Chefarzt Dr. Norden 3 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
»Ihre brandaktuellen Kenntnisse im Bereich der Medizin haben sich ja inzwischen herumgesprochen«, beantwortete er ihre Frage. »Wer weiß, vielleicht gibt es ja eine revolutionäre Technik, die der Chef von Ihnen lernen will.«
Am liebsten hätte Sophie ihm für diese beißende Bemerkung eine Ohrfeige verpasst. Oder wenigstens eine passende Antwort gegeben, die sich gewaschen hatte. Doch Sophie war klug genug, um zu wissen, dass beides sie ihren Job kosten konnte.
Glücklicherweise öffneten sich in diesem Augenblick die Schiebetüren zur Notaufnahme. Matthias Weigand verbeugte sich und machte eine einladende Handbewegung. Mit hoch erhobenem Kopf rauschte Sophie an ihm vorbei.
*
»Ich verstehe überhaupt nicht, warum meine Oma nie Bescheid sagt, wenn etwas im Haushalt zu tun ist.« Christian Berger stand neben der Liege. Rastlos fuhren seine manikürten Finger am Revers auf und ab. Das weiche Kaschmir beruhigte ihn. Rosa lehnte mit geschlossenen Augen an der schräg gestellten Lehne und hielt sich den verletzten Arm. Ein bunt gemustertes Halstuch diente als provisorische Schlinge.
Dr. Daniel Norden stand auf der anderen Seite an einem Beistelltisch und musterte den Enkel wortlos.
»Ich bin doch immer zur Stelle, wenn sie mich braucht. Wir gehen zusammen einkaufen, ich fahre sie zum Arzt. Alles. Aber nein, bei solchen Sachen ist sie zu stolz. Und das haben wir jetzt davon. Ohnmächtig ist sie geworden und vom Stuhl gefallen. Als könnten wir uns keinen Handwerker leisten. Ich finde es ja schön, dass sie sparsam ist, aber …«
Rosa Berger stöhnte, sagte aber nichts.
»Wir kümmern uns jetzt erst einmal darum, dass wir Ihrer Großmutter die Schmerzen nehmen.« Daniel Norden beugte sich zu ihr hinab. »Ist das in Ihrem Sinne?«
Die Seniorin zwinkerte ihm zu.
»Dr. Norden Junior hat mir schon etwas gegeben.«
»Ich weiß.« Daniel nickte lächelnd und hob den Zettel hoch, den Andrea Sander ihm in die Hand gedrückt hatte. »Hier steht alles drauf. Trotzdem lege ich Ihnen jetzt einen Zugang.«
»Du Arme«, mischte sich Christian wieder ein. »Du wolltest doch einfach nur die Glühbirne austauschen.«
Rosa starrte die Wand gegenüber an.
»Und jetzt haben wir den Salat.« Christian streckte die Hand aus und legte sie auf Rosas Arm.
Sie zuckte zurück und verzog das Gesicht. Und auch Dr. Norden hatte endlich genug von der Fürsorge des Enkels.
»Bitte warten Sie kurz draußen«, bat er den jungen Herrn Berger.
Christians Augen wurden schmal. Er beugte sich über Rosa. Als sie ihn immer noch keines Blickes würdigte, gab er auf.
»Also schön.« Zögernd ging er zur Tür. Immer wieder drehte er sich um und wäre um ein Haar mit der Assistenzärztin zusammengestoßen.
»Hoppla! Entschuldigung.«
»Hallo!« Sophie zwang sich ein Lächeln auf die Lippen und streckte die Hand aus. »Mein Name ist Dr. Petzold.« Sie reichte ihm die Hand. »Was ist passiert?«
Sofort gab Christian sein Vorhaben, das Zimmer zu verlassen, auf.
»Meine Großmutter ist von einem Stuhl gestürzt und hat sich am Arm verletzt.« Er sah hinüber zu Dr. Norden. »Ihr Kollege hat gesagt, ich soll draußen warten.«
»Der ›Kollege‹ ist der Klinikchef hier«, korrigierte Sophie den jungen Mann schnell. »Ich sage Ihnen Bescheid, sobald wir Näheres wissen.«
Endlich fügte sich Christian in sein Schicksal.
»Ich bin gleich wieder bei dir, Omalein!« An der Tür blieb er noch einmal stehen und winkte.
Daniel atmete auf, als er endlich verschwunden war. Er sah hinüber zu Sophie.
»Gut. Dann kommen Sie mal her und erklären mir, was Sie in diesem Fall unternehmen würden«, verlangte er. »Vielleicht wissen Sie etwas, wovon ich noch nie zuvor gehört habe.«
*
Volker Lammers wanderte im Büro des Verwaltungsdirektors auf und ab. Immer wieder fiel sein Blick auf die Zeiger der Wanduhr. Sie wanderten unerbittlich vorwärts.
Ein Sonnenstrahl fiel durch das geschlossene Fenster. Es war drückend warm im Zimmer. Staubkörner tanzten im Licht. Unschlüssig blieb er vor dem Sofa in der Besucherecke stehen. Sollte er es sich doch gemütlich machen? Er betrachtete das speckige, dunkelbraune Leder, den notdürftig geflickten Riss in einer Ecke, und entschied sich dagegen. Da wanderte er lieber noch länger über den Teppich, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Endlich beschloss Volker, dass er lange genug gewartet hatte, und ging zur Tür.
»Volker!« Lächelnd trat der Verwaltungsdirektor ein. »Entschuldige meine Verspätung.«
»Sagst du nicht immer, Zeit ist Geld?«, fragte Lammers und nahm nun doch auf der Ledercouch Platz.
»Wo drückt der Schuh?« Dieter Fuchs setzte sich ihm gegenüber. Er stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel, legte die Fingerspitzen aneinander und sah ihn fragend an.
»Es geht um die Akte von Diepold!«
Ein Strahlen erhellte Fuchs’ Gesicht.
»Victoria von Diepold ist überglücklich und sehr dankbar, dass wir die Angelegenheit auf diskrete Art und Weise regeln konnten. Eine sehr großzügige Frau.«
Doch das interessierte Lammers im Augenblick wenig.
»Du hast mir versprochen, dass mir kein Schaden aus der Geschichte entstehen wird.«
»Ich halte meine Versprechen.« Fuchs lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und die Mappe auf, die er mitgebracht hatte.
»Dummerweise hat die Norden …«
Ohne von seinen Unterlagen aufzusehen, hob Dieter Fuchs die Hand.
»Frau Dr. Norden ist nicht die Klinikchefin.«
»Aber ihr Mann.«
»Ich spreche mit ihr und notfalls auch mit Dr. Norden. Er wird verstehen, dass wir dieser Frau unbedingt helfen mussten.« Dieter seufzte und sah nun doch hoch. »Schlimm genug, dass der kleine von Diepold den Segway seines Vaters an den Baum gesetzt hat. Und jetzt droht ihm zu allem Überfluss auch noch der Rauswurf aus der Schule.«
»Ist mir doch egal, was mit dem Dummkopf passiert«, schnaubte Lammers. »Mich interessiert viel mehr, was mit mir ist.«
»Du bekommst deinen Anteil. Zufrieden?«
»Nein, bin ich nicht. Ich dachte, du klärst das im Vorfeld mit den Nordens. Wie stehe ich jetzt da?« Lammers sprang auf. Er steckte die Hände in die Taschen seiner Arzthose und begann, im Zimmer auf und ab zu marschieren.
Der Verwaltungsdirektor klappte die Mappe zu.
»Seit wann interessiert es dich, was andere über dich denken? Abgesehen davon ist das hier sozusagen auch meine Klinik«, erinnerte er Lammers. »Das bedeutet, dass es hier auch immer um mich geht.«
Volker blieb vor ihm stehen und sah auf die Glatze hinab, über die Dieter ein paar kümmerliche Strähnen gekämmt hatte.
»Dann werde ich mich wohl endgültig nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen müssen.«
Fuchs rollte mit den Augen.
»Meine Güte, jetzt benimm dich doch bitte nicht wie deine kleinen Patienten. Ich bringe das in Ordnung. Versprochen.« Er hatte noch nicht ausgesprochen, als die Bürotür zufiel. Der Schlüssel fiel aus dem Schloss und hüpfte mit leisem Klingeln über den Boden, bis er vom Schreibtischbein aufgehalten wurde.
*
»Ich hatte ganz vergessen, wie schön so ein gemeinsames Frühstück ist.« Fee streckte die Beine von sich. Als sie die Augen schloss und den Kopf zurücklegte, fiel ihr Haar über die Lehne. Ein Sonnenstrahl