Chefarzt Dr. Norden 3 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
und einer frischen Breze im ›Allerlei‹. Was meinst du? Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann wir das letzte Mal zusammen gefrühstückt haben.«
»Gut zu wissen, dass du auch Gedanken lesen kannst.« Daniel ging zum Schreibtisch, um den Geldbeutel einzustecken und das Telefon umzustellen.
Hand in Hand verließen sie das Büro. Die Assistentin Andrea Sander saß an ihrem Schreibtisch im Vorzimmer. Sie legte den Telefonhörer zurück auf den Apparat und hob den Kopf. Als sie die beiden ansah, huschte ein warmes Lächeln über ihr Gesicht.
Daniel erwiderte es.
»Wen Sie nichts dagegen haben, genehmigen wir uns eine kurze Pause.«
»Daraus wird leider nichts«, seufzte Andrea. Sie riss den Zettel vom Block und reichte ihn über den Schreibtisch. »Danny hat gerade angerufen und sich darüber beschwert, dass er Sie nicht erreichen kann.«
»Er scheint eine besondere Gabe zu haben. Ich habe mein Telefon erst vor einer Minute auf Sie umgestellt.«
»Ich werde ihn das nächste Mal danach fragen. Aber jetzt muss ich Sie leider in die Notaufnahme zu Dannys Patientin schicken. Rosa Berger hat sich beim Auswechseln einer Glühbirne den Arm verletzt. Er bittet Sie, einen Blick darauf zu werfen.«
Daniel sah zu seiner Frau hinüber.
»Klingt nach einem kurzen Intermezzo.«
»Ich komme mit. Nicht, dass Frau Berger dich zu einem Komplettcheck mit allem Drum und Dran überredet und du den Rest des Tages mit ihr beschäftigt bist.« Fee zwinkerte ihm zu.
»Das würde ich niemals riskieren.«
»Lieb von dir, dass du mich nicht verhungern lassen würdest.«
»Ehrlich gesagt hatte ich eher an deinen Zorn gedacht.« Hand in Hand spazierte das Paar den Flur entlang. »Wenn du hungrig bist, bist du gefährlicher als Volker Lammers in Bestform.«
Fees Lachen hallte über den Flur. Doch Daniels Gedanken waren schon weitergewandert.
»Und jetzt raus mit der Sprache! Mit welchen Mitteln treibt dich dein geliebter Stellvertreter an den Rand des Wahnsinns? Vielleicht kann ich ja noch etwas von ihm lernen.« Geschickt wich er dem Knuff seiner Frau aus.
»Vorsicht!«, warnte sie. »Danny freut sich bestimmt über die Unterstützung einer kompetenten Kinderärztin«, sagte sie mit hoch erhobenem Zeigefinger. »Aber um deine Frage zu beantworten: Lammers hat eine Patientenakte manipuliert. Es geht nur um einen Ort. Aber immerhin.«
Daniel blieb stehen.
»Bist du sicher?«
Fee war ein paar Schritte weitergegangen. Kurz vor der Notaufnahme drehte sie sich zu ihrem Mann um und taxierte ihn.
»Zweifelst du an mir?«
»Tut mir leid. Wie kommst du darauf?«
»Matthias hat es mir erzählt. Er war in der Notaufnahme, als Mutter und Sohn ankamen. Frau von Diepold hat sich in Widersprüche verstrickt und gestanden, dass der Unfall doch nicht zu Hause passiert ist. Ihr feiner Sohn hat Schule geschwänzt. Nun droht ihm ein Schulverweis. Lammers hat die Weiterbehandlung übernommen. Und siehe da, plötzlich taucht die alte Version in der Akte auf.«
»Warum sollte Lammers dieses Risiko eingehen?« Daniels Frage war berechtigt.
»Wer weiß, was sie ihm dafür versprochen hat«, murmelte Fee.
»Du weißt, dass das ein Grund für eine Disziplinarmaßnahme ist.«
Fee sah zu Daniel hoch.
»Ich habe mich meinem Mann anvertraut, nicht dem Klinikchef.«
»Verstehe.« Daniel seufzte. »Du willst die Angelegenheit selbst regeln.«
»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen.« Felicitas drehte sich um und trat auf die Türen der Notaufnahme zu. Sie öffneten sich und schlossen sich ebenso lautlos wieder hinter ihnen.
*
Dr. Sophie Petzold schmiegte sich an den Körper und seufzte genüsslich. Sie hätte noch viel länger geschlafen, wäre da nicht die kleine, lästige Stimme in ihrem Kopf gewesen. Hatte sie recht, wenn sie ihr einflüsterte, dass das, was sie hier tat, nicht in Ordnung war? Dabei war ihr noch nie etwas richtiger erschienen als ihre Liebe zu dem Pfleger Jakob. Das Schicksal musste seine Hände im Spiel gehabt und ihm den Abszess ins Hirn gepflanzt haben. Sonst wären sie sich nie näher gekommen. Sonst hätte sie niemals heimlich schon so viele Nächte mit ihm im Krankenzimmer verbracht. Bisher war alles gut gegangen. Niemand wusste von dem Abenteuer.
Zumindest bildete sich die Assistenzärztin das ein. Deshalb beschloss sie, sich auch nicht um die Stimme in ihrem Kopf zu kümmern. Eine wütende Stimme zerriss die wohlige Ruhe.
»Petzold, verdammt noch einmal, wo stecken Sie schon wieder?«
Sophie fuhr aus Jakobs Armen hoch und griff nach dem Handy auf dem Nachttisch. Sie zitterte so sehr, dass es ihr aus der Hand rutschte. Mit einem dumpfen Patschen landete es auf dem PVC-Boden.
»Mist.« Sophie sprang hinterher.
»Was ist los?« Jakob blinzelte ins Tageslicht. »Ist was passiert?«
»Ich habe verschlafen. Weigand sucht mich schon«, flüsterte Sophie. Das Handy war auf das Display gefallen. Die Schutzfolie hatte es vor Schlimmerem bewahrt. »Ich muss weg hier.«
»Schade.« Jakob gähnte und rieb sich die Augen. »Kommst du bald wieder? Als meine behandelnde Ärztin musst du dich unbedingt um mich kümmern.«
In Windeseile schlüpfte Sophie in den Kittel und band die Haare mit einem Gummi zu einem schlichten Pferdeschwanz. Das musste als Styling genügen.
»Wie sehe ich aus?«
Jakob verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
»Wie eine Frau, die eine heiße Liebesnacht hinter sich hat.«
»Blödmann«, schnaubte Sophie. Ihre Augen weiteten sich, als sich Schritte näherten. Ihr Blick fiel auf das Stethoskop auf dem Stuhl. Mit einem Satz war sie dort und griff danach. Gleichzeitig öffnete sich die Tür, und ihr Vorgesetzter Dr. Weigand steckte den Kopf herein.
»Dachte ich es mir doch«, fauchte er. »Falls Herr Sperling Sie als Privatärztin verpflichtet hat, hoffe ich nur, dass er gut bezahlt.«
Das Blut schoss Sophie in die Wangen.
»Ich kann mich nicht beklagen.«
Zum Glück war Matthias viel zu sehr mit seinem Ärger beschäftigt, als dass er Verdacht geschöpft hätte.
»Die Annahme von Bestechungsgeldern wird mit fristloser Kündigung geahndet. Aber darüber unterhalten wir uns später. Jetzt kommen Sie bitte mit. Der Chef braucht Sie in der Notaufnahme.«
»Natürlich.« Sophie schickte einen Blick in den Himmel und einen hinüber zu Jakob, ehe sie das Zimmer verließ und mit wehendem Kittel hinter Matthias her eilte.
»Rosa Berger ist Anfang sechzig und Patientin in der Praxis Dr. Norden«, erklärte der Chef der Notaufnahme auf dem Weg in die Ambulanz. »Verdacht auf eine Unterarmfraktur.«
»Schafft der Chef das nicht allein?«
Matthias Weigand blieb so abrupt stehen, dass Sophie um ein Haar in ihn hineingelaufen wäre. Einen Moment lang standen sich die beiden gegenüber.
Er sah die dunklen Sprenkel in ihren Augen und die Narbe unterhalb der Braue.
Ein Hauch ihres Parfums stieg Matthias in die Nase. Die Versuchung, sie in seine Arme zu reißen und zu küssen, war überwältigend. Eine Nierenschale klirrte. Er fuhr zu der Schwester herum, die auf dem Boden kniete und die Instrumente wieder einsammelte.
»Tut mir leid.«
»Das nächste Mal tun Sie Ihre Arbeit, statt Leute anzustarren«, herrschte er sie an.
Sie