Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
Bodo und Kurt nach Hause, Ulrich nahm Armin mit.
Als Lucius die Männer abgesetzt hatte, beschloss er, noch einmal bei Ulrich vorbeizufahren. Sein Onkel war der einzige Mensch, mit dem er offen über seine Gefühle für Franziska reden konnte – und danach sehnte er sich jetzt.
Als er die Straße hinauffuhr, an dessen Ende Ulrichs Haus stand, beschlich ihn plötzlich ein seltsames Gefühl. Später kam er zu der Erkenntnis, dass er wohl eine Art Vorahnung gehabt hatte. Ulrich war noch nicht da – Armin wohnte ein ganzes Stück entfernt.
Lucius’ Blick fiel auf das Haus, und vor Schreck trat er so heftig auf die Bremse, dass der Motor stotternd erstarb. Das Haus sah aus, als hätte ein Sturm gewütet – doch das Wetter war ja vollkommen ruhig gewesen, diese Erklärung für die Verwüstungen fiel also aus.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals, seine Hände krampften sich um das Lenkrad seines Wagens. Was war da passiert? Er stellte fest, dass er davor zurückschreckte, weiterzufahren. Langsam stieg er aus und spähte zum Haus hinüber. Nur zögernd nahm sein Gehirn die Einzelheiten wahr: das teilweise abgedeckte Dach, die zerhackte Eingangstür, die niedergerissenen Zäune, die eingeschlagenen Fenster.
Er hörte, wie sich ein Wagen näherte und zuckte vor Schreck zusammen. Kamen diejenigen, die für die Verwüstung verantwortlich waren, noch einmal zurück? Würden sie jetzt auch ihn angreifen, weil er die Schandtat entdeckt hatte? Aber als er sich umdrehte, erkannte er den Wagen seines Onkels. Er erschrak erneut. Wenn der Anblick des Hauses schon auf ihn eine solche Wirkung ausübte – um wie vieles schlimmer musste er dann für Ulrich sein!
Ulrich hupte, doch Lucius war unfähig, sich zu rühren. Er sah seinen Onkel nur an, daraufhin stieg dieser ebenfalls aus. Er setzte schon zu einer Frage an, als sich seine Augen plötzlich weiteten: Nun hatte auch er entdeckt, was geschehen war.
»Nein!«, stieß er hervor. Gleich darauf stürzte er vorwärts, Lucius folgte ihm. Die Autos ließen sie mitten auf der Straße stehen.
Was nun folgte, beschrieben beide Männer später als Albtraum. Zögernd und mit angehaltenem Atem betraten sie das Haus, liefen durch die Zimmer, registrierten die Schäden, ohne wirklich zu begreifen, wie das alles hatte geschehen können. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Ulrich imstande war, zum Telefon zu greifen und die Polizei anzurufen.
Danach setzte sich der Albtraum fort, denn nun mussten Spuren gesichert, das Grundstück abgesperrt werden. Da die Haustür nicht mehr existierte und mehrere Fenster eingeschlagen worden waren, hätte sonst jeder, der vorbeikam, das Haus ungehindert betreten können.
Noch während die Beamten ihrer Arbeit nachgingen, rief Lucius auf Gut Randershausen an, um Franziska und Elsbeth zu benachrichtigen. Nun waren alle schönen Pläne hinfällig, die sie gemacht hatten, denn Ulrich würde für lange Zeit damit beschäftigt sein, das eigene Haus wieder herzurichten.
*
Franziska war leichenblass, als sie zu Elsbeth zurückkehrte. Die beiden Frauen hatten noch draußen gesessen, der Abend war schön und mild, und nach wie vor war die Temperatur zumindest tagsüber draußen angenehmer als im Haus.
»Ist etwas passiert?«, fragte Elsbeth beunruhigt. Das Telefon hatte Franziska zuvor ins Haus gerufen.
»Ulis Haus ist vollkommen demoliert worden«, antwortete Franziska tonlos. »Das war Lucius, er war den Tränen nahe. Er sagte, so etwas hätte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen.« Sie beschrieb Elsbeth, was sie soeben gehört hatte.
Elsbeth war nicht weniger entsetzt, sie hatte sich jedoch besser unter Kontrolle. »Aber wer tut denn so etwas – und warum?«, fragte sie mit gerunzelter Stirn. »Ich verstehe das nicht, Franzi.«
»Wer versteht so etwas schon? Er tut mir so leid, Elsbeth – er ist so ein feiner Mann. Warum machen Menschen so etwas?«
»Hatte er Geld und Wertsachen im Haus?«
»Das weiß ich nicht. Lucius hat nur erwähnt, dass offenbar nichts gestohlen worden ist. Er meinte, da wäre jemand aus purer Lust an der Zerstörung am Werk gewesen. Jedenfalls ist das das Ende unserer Pläne für das Gutshaus.«
Elsbeths Blick glitt in die Ferne. »Vielleicht«, murmelte sie nach einer Weile nachdenklich, »ist das der wahre Grund für die Zerstörung.«
»Was meinst du denn damit?«
»Dass es nicht um Ulis Haus ging, sondern um deins. Dass es jemandem nicht gefällt, wenn hier plötzlich gearbeitet wird und es so aussieht, als bliebst du hier.«
»Ich verstehe dich immer noch nicht«, erklärte Franziska unsicher.
»Bist du noch nie auf die Idee gekommen, dass es mit dem Testament deines Vaters vielleicht nicht ganz seine Richtigkeit hatte?«
»Ich … aber was willst du denn damit sagen?«
»Das weißt du genau. Also? Hast du darüber noch nie nachgedacht?«
Franziska schluckte, bevor sie zögernd gestand: »Ich fand es seltsam, dass Papa mir nicht mehr Geld hinterlassen hat, obwohl er wusste, dass das Haus saniert werden muss, aber dann habe ich mir gesagt, dass ich kein Recht habe, seine Entscheidungen anzuzweifeln, Elsbeth.«
»Aber trotzdem ist und bleibt es merkwürdig«, murmelte Elsbeth. Sie hatte noch mehr sagen wollen, verfolgte ihren Gedankengang jedoch nicht weiter, als sie sah, dass Franziska ihr ohnehin nicht mehr zuhörte, weil sie sich bereits wieder mit Ulrich von Rethmanns zerstörtem Haus beschäftigte. Stattdessen sagte sie: »Vielleicht können wir ihm jetzt helfen.«
»Das werden wir ihm auf jeden Fall anbieten«, erwiderte Franziska. Sie war noch immer blass, ihre Stimme zitterte.
»Zum Glück ist Uli nichts passiert.« Jetzt erst war auch Elsbeth anzumerken, wie tief die schlimme Nachricht sie getroffen hatte. »Wenn die Einbrecher da so gewütet haben … Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Uli sie überrascht hätte.« Sie griff nach Franziskas Hand. »Morgen Nachmittag, wenn du aus der Schule zurück bist, fahren wir zu ihnen und fragen, ob wir etwas für sie tun können.«
Franziska nickte, wenig später gingen sie ins Haus. Ein schöner
Tag war überaus hässlich zu Ende gegangen.
*
»Frau Aldekamp, Sie sind wirklich gekommen?«, rief Robert von Hoyningen, als seine Sekretärin das Zimmer betrat, in dem Walter Hornung ihn untergebracht hatte.
»Das war doch selbstverständlich«, erwiderte sie. »Geht es Ihnen besser, Herr von Hoyningen? Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.«
»Ja, danke, es geht mir besser, aber nicht gut. Ich muss ein paar Entscheidungen fällen, die auch Sie betreffen. Wenn ich mich nämlich der Polizei stelle, dann kann ich meine Arbeit nicht fortsetzen, und damit verlieren Sie Ihre Stelle. Das ist Ihnen doch klar?«
»Ja, das ist mir klar«, antwortete sie.
»Trotzdem wollen Sie, dass ich das tue?«
»Sie werden sonst Ihres Lebens nicht mehr froh, Herr von Hoyningen, und deshalb müssen Sie es tun.«
»Frau Aldekamp …« Robert brach ab, setzte erneut an. »Ich glaube, ich habe Sie in all den Jahren, seit Sie für mich arbeiten, nicht richtig zu schätzen gewusst.«
Sie errötete, während sie abwehrend sagte: »Sie waren ein sehr guter Chef, Herr von Hoyningen, Sie haben sich nichts vorzuwerfen.«
»Das meinte ich nicht«, entgegnete er leise. »Sie haben immer zu mir gehalten, mir den Rücken frei gehalten, viel mehr gearbeitet, als Sie gemusst hätten – und ich …«
»Aber ich bitte Sie, Herr von Hoyningen! Sie haben mich sehr gut bezahlt, und ich habe nur meine Arbeit getan.«
»Eben nicht! Sie haben viel mehr für mich getan, und ich habe es nicht einmal bemerkt. Für mich waren Sie die perfekte Sekretärin, aber ich hätte sehen sollen, dass Sie auch ein guter Mensch und eine anziehende Frau sind. Stattdessen war ich damit beschäftigt …«
Sie