vorzustehen, als sich in der weiten Welt eine unsichere Existenz zu suchen. So weit ging es noch an . . . aber anstatt ihren Sohn an die Arbeit zu gewöhnen, ließen ihn die Eltern ganz nach seiner Laune schalten und steckten ihm viel zu viel Geld in die Tasche. – Die Gelegenheit macht Diebe, sagt das Sprichwort, und Müßigang ist aller Laster Anfang, sagt unser alter Pastor. Ganze Tage lang wußte Jan nicht, wohin er seinen Körper herumschleppen sollte. So lief er ins Wirthshaus, zuerst aus langer Weile, dann aus Gewohnheit; Anfangs trank er ein einziges Gläschen, aber daraus wurden bald zwei, drei und noch mehr. Die Wirthe natürlich behandelten ihn achtungsvoll und schmeichelten seinem Hochmuthe, und ein Troß von gierigen Speichelleckern, deren es leider gar viele auf unserem Dorfe giebt, begleitete ihn auf jedem Tritt und rühmte, um damit seine Zechfreiheit zu erkaufen, Alles, was der junge Mensch that oder sagte. Kurz Jan Staers war allmälig ein Trunkenbold geworden, ehe er selber, geschweige denn seine Eltern, es ahnte. Da ließ er sich in eine Bekanntschaft ein mit der Tochter aus dem blinden Pferd, einem kleinen Wirthshaus, das früher dort hinter dem Hügel stand. Seine Trauung geschah an demselben Tage, als die meinige, und es ist jene Hochzeit die einzige Gelegenheit, bei der ich je einen andern um seinen Wohlstand beneidet habe. Staers’ Braut war schön in Seide und Sammt aufgeputzt und er selber hatte sich in der Stadt einen feinen Rock machen lassen, nebst einem Hute, der wie ein Spiegel glänzte. Sie sahen aus, als ob sie die Herren des Dorfes wären, während ich mit den Kleidern, die ich noch am Leibe habe, und meine arme Bethe, deine Mutter, mit ihrem kattunenen Mieder und ihrem gestreiften Rocke, wie Dienstleute des Bauern Staers daneben aussahen. Da habe ich es unserem Herrgott vor dem Altare gelobt, daß ich rastlos arbeiten würde, bis meine gute Bethe auch in besseren Kleidern zur Kirche gehen könne . . . und ich habe Wort gehalten . . . Aber ich vergesse weiter fortzufahren in der Geschichte des Jan Staers . . . Du magst daraus lernen, Lukas, daß es wahr ist, wenn es heißt: Wer einmal ein Sklave des Trunkes geworden, hat seine Seele dem Teufel verkauft . . . Im Anfange seines Hausstandes verhielt sich Jan ziemlich anständig und arbeitete wohl auch zuweilen auf dem Felde und wir glaubten alle, er habe mit dem Junggesellenleben auch seine schlimme Lebensart abgestreift; aber es dauerte nicht lang und man sah ihn wieder im Wirthshaus und wenn er auch mäßiger trank, so glühten ihm doch manchmal die Backen und leuchteten ihm in nicht natürlicher Weise die aufgelaufenen Augen . . . Seine Eltern starben in demselben Jahre kurz nacheinander und Jan wurde Pächter auf dem steinernen Hofe. Da er seines Vaters Kasse wohl versehen fand, dünkte er sich jeder Sorge für die Zukunft enthoben und fing an, seine Arbeit immer mehr zu versäumen, um seiner Trinklust zu fröhnen. Ob er seine Frau mißhandelte, weiß ich nicht; gewiß ist, daß sie von Tag zu Tag mehr abzehrte und Jedermann sagte sich, es müsse dies nicht von allzu behaglichem Lebensgenusse herrühren. – Jan ging damals noch von Zeit zu Zeit zur Kirche. Eines Sonntags aber stellte der Pastor ein Gleichniß auf, von einer aus Lehm gebauten Hütte, die mit der Zeit einen steinernen Pachthof aufgezehrt hatte. Die Hütte, sagte er, bewohnte ein arbeitsamer rechtschaffener Mann; der Pächter des steinernen Hofes hingegen war ein leichtsinniger Säufer. Da nun unser Häuschen – das zu jener Zeit noch aus Lehm bestand – nicht weit von seinem Hofe lag, glaubte Jan Staers, das Gleichniß des Pastors sei auf ihn und mich gemünzt gewesen, und wurde so sehr auf mich erbittert, daß er mich seitdem nur mit hämischem Auge ansah. Unter seinen saubern Gesellen heißt er mich einen Grillenfänger, einen Haarklauber, einen Knauser, einen Splitterrichter u. dgl . . . .aber was kümmert’s mich; weiß ich doch, daß der nur unglücklich genannt werden muß, der von schlechtem Gesindel sich rühmen hört. – Aber ich komme wieder von meiner Erzählung ab . . . Ich habe dir nämlich noch kurz zu berichten, was du zum Theil selbst mit angesehen hast. Als Jan bemerkte, daß es mit seinem Wohlstand gewaltig bergab ging, wollte er ihm mit gewagten Unternehmungen wieder aufhelfen. Er legte einen Getreidehandel an, aber da er immer noch zu tief ins Gläschen guckte, ist ihm der Handel auch nicht sonderlich gelungen und in kurzer Zeit sah er sich um seinen letzten Stüber gebracht. Nach sechs Jahren starb seine Frau und von da ab ist er vollens ins Elend gerathen; Knecht und Magd liefen davon; die Felder blieben brach liegen oder wurden an arme Leute vermiethet, die Kartoffeln darauf pflanzten; eine Kuh nach der andern wurde verkauft, so daß er am Ende nur noch eine einzige übrig behielt. Auch sein letztes Pferd ging darauf. Denke dir, Lukas, eine einzige Kuh für einen so stattlichen Hof! Der Gedanke thut mir fast so weh, als wenn ich von mir selber redete. Wir, die wir auf magerem Sandboden vom Morgen bis zum Abend uns abmühen, um einige kümmerliche Früchte zu erringen, müssen auf den fetten Feldern des Nachbars das Unkraut wuchern sehen! Es ist dies eine Schande, behaupte ich, eine Schande vor Gott und der Menschheit . . . So begreift sich’s, daß, wie gesagt, Jan Staers im vergangenen Jahre seinen Zins nicht hat entrichten können; unser Grundherr, der ihn lange geschont hat um seines seligen Vaters willen, hat endlich die Geduld verloren und ist auf dem Punkte, kurzen Prozeß mit ihm zu machen. Morgen sollen die Gerichtsdiener Alles auf dem Hof in Beschlag nehmen und den Schlemmer auf die Straße setzen . . . So geht es den Säufern, mein Sohn; den Anfang macht ein Tröpfchen Branntwein; aber das Ende ist der Bettelsack, dass Verbrechen oder noch etwas Aergeres!«

      Der Jüngling hatte auf diese Erzählung mit einer unwillkürlichen Zerstreutheit gehorcht. Als nun der Greis zu sprechen aufgehört, fragte er:

      – «Seid ihr zu Ende, Vater?«

      – »Ja, Lukas; und du weißt nun, was mich so trübsinnig stimmte?«

      – » Weiß denn der Bauer Staers, welches Unglück ihm droht?«

      – »Gewiß; es ist ein Urtheilsspruch gegen ihn erlassen worden. Dennoch hat man ihm bis gestern noch Zeit gelassen, um zu bezahlen. Aber was hat er gestern und vorgestern gethan? von einer Kneipe zur andern


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