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Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni BehrendtЧитать онлайн книгу.

Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman - Leni Behrendt


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behielt nur so viel, um nicht unbekleidet zu sein. Vom Geld blieben mir rund hundert Mark. Dabei war ich froh, den Verpflichtungen restlos nachgekommen zu sein.

      Und bei allem stand ich ganz allein. Es fand sich von all unseren Freunden nicht ein Mensch, der mir zur Seite gestanden hätte. Mein Vormund gab zu allem, was ich vorschlug, seine Einwilligung. Er wollte mit der unangenehmen Sache möglichst wenig zu tun haben – und Gert Oven, der mich für reich gehalten hatte, gab mir mit dürren Worten den Abschied.

      Im Nachlaß meiner Mutter fand ich einen Brief mit der Aufschrift: ›Nur in großer Not zu öffnen.‹ Nun, so groß wähnte ich meine Not noch lange nicht. Ich war ja jung, gesund und konnte daher arbeiten, wie Millionen Mädchen es müssen. Als ich jedoch damit begann, versagte ich überall. Ich war Gesellschafterin, Kinderfräulein, Haustochter und Verkäuferin. Doch überall mußte man mich gleich wieder entlassen, da ich meinen Verpflichtungen nicht nachkommen konnte.

      So ging es länger als ein Jahr, dann brach ich zusammen. Man brachte mich mit einem heftigen Nervenfieber ins Krankenhaus, wo ich sechs Monate blieb.

      Und was nun? Da fiel mir Mutters Brief ein. War ich berechtigt, ihn zu öffnen? Aber welcher Mensch befand sich in noch größerer Not als ich? Noch immer nicht ganz gesund und daher arbeitsunfähig, ohne Geld, ohne Bleibe.

      Da öffnete ich den Brief, den meine Mutter kurz vor ihrem Tode geschrieben hatte. Sie wies mich darauf hin, daß ich mich an dich wenden sollte, wenn ich jemals der Hilfe bedürftig wäre. Aber nicht etwa wegen eines Streites mit dem Gatten, eines versagten Wunsches und kleinlicher Dinge mehr. Den an dich adressierten Brief sollte ich dir aushändigen.

      So schrieb ich denn an dich. Du antwortetest sofort und ließest mich zu dir kommen.

      Ich wußte, daß du einsam wärest, daß viel Tragik dein Leben umdüstert hatte. Wußte es durch Mutti, die deinen Lebensweg verfolgt hatte. Glaubte dich alt und verbittert – und wollte dich umsorgen und umhegen wie eine liebevolle Tochter. Und nun bist du ein junger Mann –«

      Ihre Stimme war immer leiser geworden, immer zerquälter und mutloser, bis sie dann ganz schwieg. Auch schien das Sprechen das Mädchen sehr angestrengt zu haben, denn es lag nun total erschöpft da. Da beugte sich der Baron voll Erbarmen nieder: »Sölve, kleines Mädchen, das letzte wäre nicht nötig gewesen«, sprach er behutsam. »Schon als alles über dir zusammenbrach, hättest du den Weg zu mir finden müssen. Hörst du mich überhaupt, Sölve?«

      Da schlug sie die Augen auf. Ihr Blick war jedoch abwesend, als suche er etwas in weiter Ferne. – »Ja, Onkel Jobst. Ich dürfte ja nicht bei dir bleiben – weil du mich – nicht – brauchst. Aber wohin soll ich? Ich – habe ja keine Heimat mehr.«

      Ihr Kopf sank zur Seite. Sie war wieder ohnmächtig geworden.

      *

      Mach dir das Leben

      nicht so schwer

      mit Sorg und Plagen

      und eingebild’tem Leid.

      Wenn du gebüßt hast,

      wirst du klagen

      um fernes Glück und seine

      Blütenzeit.

      Fünf Kilometer von Uhlen entfernt lag das stattliche Gut Kalmucken, das dem Herrn Julius von Ragnitz gehörte. Wenn es auch nicht so groß und feudal war wie das herrliche Uhlen, so konnte sein Besitzer wohl damit zufrieden sein.

      Er hätte es auch von Herzen gern sein mögen, wenn nur nicht die argen Sorgen gewesen wären; denn es gab weit und breit wohl keinen so genügsamen und gemütlichen Menschen wie den Herrn Julius. Wenn er auch noch so auf Posten war, so kam er seit Jahren schon nicht mehr auf einen grünen Zweig, denn die Einnahmen wollten sich mit den Ausgaben kaum noch decken. Zumal seine sieben Kinder, je größer sie wurden, auch größere Kosten verursachten.

      Auch seine Frau Franziska regierte so gut in Küche und Keller wie kaum eine andere Hausfrau, und ihre Töchter mußten ihr dabei tüchtig zur Hand gehen. Doch während die achtzehnjährige Walburga dem gern nachkam, weil ihr das Wirtschaften von der Mutter her im Blut lag, fügte sich die siebzehnjährige Ricarda immer nur höchst widerwillig.

      Es gab auch keinen größeren Gegensatz, als die beiden Schwestern. Während Walburga die Walkürengestalt ihrer Mutter geerbt hatte und ihr resolutes Wesen dazu war Ricarda brünett und zierlich, weichmütig und verträumt. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hätte sie möglichen Künste getrieben: Musik, Tanz, Malerei – nur die Kunst des Wirtschaftens nicht.

      Ehe sie sich in Haus und Garten betätigte, lag sie lieber an einem verschwiegenen Plätzchen in der Hängematte lesend oder vor sich hinträumend. Oder sie tummelte sich in Wald und Feld, war einem frisch-fröhlichen Ritt nie abgeneigt. Sie bedeutete ein Sorgenkind für die Mutter.

      Nach Ricarda kamen die sechzehnjährigen Zwillinge Monika und Veronika. Zwei ewig kichernde Backfische, mit molligen Gestalten, Gesichtlein wie Apfelblüten und langen blonden Hängezöpfen. Sie waren sehr phlegmatisch und huldigten dem Sprichwort: Wer Arbeit kennt und sich nicht drückt, der. . .

      Aber dafür fanden sie bei der resoluten Frau Mama absolut kein Verständnis. Sie fackelte nicht viel, sondern teilte den schmollenden oder gar laut protestierenden Faultierchen seelenruhig ihre Arbeit zu.

      Roderich hieß der Nächstgeborene. Er war dreizehn Jahre alt, der einzige Sohn und Stolz der Familie. Nach den vier Töchtern mit Ungeduld herbeigesehnt und mit Jubel begrüßt, machte er vom ersten Atemzuge an seine Daseinsberechtigung kräftig geltend, was man allgemein als selbstverständlich fand.

      So wuchs dieses Bürschchen heran, von sich und seiner Bedeutung sehr durchdrungen. Und als er später noch als Ahnerbe Uhlens galt, da sah man in diesem eingebildeten kleinen Bengel fast einen Gott.

      Dann waren da noch zwei Mädchen: Die siebenjährige Elwira, ein rassiges kleines Teufelchen, und das Nesthäkchen Hildegund, das lieb und artig war, solange man ihm den Willen tat.

      Julius von Ragnitz, ein kugelrundes Männchen mit einem gutmütigen Gesicht und Glatze, besaß also eine große Familie. Denn noch sahen seine verschmitzten Äuglein vergnügt in die Welt, und seine kräftige rote Nase zeugte davon, daß er einem guten Tropfen huldigte.

      Er sagte selbst, daß in seinem Hause seine wackere Ehehälfte die Hosen anhätte, und er machte nie den Versuch, ihr dieselben auszuziehen. Er ließ sie schalten und walten, zumal er wußte, daß alles bei ihr in den besten Händen lag. Nur in seinen Angelegenheiten ließ er sich von ihr nicht dreinreden. Dann konnte der wild werden. Und da Frau Franziska das aus Erfahrung wußte, ließ sie es bleiben.

      Heute saß die ganze Familie beim einfachen Mittagsmahl. Das Gespräch drehte sich ausschließlich um den Roggen, der auch hier noch kurz vor dem gestrigen Gewitter unter Dach und Fach gebracht werden konnte.

      Die kräftige Gemüsesuppe mit Hammelfleisch war fast verzehrt, als die Hausfrau lebhaft auffuhr.

      »Ach ja, fast hätte ich es vergessen, der Arzt soll heute in Uhlen gewesen sein.«

      »Na und –?« fragte der Hausherr, gleichmütig seine Suppe löffelnd. »Ist das etwas Besonderes?«

      »Natürlich. Jobst war doch gestern früh noch gesund.«

      »Uhlen besteht ja nicht aus Jobst allein!«

      »Das nicht. Aber ich bin unruhig und muß unbedingt einmal nachsehen–«

      Er sah sie an, kniff dabei ein Auge zu, was sie vor Ärger rot anlaufen ließ.

      »Ich meine, daß man sich um Jobst kümmern muß. Wir sind seine einzigen Verwandten und sogar verpflichtet dazu«, trumpfte sie auf.

      »Natürlich, Fränze –«

      »Ach, mit dir ist ja nicht zu reden. Du hast gleich Hintergedanken, von Neugierde und so.«

      Nun lachte er sein dröhnendes, fideles Lachen: »Kinder, habe ich schon etwas von Neugierde gesagt?«

      »Nein –!« klang es


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