Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee. Bartholomäus von WernerЧитать онлайн книгу.
uns nach allen Erfahrungen wahrscheinlich während der ganzen Fahrt mit Sturmesstärke entgegenwehen wird, möglichst wenig Widerstand zu bieten.
Magelhaens-Straße, 23. Januar 1878.
Da wir jetzt am Ende unserer Fahrt durch die Magelhaens-Straße stehen, will ich einen Rückblick auf dieselbe werfen.
Am 14. Januar abends liefen wir von dem Atlantischen Ocean aus in die Magelhaens-Straße ein, mußten aber wegen der eingetretenen Dunkelheit und der unberechenbaren starken Strömungen (der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser beträgt hier 13 m) dicht an deren Eingang ankern und konnten erst am 15. morgens 2½ Uhr mit dem ersten Morgengrauen die Fahrt fortsetzen. Der Morgen war klar und schön, wenn auch kalt, denn wir hatten, da der hiesige Januar unserm Juli entspricht, im Hochsommer auf einer gleichen Breite wie Leipzig nur 6-7° C. Das in Sicht befindliche Land ist ohne Reiz, niedriges Sandland ohne Baum und Strauch, eine endlose Wüste, welche nicht eine Spur von Menschen aufweist und nur an der Meeresküste von unzähligen Scharen der verschiedensten Arten Wasservögel bewohnt wird. So reizlos die ganze Umgebung für das menschliche Auge ist, so interessant wird die Fahrt als solche für den Seemann. Jeder Augenblick bringt Abwechselung, weil die Straße nicht nur fortgesetzt ihre Richtung ändert, sondern auch noch viele Untiefen eine öftere Cursänderung nothwendig machen, sodaß die gespannteste Aufmerksamkeit erforderlich ist, zumal wenn das Schiff mit einer Geschwindigkeit von 12 Knoten oder 3 deutschen Meilen in der Stunde durch das Wasser eilt. Zeitweise befindet es sich auf einer großen Wasserfläche; nach einer halben Stunde steuert es durch einen engen Kanal von nur 500 m Breite; dann wieder zwischen dicht beieinander liegenden Inseln hindurch, geht danach mit einem scharfen Bogen dicht unter die Küste des Festlandes und verläßt nach einer kurzen Weile diese Seite wieder, um eine Insel anzusteuern, unter deren Küste der Curs so nahe vorbeiführt, daß man ohne Anstrengung einen Stein ans Land werfen könnte; und so geht es stunden-, in der Folge gar tagelang fort. Der Seemann muß hier auf dem Platze sein, er findet aber ein so reiches Feld vollster Thätigkeit und Aufregung, daß die mit einer solchen Fahrt verbundenen Strapazen in den Hintergrund gedrängt und nicht weiter beachtet werden. Denn eine Strapaze ist es wahrlich, wenn man morgens um 2½ Uhr bei noch kaum durchbrechendem Tageslicht den Ankerplatz verläßt und mit schneller Fahrt in ein unbekanntes Fahrwasser hineinsteuert, welches mit dem Vorschreiten des Tages immer schwierigere Passagen bringt, die dem Commandanten verbieten, die Commandobrücke auch nur auf Augenblicke zu verlassen, und ihn zwingen, dort bis zum Einbruch der Nacht, wo in irgendeinem kleinen Hafen geankert wird, auszuharren. So steht man, ohne sich von der Stelle zu rühren, viele Stunden ununterbrochen in ungewohnt frischer Luft, welche den in den Tropen verweichlichten Körper stark angreift; die Augen ruhen entweder auf dem fortwährend wechselnden Landpanorama oder auf der in einem Glaskasten sicher untergebrachten Karte; alle Sinne sind in Thätigkeit, um den richtigen Curs zu wählen, der Maschine den zweckmäßigsten Gang anzuweisen und dem Ruder die richtige Lage zu geben. Die Mahlzeiten müssen auch auf der Commandobrücke eingenommen werden, schmecken allerdings vortrefflich, wenngleich man hierbei erst bemerkt, daß die Lippen von der scharfen Luft schon aufgerissen sind, ohne dabei indeß zu ahnen, daß das ganze Gesicht bereits halb wund ist. Ein scharfer Sturm weht uns entgegen und peitscht uns den von dem Schiffe aufgeworfenen Salzwassergischt in das Gesicht; glücklicherweise regnet es aber nicht, trotzdem es in dieser Gegend immer regnen soll. Doch dies ist nicht richtig, es regnet allerdings vor uns, hinter uns, links und rechts; nur wo die „Ariadne“ fährt, lacht die Sonne, als ob sie wie bisher uns auch in dieser verrufenen Gegend nicht verlassen wolle.
Um zu zeigen, daß das Wetter es wirklich gut mit uns meint, will ich hier einige Stellen aus den Segelanweisungen, welche alle bisher gesammelten Erfahrungen enthalten, ausziehen und einfügen; ein Vergleich zwischen diesen Notizen und dem weitern Verlauf unserer Reise wird dann am besten die Richtigkeit meiner Behauptung beweisen.
1. „August, September und October sind die kältesten Monate; westliche Winde, Regen, Hagel und Schnee sind dann vorherrschend. December, Januar und Februar sind die wärmsten Monate, die Tage sind lang und es kommt zuweilen etwas gutes Wetter vor; aber westliche Winde, welche häufig zu starken Stürmen anschwellen, mit heftigem Regen sind selbst während dieser Jahreszeit vorherrschend, welche weniger Sommer mit sich führt wie irgendein anderer Theil unserer Erde.
2. „Der Gipfel dieses ausgezeichneten Berges (Mount Burney), welcher gegen 1850 m hoch und mit ewigem Schnee bedeckt ist, ist selten sichtbar; sollte aber ein Vorbeireisender glücklich genug sein, einen klaren Tag zu finden, so wird er schwerlich je die Pracht dieses Panoramas vergessen.
3. „Das Charakteristische in dem Wetter dieser Kanäle ist weniger die Stärke des Windes, als der fast unaufhörliche Regen. Tag um Tag, wenn der Seemann unglücklicherweise länger hier verweilen sollte, wird er diesen stetigen Niederfall zu erdulden haben, es sei denn, daß er so glücklich ist, in einem jener seltenen Durchbrüche von lieblichem Wetter anzukommen, welches zuweilen vorkommt. Dann allerdings wird er die interessanteste Fahrt finden mit ruhigem Wasser, guten Ankerplätzen, umgeben von der großartigsten (most glorious) Scenerie; doch diese Fälle sind gar selten, und er wird schon glücklich zu nennen sein, wenn er überhaupt einmal den Regenrock ablegen kann, welchen er anzog, als er um Cap Tres Montes ging. Eine Jahreszeit ist so gut, oder besser gesagt so schlecht wie die andere, immerhin aber ist der Sommer wegen seiner geringern Kälte und der längern Tage für diese Passagen vorzuziehen.“
Diese Schilderung verspricht gewiß viel, und ebenso läßt die „Vineta“, welche vor zwei Jahren dieselbe Tour in beschränkterer Ausdehnung machte, sich vernehmen und klagt über das anhaltend schlechte Wetter, das sie zu erdulden hatte. Ein Vergleich dieser beiden Reisen zeigt auch in eclatanter Weise, von welchem Einfluß das Wetter auf derartige Reisen ist; denn zu derselben Strecke, welche die „Ariadne“ unter den günstigsten Wetterverhältnissen in 6 Tagen zurücklegte, gebrauchte die „Vineta“ mühsam gegen Wind und Wetter anringend 21 Tage. Doch zu unserer Reise.
Nachdem am 15. Januar etwa 80 Seemeilen zurückgelegt waren, vollzog sich allmählich ein Wechsel in der Scenerie. Wir waren den Ausläufern der Anden, des mächtigen Gebirgszuges, welcher mit seinen 7000 m hoch gelegenen Felsen- und Schneerücken das platte Land Patagonien von Chile und Peru trennt, näher gekommen und zeitweise entwickelten sich schon aus den vorbeijagenden Wolkenfeldern einzelne schneebedeckte Gipfel. Das untere Land zeigt jetzt auch einen andern Charakter: einzelne mit grünem Gestrüpp bewachsene Hügel und Felsen werden sichtbar, das Land hebt sich immer mehr und wächst langsam zunehmend bis zu 300 m hohen Bergen an, welche mit dichtem Wald bedeckt sind. Auffallend ist, daß in diesen frisch-grünen Wäldern kaum 150 m über dem Meeresspiegel große Schneefelder verstreut liegen, und daß trotz der geringen Kraft, welche die Sonne demnach im Hochsommer hier nur hat, große Scharen von Papagaien und Kolibris in den Sommermonaten ihren Wohnsitz in dieser Gegend aufschlagen. In Punta Arenas fanden wir diese Vögel allerdings noch nicht, da sie erst 14 Tage später erwartet wurden, in einem der nächsten Häfen trafen wir sie aber schon an. Würde man nur nach den hier lebenden Eingeborenen, ohne Rücksichtnahme auf die herrschende rauhe Witterung zu urtheilen haben, so wäre das Räthsel, wie diese buntgefiederten Bewohner der brasilianischen Urwälder hierherkommen, leicht gelöst, denn diese Menschen gehen ohne jede Kleidung vollkommen nackt, besitzen kein Heim, leben in einem elenden offenen Boot oder tragen sich an dem Fleck, wo sie gerade landen, aus Reisern eine Hütte in der Größe eines runden Tisches von etwa 1½ m Durchmesser zusammen, wo Mann, Frau oder Frauen (es herrscht Vielweiberei), große und kleine Kinder, oft 10-12 Personen, Unterkommen für die Nacht finden, wie ein Rudel Thiere zusammengeschachtelt und sich mit ihren Körpern gegenseitig erwärmend. Kälte, Wind und Regen machen keinen Eindruck auf ihre Nerven, eine wunderbare Menschenrasse in ihrer Art, da alle sonst in kalten Klimaten wohnenden Menschenstämme stets warm bekleidet sind. Ich werde später noch Gelegenheit finden, auf diese Eingeborenen zurückzukommen.
Küste des Feuerlandes in der Magelhaens-Straße.
Bald nachdem das flache Land hinter uns lag, näherten wir uns der chilenischen Colonie Punta Arenas, welche, früher als Verbrechercolonie gegründet, in der Neuzeit durch den regern Dampfschiffsverkehr eine andere