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Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee. Bartholomäus von WernerЧитать онлайн книгу.

Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee - Bartholomäus von Werner


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Menschen aber sehr seltene Gäste gewesen sein, da die Thiere noch jetzt auf diesen Inseln untereinander in dem glücklichsten Frieden leben und keine Scheu vor Menschen kennen. Schildkröten, Eidechsen, Vögel fressen von demselben Blatt, ohne daß ein Thier nach dem andern hackt, eins das andere verdrängt. Alle Thiere lassen sich mit Leichtigkeit fangen, die Vögel fliegen dem Menschen auf den Finger und picken ihn verwundert in die Nase, welche sie wahrscheinlich für eine edle Frucht halten. Alle Thiere sind oder waren doch in großen Massen vorhanden, wie z. B. daraus zu ersehen ist, daß die Mannschaft eines englischen Kriegsschiffs in der nächsten Umgebung des Ankerplatzes an einem Tage über 200 große Schildkröten an Bord schaffte. Wozu? ist mir allerdings unklar, da das Schild werthlos ist, die Mannschaft höchstens 1/10 von dem Fleisch essen konnte und Kriegsschiffe sich mit Thrangewinnung nicht abgeben.

       Beim Vorbeilaufen an jenen Inseln glaubte ich den Mond vor mir zu haben; ich denke mir seine Oberfläche so und vermuthe, daß vor vielen Jahrtausenden die Erdoberfläche das Aussehen der jetzigen Galapagos hatte. Die Inseln bestehen eigentlich nur aus Vulkanen, welche sich bis zu 1430 m über das Meer erheben. Die Wände dieser Riesen bestehen wieder aus lauter kleinen Vulkanen. Von der Ferne gesehen hält man das Land für mit Lehmhütten übersäet; in der Nähe findet man, daß diese Hütten kleine Krater sind, welche in ihrem braunen Kleid auf Lavageröll stehen. Man kann sich in eine weit ausgedehnte Ziegelei oder Räucheranstalt versetzt wähnen, da diese Krater durchschnittlich nicht größer wie ordentliche Back- oder Räucheröfen sind. Ich habe an einer Strecke von ½ deutschen Meilen auf dem Kamme eines ganz niedrigen Höhenzugs über 40 solcher Kraterchen gezählt. In der Außenwand eines großen Kraters, welcher den vorgenannten Höhenzug abschließt, sahen wir eine andere Art Krater, vier dicht nebeneinander liegende runde Löcher von 5-7 m Durchmesser, welche wieder selbständige Krater sind, wie die von ihnen auslaufenden Lavaströme deutlich zeigen.

      Ich will versuchen, das vor uns vorüberziehende merkwürdige Bild etwas näher zu schildern.

      Aus dem tiefblauen, von Delphinen (wir prosaischen Seeleute nennen diese Fische nur Tümmler oder Schweinsfische) reich bevölkerten Meere erheben sich in sanften Linien aufsteigend große Ländermassen, deren 1430 m hohe Gipfel sich in den Wolken verlieren. Nichts läßt zunächst den vulkanischen Ursprung erkennen; erst in größerer Nähe fängt das Land an sich zu zergliedern, um bald dem menschlichen Auge zu offenbaren, mit welcher Kraft das allgewaltige innerirdische Feuer hier gewirkt hat. Die sanften Linien verschwinden, man sieht nur noch eine wildzerklüftete nackte Erdrinde, welche in den höhern Regionen allerdings größtentheils einen grünen Ueberzug von Gras, niedrigem Gestrüpp und Cacteen hat. Hohe Berge wechseln mit niedrigen Hügeln ab, die Wände der hohen Berge tragen ebenso wie die der kleinern Hügel wieder ganz kleine Berge, welche genau dieselben Formen haben wie diejenigen, auf welchen sie scheinbar erwachsen sind. Von dem größten Naturgebilde bis zu dem kleinsten, alles zeigt dieselbe Form, denselben Ursprung. Der brodelnde Feuerherd, welcher die Erdrinde hier in fast senkrechten Wänden bis zu 1430 m hohen Bergen über das Meer erhob, entsendete gleichzeitig unzählige schwächere Strahlen, welche wiederum die Bergriesen durchbrachen, um kleine niedrige Krater zu bilden, die ihren scharf geränderten Kamm mit ebenso viel Zierlichkeit tragen, wie ihre colossalen Genossen mit Majestät. Eine Abwechselung in diesen Gebilden tritt nur dadurch ein, daß der eine Theil unergründliche Oeffnungen zeigt, während der andere seine ehemaligen Feuerschlünde bereits mit Lava ausgefüllt hat und dem Auge an Stelle des unheimlichen Schlundes den Anblick einer grünbematteten Grube bietet. Nur einige wenige der Hauptkrater sollen noch thätig sein; die Krater, welche wir sehen, sind bereits mehr oder weniger zerstört. Die Kämme sind im Zerfallen begriffen, viele der kleinen Krater sind nur noch schwer zu erkennen, mit der Zeit werden diese ganz verschwinden und ihr verwittertes Gestein wird zu fruchtbarem Land geworden sein. Es ist interessant zu sehen, wie die Lavaströme sich von den Krateröffnungen aus ihren Weg gebahnt haben. An den grünen Bergwänden sieht man oben an ihrem Kamm feine braunrothe Striche, welche, sich nach unten immer mehr verbreiternd und noch deutliche Flußlinien zeigend, schließlich als mächtige Ströme in das Meer fließen. Der ganze Strand besteht nur aus Lavamassen, und alle Thäler sind damit angefüllt. Das Land macht den Eindruck, als ob auf einem enormen Lavahaufen große Gebirge aufgebaut seien. Trotz des großen Gegensatzes der Farben weiß ich für die vor mir liegende Landschaft kein passenderes Bild zu finden, als ein in tiefem Schnee liegendes Gebirgsland. Der Schnee wird hier durch die abgelagerte Lava vertreten, die Gletscher durch die Lavaströme, die nackten schwarzen Felswände durch die grünbewachsenen Berge. Wie sich aus einem großen Schneefeld die nackten Gebirge erheben, deren Wände nur in ihren Gruben ewigen Schnee beherbergen, wie aus den tiefen Schluchten Gletscher zu Thal fließen, aus deren Strombett Steinoasen sich erheben, so erheben sich hier auf dunkelm Steingeröll grüne Bergmassen mit Lavagruben und dunkeln Kratern, mit mächtigen Lavaströmen, aus denen hier und da freundliche grüne Flecken hervorleuchten. Im Laufe der Jahrhunderte werden all die scharfen Kämme vor der Einwirkung von Wind und Wetter verschwinden, um das Land zu einem sanftwelligen Gebirgs- und Hügelland zu machen, der Fels wird verwittern, der Mensch wird urbares Land finden und kann dann hier Hütten bauen.

      8. Mai 1878.

      Seit dem Passiren der Galapagos haben wir 1855 Seemeilen zurückgelegt, 1130 liegen bis zu den Marquesas noch vor uns. Der steife Passat bläst mit vollen Backen in unsere Segel und zwar häufig so stark, daß die leichteren Segel geborgen und die Marssegel gereeft werden müssen, obgleich ich kein Freund vom Reefen bin, denn wer segeln will, muß Segel führen, sagt ein alter weiser Seemannsspruch. Die schweren Böen bringen in der Regel auch Regen mit, etwas ganz Ueberflüssiges auf dem Meere, wenn man den Regen nicht gerade nach langem Dampfen zum Abwaschen der Takelage gebraucht. Dazu pfeift der Wind immer aus derselben Richtung in das Schiff; eine nicht zu umgehende Naturnothwendigkeit, wenn man eine Strecke von 2000 Seemeilen mit geradem Curs im Passat zurückzulegen hat. Die See geht hoch, thut uns aber nicht viel, weil Wind wie Wellen fast quer von der Seite kommen, mithin die Wellen uns in unserm Lauf nicht aufhalten und der Wind das Schiff gegen schweres Rollen stützt. Unaufhaltsam geht es vorwärts. Leicht sich hin- und herwälzend, zertheilt das brave Schiff mit seinem scharfen Bug das Wasser, steigt vorn höher aus seinem Bette heraus und senkt sich dann wieder so tief ein, daß man hinten von der Commandobrücke aus sieht, wie der breite Schaumgürtel des Bugwassers weit nach vorn und zur Seite geworfen wird. Das Schiff wird in seiner ganzen Masse von den es unterlaufenden mächtigen Wellen auf ihren breiten Rücken gehoben, indem es beim ersten Anprall 5-6° mehr nach Lee übergedrückt wird als die Segel dies schon thun, und neigt sich ein klein wenig nach der Luvseite, wenn es wieder in das Wellenthal hinabgleitet. Der vom Schiffsbug aufgewühlte Meeresschaum treibt als breites Band von Schaum- und Wasserblasen wie geschlagener Rahm auf der weder durch Farben noch Beschreibung wiederzugebenden Meeresflut unaufhörlich an dem Schiffe vorbei; sein Spiel hat den Seemann auf seinen vielen und langen Seefahrten schon hunderte mal entzückt und will ihn doch jedes neue mal glauben machen, ihm etwas noch nie Gesehenes zu bieten. Das Wasser rauscht, das Tauwerk singt, die Spieren ächzen, die Decksbalken knarren. Posten stehen an den Haupttauen der Segel bereit, um jedem unerwarteten Zufall begegnen zu können. Der Wachoffizier hält sorgsame Wacht auf Wind, Wetter und Schiff, faßt den ganzen Horizont und das ganze Schiff ins Auge, ist ständig auf der Brücke, geht aber auch zuweilen nach dem Vorschiff, um zu sehen, ob bei dem starken Segeldruck, unter welchem das Schiff liegt, dort auch noch alles in Ordnung ist. Der erste Offizier ist, wie immer, überall. Einzelne Abtheilungen der Wachmannschaft haben Dienstinstruction und stehen unter der Luvreling; andere bessern unter der Leitung des Bootsmanns kleine Schäden an der Takelage aus; die Zimmerleute repariren eine kürzlich gebrochene Raa, die Segelmacher schadhaft gewordene und ausgewechselte Segel; aus der Maschine klingt Eisen- und Metallarbeit nach oben. Unteroffiziere revidiren vor dem Schluß der Wache die ganze Takelage, um etwaige kleine Schäden an dieser wie an den Segeln gleich zur Anzeige zu bringen. In der Vorbramsaling, 40 m über dem Wasser, sitzt auf schmalem Stück Holz, angeklammert an ein Tau, der Ausguckposten, um nach Brandung und Felsen auszusehen, weil dieses spärlich befahrene Meer noch sehr wenig erforscht ist und man überall eine Gefahr finden kann, welche, wenn zu spät entdeckt, uns allen sichern Tod bringen muß. Aber auch der Commandant, welcher nach der Ansicht so vieler Leute nichts zu thun hat, steht auf der Commandobrücke und thut — nichts. Er sieht nur ins Wasser, nach den Wolken, ins Schiff, nach der Takelage. Seine ganze Beschäftigung ist ja


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