Im Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Leben ändern.«
»Musst du damit jetzt anfangen, Mami?«, schluchzte Helga auf.
»Leider«, sagte sie leise. »Carola kann uns nicht ernähren. Ihr Gehalt würde nicht einmal ausreichen, unsere monatlichen Verpflichtungen zu decken.«
»Welche Verpflichtungen?«, fragte Peter.
»Wir haben das Haus gebaut. Das hat eine Menge Geld gekostet. Wir mussten dafür Schulden machen, hohe Schulden.«
»Vati hat immer gesagt, dass er keine Schulden macht«, stellte Volker fest.
»Sonst hätte er auch keine gemacht«, entgegnete Franziska Deuring leise. »Aber das Haus hatte seinen Wert, dafür lohnte es sich. Er hat es für euch geplant und ausgeführt. Er konnte nicht ahnen, dass es so kommen würde. Alles hatten wir uns genau ausgerechnet. Vati war doch noch jung. In zehn Jahren hätten wir das Gröbste hinter uns gebracht. Jetzt kann es so weit kommen, dass wir das Haus aufgeben müssen.«
Entsetzt sahen die Kinder sie an. Helga sprang auf und lief aus dem Zimmer. Carola folgte ihr, kam aber bald zurück.
»Sie will allein sein«, sagte sie gepresst.
»Ich hätte mit dem allem ja gewartet«, fuhr Franziska Deuring tapfer fort, »aber die Bank hat uns den Überbrückungskredit verweigert. Wir hatten nicht die nötigen Sicherheiten. Vati hatte an Onkel Paul geschrieben, aber bis jetzt ist keine Antwort gekommen.«
»Verwandte«, meinte Peter wegwerfend. »Auf die kann man sich doch nicht verlassen.«
»Auf Onkel Paul schon«, verteidigte Franziska Deuring ihren fernen Schwager. »Es müssen ihn triftige Gründe hindern. Vielleicht hat er den Brief nicht bekommen oder ist auf Reisen. Vati wollte ohne seine Hilfe auskommen. Er war sehr stolz. Er wollte seinem Bruder nicht nachstehen.«
»Vielleicht wäre es besser gewesen, wir wären auch nach Amerika gegangen«, warf Volker ein.
Paul Deuring hätte sie hinübergeholt, aber auch das hatte sein Bruder nicht gewollt. Er hatte Gründe dafür gehabt, die jedoch nur seine Frau kannte.
»Das Haus können sie uns doch nicht wegnehmen«, meldete sich nun wieder Peter zu Wort.
»Sie können es schon, wenn wir nicht zahlen können.«
»Vati hatte doch eine Lebensversicherung«, erklärte Carola beklommen.
»Die haben wir bereits verpfändet«, seufzte Franziska Deuring. »Es wurde alles teurer, als wir dachten. Die Preise sind so schnell gestiegen, das konnten wir nicht voraussehen. Aber wir hätten es geschafft, wenn Vati bei uns hätte bleiben können.«
Sie unterdrückte ein Schluchzen. Peter umarmte sie.
»Ich gehe von der Schule ab, Mami«, sagte er tröstend. »Ich suche mir einen Job und verdiene mit.«
Franziska war gerührt. Sie wusste, wie gut er es meinte, aber auch das würde nicht reichen.
Da ihr Mann jung gestorben war, erst dreiundvierzig Jahre alt, würde auch ihre Rente kärglich ausfallen. Es nützte nichts, die Augen davor zu verschließen. Auch darüber zu jammern nützte nichts, und es lag ihr schon gar nicht.
Vor allem aber durften die Kinder nicht allzu sehr darunter leiden.
Peter war, wie auch Helga, ein zu guter Schüler, als dass sie ihn vorzeitig von der Schule genommen hätte. Das machte sie ihm auch klar.
»Dann kann ich ja morgens Zeitungen ausfahren«, überlegte er.
Auch damit war sie nicht einverstanden. Er war immer noch im Wachsen und brauchte seinen Schlaf. Doch kräftiges Essen brauchten sie auch.
»Wir wollen alles in Ruhe überlegen«, erklärte sie. »Ich muss mich auch daran gewöhnen, dass ich nun allein entscheiden muss, und von geschäftlichen Dingen verstehe ich leider nichts. Aber zu irgendeiner Arbeit werde ich doch wohl auch noch taugen.«
Alle drei starrten sie entgeistert an.
»Du willst arbeiten, Mami?«, fragten sie wie aus einem Mund.
»Wenn mir jemand eine Chance gibt, gar zu gern«, erwiderte sie. Für euch, dachte sie weiter. Aber als sie dann allein war, verließen sie erst mal ihre Kräfte. Sie weinte sich aus.
*
Als Pfarrer Frerichs am nächsten Tag aus Hohenborn kam, sah Fritzi es seinem Gesicht an, dass er sorgenvoll gestimmt war.
Sie hatte das Abendessen schon vorbereitet. Doch so verlockend es auch duftete, denn Fritzi war nicht nur eine gute Lehrerin, sondern auch eine vorzügliche Köchin, Holger hatte heute keinen rechten Appetit.
»Es sieht böse aus für die Deurings«, berichtete er, »schlimmer als ich dachte.«
Die junge Frau holte tief Luft.
»Du machst es aber nicht besser, Holger, wenn du hungerst«, stellte sie energisch fest. »Erst wird gegessen, und dann besprechen wir alles in Ruhe. Es wäre doch gelacht, wenn wir ihnen nicht aus der Klemme helfen könnten.«
Fritzi verstand es, ihm immer wieder Mut zu machen. Er nahm sich alles nachhaltig zu Herzen.
Nun konnte man bei Gott nicht sagen, dass Fritzi oberflächlich gewesen wäre, aber sie verstand es doch immer, ein zuversichtliches Lächeln zu zeigen.
»Das Haus werden sie nicht halten können«, äußerte er nachdenklich. »Die Belastungen sind zu hoch. Es hat auch nicht viel Sinn, ihnen den Überbrückungskredit zu beschaffen. Die Kinder sind einfach zu jung. Mein Gott, Herr Deuring hätte gut und gern noch dreißig oder mehr Jahre leben können, wenn … Aber was nützt das. Eine Lösung muss gefunden werden. Ich werde mit Herwig sprechen. Er hat schon auf ganz vornehme Art die Beerdigungskosten übernommen. Vielleicht weiß er auch eine Stellung für Frau Deuring, wo sie nicht so arg strapaziert würde.«
»Eine Stellung wüsste ich«, warf Fritzi ein.
Er sah sie staunend an. »Du hast dich auch schon damit beschäftigt?«
»Es ergab sich ganz zufällig, als ich mit Frau Auerbach sprach. Wir brauchen eine Gemeindesekretärin. Eigentlich sollte es Ricky vorerst übernehmen, aber damit ist Fabian nicht einverstanden. Ich glaube fast, da ist ein Baby unterwegs. Aber jemand muss die Schreibereien erledigen, das kann Herr von Roth nicht auch noch machen. Er wird noch genug zu tun gekommen, wenn der zweite Bauabschnitt beginnt.«
»Ob Frau Deuring das aber kann? Ein wenig Schreibmaschinenkenntnisse hat sie zwar, aber sie ist doch lange aus der Übung.«
»Es treibt sie ja keiner. Es spielt sich doch alles langsam ein, und wenn sie aus dem Haus müssen, könnten sie ja vorerst hier wohnen.«
»Das ist keine Lösung, Fritzi«, sagte er diesmal energisch. »Es sind fünf Personen, und sie können nicht heute hier und morgen da wohnen. Man muss ihnen als Ersatz wieder ein richtiges Heim verschaffen. Aber da fällt mir etwas ein. Warum will Harald Herwig eigentlich das Haus kaufen?«
Fritzi lächelte flüchtig. »Wahrscheinlich ist es ihm Ernst mit der hübschen Carola.«
»Davon scheint sie aber nicht die geringste Ahnung zu haben. Sie sagt nur, dass er ein sehr entgegenkommender Chef ist.«
»Zu gegebener Zeit wird sie es schon merken. Ihr Männer seid doch viel leichter zu durchschauen, als man meint.«
»Sag das nicht«, erwiderte er. Aber nun blickte auch er wieder zuversichtlicher drein.
*
Ahnungslos, wie sehr man an ihrem Schicksal Anteil nahm und sich um eine zufriedenstellende Lösung für sie bemühte, saß Franziska Deuring noch immer vor ihren Rechnungen.
Aber wie sie es auch anfing, es wurde nicht mehr und auch nicht weniger.
Die Leute von der Bank waren heute schon da gewesen. Rücksichtslos, hatte Carola es genannt, aber Franziska Deuring konnte es ihnen nicht verübeln. Schließlich hatten sie das Geld anderer zu verwalten.
Man