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Die Dorf-Plage. Hendrik ConscienceЧитать онлайн книгу.

Die Dorf-Plage - Hendrik Conscience


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geschehenes Unglück zu errichten pflegt.

      – »Auf diesem Kreuze steht zu lesen,« sagte der Vater, »daß ein gewisser Petrus Darinckx an dieser Stelle ums Leben gekommen. Der ruchlose Mörder war der Branntwein. Das Unglück geschah, als diese Straße noch nicht ausgehauen war und dort unten noch große Steinblöcke lagen. Da nun – Darinckx in dem Wirthshause hinter dem Hügel dort seine Vernunft zurückgelassen hatte, ist er in der dunkeln Nacht von diesem Abhang mit der Stirne auf die Steine gestürzt. Gott ist barmherzig; aber doch beklage ich seine arme Seele . . . «

      Mit gesenktem Haupte wandelte der Jüngling an seines, Vaters Seite dahin, ohne sonderlich auf seine Rede zu merken; dem Alten entging der bittere Verdruß, der seinen Sohn erfüllte, nicht und er betrachtete diesen mit tief empfundenem Mitleiden.

      Auf einmal rief der junge Bauer, den Kopf aufrichtend und mit kräftigem Tone:

      – »Aber Clara, die unschuldige Clara, was wird aus ihr werden?«

      – »Ich habe wohl auch an sie gedacht, mein Sohn; aber ich sehe nichts als Elend und Drangsal für das arme Mädchen …«

      – »Elend und Drangsal!« erwiederte schmerzlich Lukas.»Vater, dürfte ich euch doch heraussagen, was mir auf dem  Herzen liegt! Aber ich wage es nicht; ihr möchtet böse darüber werden, fürchte ich.«

      – »Ich kann mir wohl denken, was dich drückt und es thut mir leid genug um dich, mein armer Lukas, aber Gott hat es einmal so geschickt und du mußt dich geduldig in seinen Rathschluß fügen.«

      – »Wie, ihr wisset, was ich meine?« stammelte der Jüngling mit Erröthen, »Niemand auf Erden weiß es ja; Niemand .   . . . als die Mutter allein und die hat mich nicht darum gescholten, im Gegentheil …«

      Einige Falten zogen über die Stirne des Greises.

      – »Nein, Vater, laßt es euch nicht verdrießen,« bat Lukas.»Es hat sich dies Gefühl nach und nach in meine Seele geschlichen, ohne mein Wissen und Wollen.Zuerst war es nur Mitleiden; ich konnte doch das unglückliche Schaf,  so schön und so zart, nicht allein den Garten des Hofes besorgen, den Acker umgraben und düngen und vorn Morgen  bis zum,Abend eine Arbeit verrichten sehen, vor der selbst ein Mann erschrecken müßte. So habe ich ihr denn in der Abwesenheit ihres Vaters und wenn es zu Hause wenig zu thun gab, geholfen und ihr das Tagwerk erleichtert.Aus ihrer Dankbarkeit und meinem Mitleiden ist aber mit der Zeit ein anderes Gefühl rege geworden, das, ich bisher mit Ausnahme der Mutter vor Jedermann Verborgen hielt…Aber der Gedanke, daß man Clara vom Hofe vertreiben und brodlos auf die Straße werfen will, durchbohrt mir das Herz und macht mich kühn genug, um euch etwas zu sagen, Vater, das mir sonst nicht leicht über die Lippen gekommen wäre.«

      Mit geschwächter Stimme und zur Erde blickend murmelte er unter schwerem Seufzer:

      – »Vater, ich liebe Clara!« .

      Nach einer Pause fragte der Alte wie in Gedanken versunken:

      – »Hast du es ihr je gesagt, Lukas?«

      – »Nein, niemals!« flüsterte der Jüngling.

      – »Wie kannst du dann wissen, ob sie für dich dasselbe Gefühl hegt?«

      – »Das weiß ich freilich nicht, Vater,« antwortete Lukas mit völliger Niedergeschlagenheit, »aber ihre Augen, ihre Stimme, ein unbeschreiblicher Ausdruck in ihrem ganzen Wesen, etwas Geheimnißvolles, als ob unsere Seelen in eine verschmolzen wären . . . «

      »Sei nicht gar so muthlos, Lukas,« sagte der Greis mit sanftem Tone, »ich wußte es längst schon; und hätte ich Arges darin gesehen, so würde ich gleich Anfangs ein Hinderniß in den Weg gelegt haben. Das Unkraut, wenn es wirklich Unkraut ist, muß zeitig ausgesätet werden, sonst wird man seiner nicht mehr Meister.«

      – »Dank, Vater, für eure Güte,« rief der Jüngling. »Jetzt aber müßt ihr meine Angst und meinen Schmerz wohl begreifen. Clara Von Haus und Hof gejagt« Clara, eine irrende Bettlerin! Das kann doch nicht sein, Vater; ich würde krank und« schwindsüchtig darüber werden!«

      – »Nein, nein, Lukas, so arg ist es noch nicht; aber immerhin verstehe ich deinen Verdruß recht gut. Clara ist ein gutes, fieißiges Kind; und wäre es mir möglich, etwas für sie zu thun, würde ich – der Geizhals, der Haarklauber, der Schalenbeißer – es nicht unterlassen, und sollten auch einige Stüber, aus der Mutter Sparhafen dazu genommen werden. Aber, wenn ich ihr Geld gäbe, würde es ihr Vater bald in die Hand kriegen und es ins Wirthshaus schleppen . . . «

      – »Ein Almosen!« seufzte der Jüngling mit Verzweiflung.

      – »Mein Schweiß, der Schweiß deiner Mutter sollte dazu dienen, um Branntwein zu bezahlen? Niemals!«

      – »Es bleibt noch ein anderes Mittel, Vater.«.

      – »Ein anderes Mittel? Laß hören.«

      Der Jüngling schwieg und senkte den Blick verschämt zur Erde. Es schien dem Alten, als ob seinem Sohne die Beine schlotterten und er an einer heftigen Gemüthsbewegung litte.

      – »Ist denn das Mittel so gar schrecklich, mein Sohn,« fragte er, »daß du es nicht auszusprechen wagst?«

      – »Wohlan, es muß heraus!« rief der junge Bauer, als hätte er einen verzweifelten Entschluß gefaßt.

      – Aber er verfiel aufs neue ins Schweigen und erst nach einer Weile sagte er mit stiller, bewegter Stimme:

      – »Ach Vater, seid nicht böse auf mich, ich werde mich eurem Willen unterwerfen, und sollte mich die Achtung, die ich euch schulde, vor der Zeit ins Grab führen . . . Hört aber « immer, was ich euch nun erzählen will. Es hat mir in der Nacht geträumt; nicht gestern, sondern es ist schon ein Monat darüber verstrichen. Ich hatte des Abends zuvor für Clara einige Ruthen Land geackert und die Arbeit hatte mich sehr ermüdet . . . «

      – »Nun, es braucht nicht so viele Umschweife. Was war’s für ein Traum?«

      – »Ein gar schöner. Noch sehe ich euch, Vater, in der Ecke des Kamins mit eurem Pfeifchen im Munde sitzen, lachend und lustig, als wie der reichste Mensch . . . und die Mutter sang gemüthlich unter dem Spinnen. »Wo kann man froher sein?« Es war so schön und herrlich, daß ich wohl so fort, bis in die Ewigkeit hinein träumen wollte; freilich ihr, Vater, müßtet immer dabei sein, und die Mutter auch und . . . und Clara auch.«

      – »Ah so, Clara war auch dabei?« lächelte der Alte, – »hatte mir’s wohl gedacht.«

      Sein Gesicht wurde ernster und er sprach weiter:

      – »Aber Junge, merke auf deine Worte. Du wolltest so fort in die Ewigkeit hinein träumen, sagtest du? Gäbest du denn etwa den Himmel für einen Traum?«

      – »Ach, verzeiht mir’s, Vater; es war nur so eine Redensart und nicht ernstlich gemeint; ich wollte blos sagen, daß es gar ein schöner Traum war.«

      – »Aber, Lukas, wird’s bald?« rief der Greis mit Ungeduld; »kriege ich endlich den Traum zu hören? Sonst wollen wir lieber von was Anderem reden.«

      – »Nein, nein, Vater, habt Geduld,« bat der Jüngling, »ich werde gleich Muth fassen und mit der Sprache heraustreten. Ihr könnt nur einmal böse werden, und dazu kann ich doch nichts thun . . . So höret denn, was ich im Traume sah: – Wir hatten acht Kühe und zwei Pferde, – Land und Weide im Ueberfluß. Mich dünkte, ich sei stark wie ein Riese; meine Hände waren breit und schwer geworden und ich fühlte in mir einen ganz eigenthümlichen Muth – und eine seltsame Kraft. Wir arbeiteten – ich will sagen, ich arbeitete . . . vom frühesten Tageslicht an bis zur Abenddämmerung und fühlte mich so überglücklich, daß ich wohl die Sonne an den Himmel festgenagelt haben würde, wenn es mir möglich gewesen wäre. Alles gedieh aufs Schönste; Gottes Segen ruhte auf unserem Hause; unser Grund strotzte von herrlich aufblühenden Saaten. Ihr selbst brauchtet nicht mehr zu arbeiten, Vater; – ihr habt ja euer gutes Theil in diesem Leben den Spaten geführt, nicht wahr? – So beträchtlich auch unser Gut war, die Arbeit war noch nicht


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