Gesammelte Werke. Джек ЛондонЧитать онлайн книгу.
litt offenbar starke Schmerzen. In ewiger Unruhe warf er den Kopf hin und her. Dabei hob er das Ohr von dem Kissen, gegen das es gepreßt gewesen war, und sofort hörte er, was sie sagte, und antwortete. Maud wandte sich zu mir. Ich preßte ihm wieder das Kissen gegen das linke Ohr und fragte ihn, ob er mich höre, aber er regte sich nicht. Dann nahm ich das Kissen fort, wiederholte die Frage, und sofort erwiderte er, daß er mich verstehe.
„Wissen Sie, daß Sie auf dem rechten Ohr taub sind?" fragte ich.
„Ja", antwortete er mit leiser, aber fester Stimme, „und schlimmer als das: Meine ganze rechte Seite ist wie gelähmt. Ich kann weder Arm noch Bein bewegen."
„Verstellen Sie sich nun wieder?" fragte ich ärgerlich. Er schüttelte den Kopf, und sein trotziger Mund verzog sich zu einem seltsamen, verzerrten Lächeln, wirklich verzerrt, denn nur die Muskeln der linken Gesichtshälfte bewegten sich, während die rechte Seite starr blieb.
„Das war das letzte Spiel des Wolfes", sagte er. „Ich bin gelähmt. Ich werde nie wieder gehen. Oh, nur die andere Seite", fügte er hinzu, als erriete er den mißtrauischen Blick, den ich auf sein linkes Bein warf, dessen Knie sich soeben unter der Bettdecke gekrümmt hatte. „Es ist auch wirklich Pech", fuhr er fort. „Ich würde mich gefreut haben, wenn ich Ihnen wenigstens den Garaus gemacht hätte. Dazu, dachte ich, würden meine Kräfte noch reichen."
„Aber warum denn?" fragte ich entsetzt.
Wieder verzog sich sein trotziger Mund zu dem verzerrten Lächeln, und er sagte: „Ach, nur um lebendig zu sein, zu leben und zu handeln, um das größere Stück Gärstoff zu sein, um Sie zu fressen. Aber auf diese Weise zu sterben..." Er zuckte die Achseln oder versuchte es vielmehr, denn nur die linke Schulter bewegte sich. Sein Achselzucken war ebenso verzerrt wie sein Lächeln.
„Aber haben Sie eine Erklärung für Ihre Krankheit?" fragte ich. „Wo sitzt sie?"
„Im Gehirn", erwiderte er sofort. „Die verfluchten Kopfschmerzen sind die Ursache."
„Symptome", meinte ich.
Er nickte. „Es gibt keine Erklärung. Ich bin nie in meinem Leben krank gewesen. Irgend etwas ist mit meinem Gehirn los. Ein Geschwür, ein Tumor oder etwas Derartiges - etwas, das frißt und zerstört. Es greift mein Nervenzentrum an, frißt es Stück auf Stück, Zelle auf Zelle. Ich kann nicht mehr sehen. Gehör und Gefühl verlassen mich, und bald werde ich auch nicht mehr sprechen können. Und doch werde ich hier sein, lebendig und ohnmächtig."
„Und wie denken Sie nun über die Unsterblichkeit der Seele?" fragte ich ihn.
„Quatsch!" lautete die Antwort. „Die Sache ist einfach die, daß meine höheren physischen Zentren unberührt sind. Ich besitze noch mein Gedächtnis, ich kann denken und Schlüsse ziehen. Wenn das vorbei ist, bin ich fertig. Bin nicht mehr. Die Seele-?"
Er lachte höhnisch. Dann drehte er sein linkes Ohr wieder gegen das Kissen, zum Zeichen, daß er die Unterhaltung nicht fortzusetzen wünsche. Maud und ich machten uns an unsere Arbeit, bedrückt durch den Gedanken an das furchtbare Geschick, das ihn betroffen hatte - wie furchtbar es war, sollten wir erst später ganz erfahren. Es lag etwas von dem Schrecken der Vergeltung darin.
Unsere Gedanken waren ernst und feierlich, und wir sprachen anfangs nur flüsternd miteinander.
„Sie könnten mir gern die Handeisen abnehmen", sagte er abends, als wir neben ihm standen und über seinen Zustand sprachen. „Ganz sicher, ich bin unheilbar. Ich habe mich schon auf das Wundliegen gefaßt gemacht."
Er lächelte sein verzerrtes Lächeln. Mauds Augen waren starr vor Entsetzen, und sie mußte sich abwenden.
Innerlich war er ganz unverändert. Er war immer noch der alte, unbezwingliche, furchtbare Wolf Larsen, nur jetzt gefangen in diesem Fleisch, das einst so unbesiegbar und prachtvoll gewesen. Jetzt band es ihn mit unsichtbaren Fesseln, hüllte seine Seele in Finsternis und Schweigen und schloß ihn aus von der Welt, die für ihn der Inbegriff aufrührerischer Tatkraft gewesen war.
Wir nahmen ihm die Handeisen ab, konnten uns aber doch nicht mit seinem Zustand vertraut machen. Unser Gefühl lehnte sich dagegen auf. Was hatten wir noch von ihm zu erwarten? Wir wußten es nicht; aber vielleicht Furchtbares! Sein Geist konnte sich gegen das Fleisch erheben, konnte ausbrechen, wer wußte es? Unsere Erfahrung machte uns unsicher, und nur mit einem Gefühl von Angst gingen wir wieder an unsere Arbeit.
Mit dem Scherenkran hievte ich den Großbaum an Bord. Seine vierzehn Meter mußten genügen, um den Mast hereinzubringen. Mit einer an dem Scherenkran festgemachten Leine schwang ich den Baum hoch, so daß er im Gleichgewicht pendelte, dann ließ ich das Ende auf das Deck herab, wo ich, um ihn vor dem Rutschen zu bewahren, große Klampen befestigt hatte.
Den Einzelblock meines Scherenkrans hatte ich am Ende des Baumes festgemacht. Mit dem Spill konnte ich nun die Spitze des Baumes nach Belieben heben und senken, während das Ende seinen festen Halt behielt. Dazu konnte ich ihn mit Hilfe von Fallen seitwärts schwingen. An der Spitze befestigte ich einen Flaschenzug, und als die ganze Einrichtung fertig war, hatte ich meine helle Freude an der Kraft und Leichtigkeit, mit der sie arbeitete.
Natürlich nahm mich dieser Teil der Arbeit zwei volle Tage in Anspruch, und erst am Morgen des dritten waren wir fertig. Ich hatte mich besonders ungeschickt dabei angestellt. Ich hatte gesägt, gehackt und gestemmt, bis das verwitterte Holz aussah, als wäre es von Mäusen angeknabbert. Aber schließlich ging es.
Ein neuer Schlag hatte Wolf Larsen getroffen. Er hatte die Stimme verloren oder war jedenfalls daran, sie zu verlieren. Nur hin und wieder konnte er noch Gebrauch von ihr machen. Aber plötzlich konnte die Stimme mitten im Satz versagen, und dann mußten wir zuweilen stundenlang warten, bis die Verbindung wiederhergestellt war. Er klagte über starke Kopfschmerzen. In dieser Periode dachte er sich ein System aus, um sich mit uns verständigen zu können, wenn er überhaupt nicht mehr sprechen konnte: ein einfacher Händedruck bedeutete ja, ein doppelter nein. Es war gut, daß wir diese Vereinbarung trafen, denn schon am Abend versagte die Sprache ganz. Jetzt beantwortete er unsere Fragen durch Händedrücken, und wenn er zu sprechen wünschte, kritzelte er seine Gedanken mit der Linken, kaum lesbar, auf ein Blatt Papier.
Der strenge Winter war im Anmarsch. Ein Sturm folgte dem andern mit Schnee, Hagel und Regen. Die Robben hatten ihre große Wanderung nach dem Süden angetreten, und die Robbeninsel war so gut wie verlassen. Ich arbeitete fieberhaft. Trotz Wind und Wetter war ich vom frühen Morgen bis zum späten Abend an Deck und machte tüchtige Fortschritte.
Meine Erfahrungen beim Einrichten des Scherenkrans und des Fockmastes kamen mir jetzt zugute. Ich brachte Takelung, Stagen und Falle an. Wie gewöhnlich, hatte ich die Arbeit unterschätzt: Ich brauchte zwei Tage dazu. Und dabei war noch so vieles zu tun, wie zum Beispiel das Einrichten der Segel, die gänzlich umgearbeitet werden mußten.
Während ich am Fockmast arbeitete, nähte Maud an den Segeln, immer bereit, ihre Arbeit aus der Hand zu legen, wenn es galt, mir zu helfen, wo meine beiden Hände nicht ausreichten. Das Segelleinen war hart und schwer, und sie nähte nach Matrosenart mit der ganzen Handfläche und einer dreikantigen Segelnadel. Ihre armen Hände waren bald von Blasen bedeckt, aber sie kämpfte tapfer weiter, und dazu kochte sie und pflegte den Kranken.
„Nun, was sagen Sie dazu?" sagte ich am Freitagmorgen. „Heute kommt der Großmast an die Reihe!"
Alles war bereit. Mit Hilfe des Ankerspills holte ich den Mast beinahe klar über die Reling. Kurz darauf pendelte er frei über Deck.
Maud klatschte in die Hände, als sie einen Augenblick nicht den Törn zu halten brauchte. Dann aber wurde ihr Gesicht plötzlich traurig. „Er ist nicht über dem Loch", sagte sie. „Müssen Sie nun wieder ganz von vorn anfangen?"
Ich lächelte überlegen, dann ließ ich eine Talje nach, zog die andere an, und der Mast schwang sich mitten über das Deck.
Gerade zu der viereckigen Öffnung der Staffel senkte sich das Ende herab, aber da drehte sich der Mast, so daß das eine Viereck nicht in das andere paßte. Doch ich war mir nicht eine Sekunde lang unklar, was ich zu tun hatte. Beim Schein der Lampe sah ich, wie sich das Mastende