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Wilderer und Jäger Staffel 1. Anne AltenriedЧитать онлайн книгу.

Wilderer und Jäger Staffel 1 - Anne Altenried


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sei es durch Menschen oder die Natur. Die Umgebung am Rotspitz wirkte an lichten Tagen harmlos-freundlich. Doch wer dort von einem Unwetter überrascht wurde, konnte von Glück sagen, wenn er mit dem Leben davonkam. Dann war nämlich nicht mehr die Rede vom Himmelberühren, sondern vielmehr davon, daß sich vor einem der Höllenschlund aufzutun schien.

      Unterdessen wanderte Lukas Kronseder mit weit ausholenden Schritten dahin. Er freute sich auf diesen ersten Ausflug ins Hochgebirge. Ihm wurde das Herz weit, als die Morgensonne einen rötlichen Streifen zwischen Himmel und Grate zauberte und die Welt ringsum mit zaghaftem Vogelgezwitscher erwachte.

      In dieser Landschaft, die seine Heimat werden sollte, gab es starke Kontraste. Die Farben wechselten wie die Bilder der unterschiedlichen Region. Es war, als würde bei alldem Staunen die Zeit schneller vergehen.

      Als dieser sonnige Tag sich mit einem zauberhaften Alpenglühen verabschiedete, erreichte Lukas die Schutzhütte am Gamsmugl und richtete sich für die Nacht ein. Nur kurz wunderte er sich darüber, daß der Hüttenraum benutzt und unaufgeräumt verlassen worden war.

      Anderntags brach Lukas noch früher auf. Das Tal und die ansteigenden Matten blieben im Nebel zurück. Nie war er so allein gewesen, selten der Himmel näher als heute.

      Lukas Kronseder spürte die Kälte nicht, die warnend vom Gipfel ausstrahlte. Er hatte niemals auf einem Weg kehrtgemacht. Obwohl ihm der Rotspitz alsbald wie eine naturgewachsene Festung vorkam, schlug er seinen Pickel in die feuchten Felsen. Er wollte sich Meter für Meter erkämpfen. Das, so meinte er, würde ihn hier Wurzeln fassen lassen. Wer einen der höchsten Berge bezwang, wurde gewiß schneller heimisch.

      Mit vorsichtigen Bewegungen und alles scharf beobachtend, schob Lukas sich nun über Stunden die Felswände hinauf. Seine Brille, die ihn vor blendenden Sonnenstrahlen schützen sollte, beschlug immer wieder.

      Doch Lukas gab nicht auf. Als er endlich auf dem Gipfel angelangt war, fühlte er sich von einer Woge des Glücks davongetragen. Es war ein erhebender, unvergeßlicher Augenblick. Da lag ihm die Welt zu Füßen! Die Welt der Alpen, mit ihren Wiesen, Wäldern und Dörfern. Seine neue Welt, in die er vor gut vier Wochen als Jäger eingezogen war.

      Lukas hockte sich hin, lehnte sich mit dem Rücken gegen das eiserne Kreuz, das hier heroben errichtet worden war, und öffnete seinen Rucksack. Eine ausgiebige Brotzeit wollte er halten und sich bis zum zeitigen Abstieg ausruhen.

      Viel dachte Lukas nicht, als er so saß, aß, trank und schaute. Er genoß halt das Gefühl, den Rotspitz erstiegen zu haben. Außerdem gab es keine Höhen und Tiefen in Lukas’ Leben. Er hatte noch Eltern und Geschwister, zu denen er ein gutes Verhältnis hatte. An seine erfolgreiche berufliche Ausbildung hatte sich gleich ein günstiges Stellenangebot angeschlossen. Somit hatte er allen Grund, jetzt zufrieden dazuhocken und sich dem Zauber der Bergwelt ganz hinzugeben. Es gab auch noch kein Madl, das sein Herz hätte schneller schlagen lassen. Zwar sehnte er sich nach Liebe und trauter Zweisamkeit, doch er glaubte fest daran, daß Gott auch dieses für ihn im Guten fügen würde.

      Plötzlich aber ging es ihm durch den Sinn, daß es jetzt noch schöner sein könnte, würde ein Partner diesen Augenblick stillen Schauens und Bewunderns mit ihm teilen. Unwillkürlich seufzte er auf und wollte sich erheben, als sein Blick durch etwas Ungewöhnliches festgehalten wurde.

      Mitten in der Bewegung erstarrte Lukas. Er sah nach rechts in die Tiefe und kniff die Augen etwas zusammen. Dann nahm er sein Fernglas zu Hilfe, um gleich darauf erschrocken hervorzustoßen: »Gütiger Himmel, da liegt ja jemand!«

      Tatsächlich brachte ihm das Fernglas nun klar und deutlich eine Gestalt näher. Diese lag auf einem winzigen Plateau über einer düsteren, engen Schlucht und rührte sich nicht. Offensichtlich handelte es sich um ein männliches Wesen. Es war dunkel gekleidet, lag auf dem Bauch und hatte die Arme seitlich von sich gestreckt.

      Lukas Kronseder hielt es nicht länger auf dem Gipfel. Er blickte sich suchend­ um und seufzte erneut, als er feststellte, daß es schwierig sein würde, zu jenem Plateau zu gelangen.

      Würde es sinnvoll sein, ins Tal hinab Zeichen zu geben? Während Lukas noch überlegte, holten seine Hände schon die Leuchtraketen aus dem Rucksack, die er für einen Notfall eingepackt hatte. Minuten später zischte eine davon wie ein helles Signal in die Himmelsbläue. Gleich darauf folgte die nächste. Mehr als drei hatte Lukas nicht mitgenommen. Er starrte in die Täler ringsum, bis ihm die Augen zu brennen begannen. Nirgends entdeckte er einen Hinweis darauf, daß man sein Alarmzeichen bemerkt hatte.

      Also blieb nichts anderes übrig, als schnellstens hinabzusteigen und Erste Hilfe zu leisten. Zum Abkürzen wählte Lukas eine gefährlich steile, glatte Felswand.

      Wie eine Schlange mußte er sich manchmal an Felsvorsprüngen entlangwinden. Als seine Füße festen Halt oberhalb des winzigen Plateaus fanden, war er in Schweiß gebadet und keuchte.

      Vorsichtig beugte er sich vor, nachdem er sich hingekniet hatte, und rief: »Hallo – sind Sie verletzt?«

      Der Mann auf dem Plateau reagierte nicht. Er schien kaum älter als er, Lukas zu sein, hatte dunkles Haar und einen von der Sonne dunkelbraun gebrannten Nacken.

      Lukas schlug seinen Pickel erneut in felsiges Gestein, sicherte sich und begann sich dann langsam abzuseilen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er neben dem Liegenden war. Behutsam tastete er über ihn hin und erschrak, als seine Finger dabei blutig wurden. Demnach mußte der Absturz vor kurzem erst passiert sein. Vielleicht hatte der Bursche beim Aufschlagen das Bewußtsein verloren.

      Lukas bewegte ihn vorsichtig auf die Seite und sah die vor Grauen aufgerissenen Augen und deren leeren Blick.

      »Heilige Mutter Gottes!« stieß er erschüttert hervor, während er sich bekreuzigte.

      Dann glitt sein Blick spähend umher. War da jemand in der Nähe, der diesen tödlichen Unfall verschuldet hatte? Oder war dieser Bursch im gefährlichen Alleingang unterwegs gewesen – so wie er selber?

      Es gab kein Gepäck. Der Tote war zünftig gekleidet, doch ohne Papiere. Merkwürdigerweise war sein Gesicht so schmutzig, als wäre es geschwärzt worden.

      Darüber dachte Lukas jedoch nicht weiter nach. Er brachte den Toten mühsam auf den Felspfad seitlich des Plateaus und geriet dabei selber ein paarmal in allerhöchste Lebensgefahr. Doch er war kräftig und gut durchtrainiert.

      Nun bastelte er aus rasch zusammengesuchten Hölzern, Zweigen und seinen Seilen eine provisorische Trage, die er dann hinter sich her zog.

      Er kam auf diesem Rückweg nicht in sein Tal zurück, sondern in das östlich vom Rotspitz gelegene. Und als er eine Alm erreichte, wurde er sofort von blökenden Schafen umringt und mußte einen kläffend heranjagenden Hund abwehren. Schon eilte ein bärtiger Senn auf ihn zu. Dieser warf einen kurzen Blick auf den Toten und sagte: »Das ist der Söllner-Leo.«

      Mit dem Namen wußte Lukas nichts anzufangen. Er stand noch so unter dem Eindruck des tragischen Geschehens, daß er sich auch nicht über die Gleichgültigkeit des Senns wunderte.

      »Weißt, wo er daheim ist?« erkundigte er sich etwas barsch.

      »Wer wüßt das net. Wer bist überhaupt?« gab der Senn verdrossen zurück.

      »Lukas Kronseder, der Nachfolger vom Jager Joseph Lahner«, antwortete Lukas so sachlich wie möglich.

      »Da schau her – du bist der neue Jager!« Der Senn musterte ihn und lächelte hintergründig. »Dann bist noch net lang in unserer Gegend«, stellte er mit hörbarer Verachtung fest.

      »Gut einen Monat erst und net drauf aus, Tote einzusammeln, wie die hier anscheinend herumliegen.«

      Der Senn reagierte nicht darauf. »Ich geb’s telefonisch weiter«, sagte er. »Derweil ich zum Nachbarn geh, solltest heimzu wandern. Die Söllner sind auf Fremde net gut zu sprechen.«

      Lukas war zusammengezuckt, als hätte der Senn nach ihm geschlagen.

      »Nix da«, widersprach er, »ich bleib hier, bis der Tote abgeholt wird und ich meinen Bericht dazu geben kann.«

      Der


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