Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
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Erschöpft ließ sich Isabel Rosner aufs Bett fallen. Sie hatte einen anstrengenden Tag in der Universität hinter sich, an der sie im sechsten Semester Tiermedizin studierte. Doch auch der Abend würde ihr keine Erholung bieten. Sie hatte einen neuen Job als Bedienung im Calimero angenommen, einem kleinen Bistro in der Innenstadt, in dem vorwiegend Studenten verkehrten. An diesem Abend sollte sie ihre Feuerprobe bestehen, und da sie noch nie bedient hatte, war es ihr entsprechend unbehaglich.
Isabel warf einen Blick auf die Uhr und stand seufzend auf. Es blieb ihr grade noch Zeit für eine erfrischende Dusche an diesem heißen Spätnachmittag Ende Juli, bevor sie zur Arbeit aufbrechen mußte. Während sie den kühlendenWasserstrahl genoß, dachte sie darüber nach, daß sie sich dringend einen Arzttermin bei Dr. Norden, ihrem Hausarzt, besorgen mußte. Schon seit einiger Zeit fühlte sie sich merkwürdig kraftlos und mußte sich zu jeder Anstrengung aufraffen, was normalerweise nicht ihre Art war. Isa, wie sie von ihren Freunden genannt wurde, war es gewohnt, sich viel zu bewegen.
Sie joggte gern früh am Morgen durch die Isarauen, doch in letzter Zeit war sie selbst dazu zu erschöpft. Morgen rufe ich an und mache einen Termin, dachte sie entschlossen und fühlte sich gleich etwas besser.
Nachdem sie ausführliche Körperpflege betrieben hatte, ging sie in das Schlafzimmer ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung im dritten Stock eines unattraktiven Wohnblocks. Es war eine einfache Unterkunft, und es fehlte an allen Ecken und Enden. Es war Isabel dennoch gelungen, sich mit ihren geringen Mitteln ein gemütliches Heim zu schaffen. Nachdenklich stand sie vor dem Kleiderschrank und überlegte, was sie anziehen sollte, denn der Wetterbericht hatte wie schon so oft in den letzten Tagen Regen angesagt, der sich aber immer wieder in andere Gebiete verzogen hatte. An diesem Abend schien die Vorhersage jedoch einzutreffen, denn dunkle Wolken türmten sich bereits am Abendhimmel.
Schließlich wählte Isabel eine bequeme Stretchjeans und ein dünnes schwarzes Shirt mit langen Ärmeln, um gegen jede Laune des Wetters gewappnet zu sein. Während sie auf dem Bett saß und die Hose über die langen, schlanken Beine streifte, ahnte sie nicht, daß sie einen Beobachter hatte, der sie nicht aus den Augen ließ. Sein Blick glitt über ihren Oberkörper hinab zu ihren Händen, die gerade den Reißverschluß der Jeans zuzogen. Doch dann stand sie auf, griff nach dem dünnen Pullover, der neben ihr auf dem Bett lag und verschwand noch einmal im Bad, wo sie sich seinem Blick entzog.
Mit einem hämischen Grinsen ließ Achim Welser das Fernglas sinken. Auch wenn die junge Frau von Gegenüber das Zimmer jetzt verlassen hatte, so hatte er doch genug Gelegenheit gehabt, sie ausgiebig zu beobachten. Zufrieden schnalzte er mit der Zunge und vergewisserte sich, daß Isabel nicht noch einmal zurückkehrte, bevor er seinen Beobachtungsposten verließ. Obschon die junge Frau bereits seit einigen Monaten in dem Block gegenüber wohnte, hatte er noch nie Gelegenheit gehabt, sie so genau zu betrachten. Sonst hatte sie die mit Rosen bedruckten Vorhänge zugezogen, doch an diesem Abend war sie offenbar zu sehr in Gedanken gewesen, um daran zu denken. Er nahm sich vor, sie bei nächster Gelegenheit »zufällig« zu treffen, denn was er gesehen hatte, war ganz nach seinem Geschmack gewesen.
Plötzlich hatte er eine Idee. Warum sollte er sein Vorhaben auf die lange Bank schieben? Es hatte so ausgesehen, als ob sie sich für eine Verabredung zurechtmachte. Diese Chance wollte er nicht ungenutzt lassen. Er griff nach seiner Lederjacke, die neben ihm auf dem Bett gelegen hatte und war gerade im Begriff, die Wohnung zu verlassen, als ihn das Klingeln des Telefons zurückhielt. Er stutzte einen Moment, seufzte dann und griff unwillig nach dem Hörer.
»Welser«, knurrte er unfreundlich in den Hörer.
»Achim, altes Haus, warum so böse?« fragte eine gutgelaunte Stimme am anderen Ende des Apparates, und im Hintergrund war lautes Gelächter zu hören.
»Ach, du bist es Peter. Wegen dir verpasse ich gerade die Chance meines Lebens!« brummte Achim.
»So wichtig kann das nicht gewesen sein«, wiegelte der Freund unbeeindruckt ab. »Wie schaut es aus, gehst du heute abend mit ins Calimero?«
»Was wollt ihr denn schon wieder in dieser langweiligen Kneipe?«
»Na hör mal, die jungen Studentinnen dort haben dir doch bisher immer ganz gut gefallen! Wir sehen uns dann um acht!« Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Peter Schrödel auf.
»Idiot!« schimpfte Achim und knallte den Hörer auf die Gabel. Dann warf er einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach sechs. Er hatte also noch zwei Stunden Zeit, um sein Glück bei der schönen Nachbarin zu versuchen. Hoffentlich hatte sie die Wohnung noch nicht verlassen. Trotz der Wärme, die immer noch herrschte, warf er seine Lederjacke über und machte sich auf den Weg zum Hauseingang des gegenüberliegenden Wohnblocks, der zu seinem Leidwesen auf der anderen Seite lag, so daß er keinen Überblick darüber hatte, ob und wann Isa die Wohnung verlassen würde. Mit hochgeschlagenem Kragen ging er so unauffällig wie möglich an der Hauswand auf und ab und ließ die Tür nicht aus den Augen. Mit jeder Minute spürte er, wie die Spannung in ihm wuchs, und er bemühte sich, ruhig zu bleiben. Doch dieses Mal schien er kein Glück zu haben. Als eine nahe Kirchturmuhr sieben Uhr schlug, war ihm endgültig klar, daß er Isabel verpaßt hatte. Wütend trat er gegen einen Stein und da er nicht wußte, was er mit der angebrochenen Stunde anfangen sollte, machte er sich schließlich früh auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt.
*
Im Hause Norden herrschte reges Treiben, was zu dieser Uhrzeit recht ungewöhnlich war. Da die Sommerferien jedoch vor der Tür standen, nahmen es Fee und Daniel nicht mehr so genau mit dem Schlafengehen, und Jan, Dési und Anneka genossen diese Freiheit ausgiebig. Sie waren im Garten in ein Spiel vertieft, während die beiden Großen sich kabbelten.
»Hast du mein Game-Boy-Spiel gesehen, Danny?« erkundigt sich Felix bei seinem älteren Bruder.
»Was soll ich denn mit so einem Kinderkram?« antwortete Danny ein wenig von oben herab. Er gab nicht zu, daß er hin und wieder doch noch ganz gern mit dieser Art Mini-Computer spielte.
»Tu doch nicht so! Wenn ich es bei dir im Zimmer finde, gibt’s Ärger!« rief Felix und lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch.
»Wenn du in mein Zimmer
gehst, kriegst du welchen«, antwortete Danny und lief lachend hinter seinem jüngeren Bruder her.
»Du meine Güte, man sollte meinen, daß die beiden langsam aus dem Streitalter heraus wären«, seufzte Daniel, der trotz der dicken Wolken am Himmel gemütlich in einem Gartenstuhl saß und seinen Feierabend genoß.
»Ich habe die Hoffnung aufgegeben, daß das mal vorbei ist«, meinte Fee in gespielter Resignation. »Aber schau mal die anderen drei an. Ist das nicht ein schönes Bild?« Sie wies auf ihre anderen Kindern, die selbstvergessen auf dem Rasen hockten und mit kleinen Figuren spielten.
»Ja, wirklich. So sollte es immer sein!«
»Dann wäre es doch nichts besonderes mehr, und wir wüßten die Ruhe gar nicht zu schätzen.«
»Du bist ja richtig weise, Liebling!«
Zärtlich sah Daniel seine Frau an, die neben ihm saß. Es war noch gar nicht so lange her, daß sie von einer schweren Lungenentzündung genesen war, und insgeheim machte er sich noch immer Sorgen um ihre Gesundheit. Sie schien ihm so zart und schmal wie nie zuvor.
»Was schaust du mich so prüfend an, Dan?« Sie bemerkte seinen Blick sofort.
»Geht es dir auch wirklich gut, Fee?« Daniel versuchte erst gar nicht, seine Sorgen vor ihr zu verheimlichen.
»Wie oft soll ich dir noch sagen, daß alles wieder in Ordnung ist.«
Eine leichte Ungeduld klang in ihrer Stimme. »Jenny hat dir doch die letzten Untersuchungsberichte zusammen mit meinen Blutwerten geschickt, und du hast mir bestätigt, daß ich vollkommen gesund bin.«
»Ja, sicher, aber du kannst mir nicht verbieten, daß